Denkmal für die Opfer von NS-Krankenmorden in Meseritz-Obrawalde

Pomnik dla ofiar hitlerowskiej służby sanitarnej w Międzyrzeczu-Obrzycach


Die 1904 errichtete Heil- und Pflegeanstalt Meseritz-Obrawalde war zwischen 1942 bis 1945 ein Ort der »Euthanasie«-Verbrechen im Nationalsozialismus. Hier ermordeten Ärzte und das Pflegepersonal systematisch tausende psychisch Kranke. Zwischen den beiden Weltkriegen gehörte Meseritz (polnisch: Międzyrzecz) zur preußischen Provinz Grenzmark Posen-Westpreußen, zwischen Oktober 1938 und Kriegsende zur Provinz Brandenburg, dennoch war die Anstalt in dieser Zeit dem Provinzialverband Pommern untergeordnet. Heute liegt die Stadt in Westpolen, in der Nähe der deutschen Grenze.

Geschichte

Der Begriff »Euthanasie« bezeichnete während des Nationalsozialismus die Ermordung tausender Menschen mit geistigen und körperlichen Behinderungen. Geplant und organisiert wurde der Mord durch eine Adolf Hitler unterstellte Organisation, die die Tarnbezeichnung »T4« nach der Anschrift der Zentrale in der Berliner Tiergartenstraße erhielt. Anfangs fielen Kleinkinder bis zu drei Jahren der »Euthanasie« zum Opfer, in der Folgezeit ältere Kinder und Jugendliche, ab 1940 unter dem Decknamen »Aktion T4« auch Erwachsene.
Seit Frühsommer 1939 wurden ausschließlich psychisch Kranke in Meseritz behandelt, nachdem zuvor dort auch andere medizinische Abteilungen tätig waren. Nach dem Angriff der Wehrmacht auf Polen am 1. September 1939 wurden etwa 2.300 Patienten verschiedener pommerischer Anstalten, auch aus Meseritz, in die besetzten Gebiete Polens verschleppt und dort zwischen Oktober 1939 und Januar 1940 ermordet. Ein Teil der Patienten wurde in andere Anstalten, auch nach Meseritz, verlegt. Für den Zeitraum der »Aktion T4« zwischen Anfang 1940 und Herbst 1941 ist die Verlegung von mindestens 166 Patienten aus Meseritz in Vernichtungsanstalten im Deutschen Reich nachgewiesen. Zu einem Ort systematischer Morde wurde die Anstalt allerdings erst nach dem offiziellen Ende der »Aktion T4«. Der Beginn der Morde fällt mit der Ankunft des neuen »Wirtschaftlichen Direktors« Walter Grabowski im November 1941 zusammen, der vermutlich bereits an den Morden im besetzten Polen beteiligt gewesen war. Zwischen 1942 und 1945 vergifteten Ärzte und Pfleger tausende Patienten meist durch die Verabreichung überdosierter Schmerzmittel. Auch Erschöpfung und Unterernährung einiger zur Arbeit ausgenutzter Patienten führten zum Tod. Als nicht »arbeitsfähig« Eingestufte wurden innerhalb weniger Tage ermordet und in Massengräbern auf dem Friedhof der Anstalt begraben oder in einem Krematorium in Frankfurt (Oder) eingeäschert.

Opfergruppen

Die genaue Opferzahl lässt sich wegen fehlender Dokumente und lückenhaft geführter Sterberegister nicht genau angeben. Die meisten Ermordeten waren psychisch Kranke aus verschiedenen Anstalten auf dem Gebiet des Deutschen Reiches. Auch polnische Kriegsgefangene und russische Zwangsarbeiter wurden hier ermordet. Anhand erhalten gebliebener Unterlagen wurde 1967 in einem Gutachten für die Staatsanwaltschaft beim Landgericht Hamburg eine Zahl von 6.991 Ermordeten in der Heil- und Pflegeanstalt Meseritz-Obrawalde angegeben. Nach Aussagen von Mitgliedern des beteiligten Pflegepersonals gibt es auch die Angabe von etwa 18.000 ermordeten Patienten.

