Denkmal-Landschaft Peenemünde

Denkmal-Landschaft Peenemünde


Auf der Ostseeinsel Usedom befanden sich von 1936 bis 1945 die Heeresversuchsanstalt und eine Erprobungsstelle der Luftwaffe. Die Wehrmacht benötigte Arbeitskräfte für die Fertigung der V2-Rakete, ließ daher auf dem Gelände die dem KZ Ravensbrück angegliederten Außenlager Karlshagen I und II errichten und tausende Häftlinge dort einsperren. An mehreren Stationen der Denkmal-Landschaft Peenemünde wird an das Schicksal der Häftlinge erinnert.

Geschichte

Bereits 1932 begannen deutsche Militärs mit der Raketenforschung. Für die Entwicklung und den Bau einer fernflugtauglichen Rakete wurde im Auftrag der Wehrmacht 1936 die Heeresversuchsanstalt in Peenemünde errichtet. Aufgrund seiner Abgeschiedenheit im nördlichen Teil der Insel Usedom war der Ort ideal für geheime militärische Forschungen. Das Ziel der Wissenschaftler um Wernher von Braun war es, eine Rakete zu bauen, die mit einem Flüssigkeitsantrieb 750 Kilogramm-Bomben über eine große Entfernung tragen konnte, um das Ziel möglichst genau zu treffen und zu zerstören. Nach mehreren fehlgeschlagenen Versuchen gelang es den Forschern am 3. Oktober 1942 erstmals, eine Rakete des Typs A4 (»Aggregat 4«) 192 Kilometer entfernt in der Ostsee einschlagen zu lassen. Knapp zwei Jahre später setzte die Wehrmacht die Rakete als »Vergeltungswaffe« V2 vor allem im Kampf gegen Großbritannien ein.
Für die Entwicklung und Produktion der Rakete wurden zehntausende Zwangsarbeiter an den verschiedenen Produktionsorten eingesetzt. Die KZ-Häftlinge für die beiden Werke der Heeresversuchsanstalt und der Luftwaffenerprobungsstelle forderte die technische und militärische Leitung beim SS-Wirtschaftsverwaltungshauptamt an. Die ersten Häftlingstransporte trafen im Juni 1943 aus Buchenwald ein. Für die Unterbringung der Häftlinge entstanden auf dem Werksgelände sowie im nahe gelegenen Karlshagen zwei Lager. Etwa 1.200 Häftlinge befanden sich durchschnittlich im Lager Karlshagen I, das bis Anfang 1945 bestand. Bei kargen Essensrationen mussten sie täglich zehn Stunden im Werk Ost arbeiten und wurden für zum Teil gefährliche Arbeiten eingesetzt. Das zweite Lager wurde nach dem Bombenangriff der britischen Luftwaffe auf das Werksgelände am 18. August 1943 wieder aufgelöst. Nachdem es offensichtlich geworden war, dass die Alliierten die »Versuchsstelle Peenemünde« entdeckt hatten, wurde die Produktion der V1 und V2 in die Harzregion unter Tage verlagert.

Opfergruppen

Wahrscheinlich wurden die Leichen von etwa 170 Häftlingen des Lagers Karlshagen I in der Zeit von Dezember 1943 bis September 1944 im Krematorium Greifswald verbrannt. Ende der 1960er Jahre wurden in der Nähe des Peenemünder Friedhofes die Überreste von 56 Toten gefunden. Es wird davon ausgegangen, dass es sich bei diesem Fund um die Skelette von Häftlingen handelt. Nachweislich wurden einige von ihnen durch Kopfschuss getötet. Die genaue Zahl der Häftlinge, die in Peenemünde/Karlshagen gestorben sind, ist nicht bekannt.
Nachdem die Produktion in den Harz verlagert wurde, durchliefen etwa 60.000 Häftlinge das KZ Mittelbau-Dora und seine Außenlager von 1943 bis 1945. Sie wurden beim Ausbau der Stollen und bei der Fertigung der Raketen eingesetzt. Schätzungsweise 20.000 Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter kamen vor allem aufgrund der unmenschlichen Arbeits- und Lebensbedingungen bei der Fertigung der Raketen an den verschiedenen Produktionsorten ums Leben.
In London und weiteren englischen Städten verursachten die V2-Raketen zwischen September 1944 und März 1945 Tod und Verwüstung.