Erfahre mehr über Polen

Mit dem Angriff auf Polen und der Besetzung des Landes durch deutsche Truppen im Westen und durch die Rote Armee im Osten begann im September 1939 der Zweite Weltkrieg. Unmittelbar nach dem Einmarsch setzten in beiden Teilungsgebieten Verfolgung und Terror ein. Deutsche Verbände verübten Massaker an Angehörigen der geistigen Eliten, jüdischen und nichtjüdischen Zivilisten sowie Patienten. Ab Ende 1939 errichtete die deutsche Verwaltung Ghettos, in denen die jüdische Bevölkerung unter elenden Bedingungen zusammengedrängt wurde. 1941, nach dem Angriff auf die Sowjetunion, geriet auch Ostpolen unter deutsche Herrschaft. SS-Einsatzgruppen ermordeten zunächst systematisch jüdische Männer, später auch Frauen und Kinder. Im Herbst 1941 begannen lokale deutsche Dienststellen im früheren Westpolen mit der Vorbereitung von Massentötungen jüdischer Ghettohäftlinge durch Giftgas. Bis 1945 wurden etwa drei Millionen polnische Juden in den Vernichtungsstätten Kulmhof, Belzec, Treblinka und Sobibor, in Majdanek und Auschwitz ermordet, verhungerten in den Ghettos oder wurden erschossen. 1943 erhoben sich die jüdischen Bewohner des Warschauer Ghettos zu einem Aufstand, den die SS blutig niederschlug. Polnische Soldaten kämpften auf Seiten der Alliierten an allen Fronten des Weltkriegs. Partisanengruppen, darunter die patriotische »Armia Krajowa« (Heimatarmee), bildeten die größte Widerstandsbewegung im besetzten Europa. Am 1. August 1944 begann der Warschauer Aufstand, die umfangreichste Erhebung von Zivilisten gegen die Deutschen im besetzten Europa. Er scheiterte, auch weil die Rote Armee – bereits am anderen Weichselufer stehend – nicht eingriff. Die Zahl der Toten wird auf bis zu 250.000 geschätzt. Insgesamt kamen etwa drei Millionen nichtjüdische Polen unter deutscher Besatzung gewaltsam zu Tode. Nachdem die Rote Armee bereits im Januar 1944 (ost-)polnischen Boden erreicht hatte, wurden die Truppen der Armia Krajowa vom sowjetischen Geheimdienst entwaffnet, ihre Offiziere erschossen oder verschleppt. Die Millionen Toten der Besatzungszeit, die dauerhafte Annexion Ostpolens durch die Sowjetunion, die Eingliederung ostdeutscher Gebiete und der daraus resultierende Bevölkerungsaustausch verursachten in Polen ein schweres politisches und gesellschaftliches Trauma. In der Erinnerungskultur stand das Gedenken an die Ermordung der europäischen Juden in deutschen Vernichtungslagern auf polnischem Boden zunächst im Hintergrund. So galt Auschwitz – im Ausland längst zum Symbol des Holocaust geworden – über Jahrzehnte vor allem als »Ort polnischen Martyriums«. Veränderungen gibt es allerdings seit Beginn des 21. Jahrhunderts. Dazu mögen auch die heftigen Debatten um den ostpolnischen Ort Jedwabne beigetragen haben. Das Massaker an etwa 340 Juden am 10. Juli 1941, das bis dahin »Gestapo und Hitler-Polizei« zugeschrieben worden war, hatten polnische »Nachbarn« ohne deutschen Zwang verübt. Die Diskussionen im In- und Ausland um eine polnische Mittäterschaft führten 2001 dazu, dass sich Staatspräsident Aleksander Kwaśniewski (*1954) bei den Opfern entschuldigte. Forderungen von Fachleuten, etwa aus dem Institut des Nationalen Gedenkens, sich den schwierigsten Kapiteln der Vergangenheit zu stellen, wurden lauter. Zu diesen zählen auch antijüdische Pogrome 1946/47 und der staatliche Antisemitismus im sozialistischen Nachkriegspolen. Der polnische Staat investiert sehr viel in Erinnerungspolitik, auch in Großprojekte mit internationaler Ausstrahlung. Das Museum des Warschauer Aufstandes wurde bereits 2004 eröffnet. Das POLIN Museum der Geschichte der polnischen Juden eröffnete auf dem Gebiet des ehemaligen Warschauer Ghettos 2013, ein Museum des Warschauer Ghettos soll 2024 folgen. In Danzig gibt es seit 2017 das Museum des Zweiten Weltkrieges. Die ehemaligen deutschen Vernichtungslager Belzec und Sobibor wurden nach der Jahrtausendwende in moderne Gedenkstätten umgewandelt. Auch in der Kultur ist eine immer intensivere Beschäftigung mit dem jüdischen und multikulturellen Erbe Polens zu beobachten.

Erinnerung

Am 29. Januar 1945 erreichte die Rote Armee Meseritz. Nach der Übernahme des Krankenhauses untersuchten verschiedene Kommissionen das Krankenhausgelände. Das Gebäude der ehemaligen Heil- und Pflegeanstalt kam im Juli 1945 unter polnische Verwaltung. Heute befindet sich dort wieder eine psychiatrische Klinik. 1966 wurde ein Mahnmal auf dem Krankenhausgelände errichtet, das an die Opfer der Krankenmorde zwischen 1942-1945 erinnert. In dem Verwaltungsgebäude des Krankenhauses befindet sich zudem eine kleine, 1973 entstandene Ausstellung zur Erinnerung an die hier begangenen Verbrechen.
Ein weiteres Denkmal für die ermordeten Patienten steht bei einem Massengrab auf dem Friedhof neben dem Klinikgelände.

Öffnungszeiten

Der Friedhof ist jederzeit zugänglich. Die Ausstellung in der Klinik ist nur auf Anfrage zu besichtigen.

Kontakt

http://www.psychiatria.miedzyrzecz.pl

sekretariat@obrzyce.eu

+48 (095) 742 8700

ul. Poznańska 109
66-300 Międzyrzecz