Erfahre mehr über Deutschland

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begann die staatliche Verfolgung der Gegner des Regimes, von Juden, als »Zigeuner« bezeichneten Roma, Patienten sowie zahlreichen anderen Gruppen. Antisemitismus wurde erstmals Bestandteil der Regierungspolitik eines modernen Staates, die Verfolgung aller Gruppen schrittweise verschärft. Dabei griffen staatliche Verordnungen, Gewalttaten von Anhängern des Regimes und die Hetze der Presse ineinander. Der Terror gegen Juden im November 1938 (»Kristallnacht«) mit etwa hundert Toten bildete den Scheitelpunkt hin zur vollständigen Ausgrenzung und Ermordung der jüdischen Minderheit. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 gerieten weite Teile Europas unter deutsche Herrschaft. Insbesondere im Osten entstand ein vielgliedriges System von Lagern und Mordstätten, in dem die SS bis zu sechs Millionen Juden, unter ihnen etwa 165.000 deutsche Juden, ermordete. Die Zahl der übrigen Deutschen, die in Folge des Krieges ihr Leben verloren, wird auf etwa sieben Millionen geschätzt, darunter fast 3,5 Millionen Zivilisten. Etwa 28 Millionen Einwohner der besetzten Sowjetunion (Soldaten und Zivilbevölkerung) und drei Millionen nichtjüdische Polen kamen gewaltsam zu Tode; an sie wird in Deutschland bis heute kaum erinnert. Deutschland wurde 1945 von den Alliierten besetzt; 1949 entstanden die Deutsche Demokratische Republik (DDR) und die Bundesrepublik Deutschland (BRD) mit sehr unterschiedlichen Gedenkkulturen. In der DDR dominierte die Selbstinterpretation als »antifaschistischer« deutscher Nachfolgestaat. Die Orte der ehemaligen Konzentrationslager (KZ) Buchenwald, Ravensbrück und Sachsenhausen wurden zu »Nationalen Mahn- und Gedenkstätten« und stellten vor allem den kommunistischen Widerstand dar. In der Bundesrepublik dominierte zunächst die Erinnerung an die Opfer der alliierten Bombenangriffe, von Flucht und Vertreibung. Das Gedenken an die nationalsozialistische Verfolgung, den Holocaust oder den Widerstand war einzelnen Gruppen überlassen, Täter und Tatbeteiligungen – außerhalb juristischer Prozesse – kein Gegenstand öffentlicher Diskussion. Das änderte sich ab Mitte der 1960er Jahre, als nach intensiver Debatte die Verjährung für Mord aufgehoben wurde. Gleichzeitig entstanden Erinnerungsstätten an Orten ehemaliger KZ (1965: Dachau und Neuengamme; 1966: Bergen-Belsen) und die Gedenkstätte Deutscher Widerstand 1968 in West-Berlin. Erst in den 1980er Jahren entwickelte sich durch lokale Initiativen eine vielfältige, oft kleinteilige Erinnerungslandschaft. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurden eine gesamtstaatliche Gedenkstättenkonzeption entwickelt und Orte der Erinnerung umfangreich überarbeitet. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin konnte 2005 der Öffentlichkeit übergeben werden. Eine umfangreiche Dokumentation der nationalsozialistischen Verbrechen und ihrer Täter, die Topographie des Terrors, wurde im Mai 2010 eröffnet; das Ausstellungszentrum »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« folgte 2021. Mittlerweile erinnern zentrale Denkmäler in Berlin auch an weitere Opfergruppen: An die ermordeten Sinti und Roma, an die Opfer im Rahmen der NS-»Euthanasie« ermordeten Patienten und an die verfolgten Homosexuellen. Die Opfer des nationalsozialistischen Terrors in den früheren Ostgebieten fielen nach Kriegsende einem doppelten Vergessen anheim. Die Erinnerung blieb für Jahrzehnte auf landsmannschaftliche Verbände in der BRD beschränkt und schloss die Zeit von 1933 bis 1945 meist aus. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs nehmen sich jedoch deutsche, polnische, litauische und russische Initiativen auch dieses Teils der deutschen Vergangenheit an.

Erinnerung

1971 entstand in Karlshagen ein Denkmal zur Erinnerung an die 56 Toten, deren Überreste 1968 gefunden wurden. Es handelt sich dabei um eine Mosaikbildwand des Künstlers Karl Rösler. Eine weitere Gedenktafel an diesem Ort erinnert seit den 1990er Jahren an alle Opfer des Zweiten Weltkrieges. Der Gedenkort ist Teil der »Denkmal-Landschaft Peenemünde«. Ziel dieses Projektes ist es, die historischen Komponenten des Ortes mit den Interessen des Natur- und Landschaftsschutzes in Einklang zu bringen. Auf dem 22 km langen Rundweg können Besucher verschiedene Schauplätze besichtigen, die bei der Entwicklung und Fertigung der A4 Rakete eine Rolle spielten. Der Weg führt nicht nur über das Gelände des seit 1997 in Peenemünde ansässigen Historisch-Technischen Museums (HTM), sondern streift auch den Ort des ehemaligen KZ-Außenlagers, Reste von Bunkeranlagen und den Bereich der ehemaligen Hauptwache. An den 13 Stationen des Rundwegs geben Informationstafeln zu den jeweiligen Orten Auskunft.

Öffnungszeiten

April-September täglich 10-18, Oktober-März täglich 10-16, November-März Montags geschlossen

Kontakt

http://www.peenemuende.de

htm@peenemuende.de

+49(0) 38371 505 0

Im Kraftwerk
17449 Peenemünde