Denkmal für die Juden von Baraschi und Umgebung

Меморіал євреям Барашів і околиць


Seit Herbst 2019 erinnert ein Denkmal an die ermordeten Juden des Ortes Baraschi. Das Denkmal entstand im Rahmen des internationalen Projekts »Erinnerung bewahren«, das vom Auswärtigen Amt gefördert wird.

Geschichte

Baraschi ist ein Dorf in der Region Wolhynien etwa 50 Kilometer nordwestlich von Shitomir entfernt. Die früherste schriftliche Erwähnung von Baraschi stammt von 1566. Um 1750 gab es bereits eine kleine jüdische Gemeinde. Nach der Teilung Polens 1793 gehörte Baraschi zum Russischen Zarenreich. 1897 hatte Baraschi etwa 2.250 Einwohner, darunter 338 Juden – 15% der Bevölkerung.
Nach dem Ersten Weltkrieg gehörte Baraschi zur Ukraine, beziehungsweise zur Sowjetunion. 1939 lebten 320 Juden im Ort, was einem Zehntel der Bevölkerung entsprach. Darüber hinaus lebten einige Hundert weitere Juden in den umliegenden Dörfern.
Die deutsche Wehrmacht nahm Baraschi etwa einen Monat nach ihrem Angriff auf die Sowjetunion am 20. Juli 1941 ein. Zu diesem Zeitpunkt blieben nur noch etwa 43 Juden im Ort, alle anderen waren geflohen. Sofort nach dem Einmarsch der Wehrmacht mussten Juden ein Erkennungszeichen tragen und Zwangsarbeit leisten. Ende August wurde eine Gruppe von etwa 30-40 jüdischen Frauen und Männern aus der nahegelegenen Stadt Jemiltschyne in die Nähe von Baraschi gebracht und dort erschossen. Viele der Täter waren Volksdeutsche aus der Region.
Im September 1941 wurden alle Juden aus der Umgebung in Baraschi angesiedelt, so dass ihre Zahl auf 166 anstieg. Vermutlich am 1. November wurde die überwiegende Mehrheit von ihnen, mindestens aber 95 Personen, erschossen. Zuerst mussten 20 bis 25 jüdische Männer auf einer Wiese einige Kilometer westlich von Baraschi teilweise mit den bloßen Händen eine Grube ausheben. Später wurden die jüdischen Kinder, Frauen und Männer in kleinen Gruppen zur Erschießungsstätte geführt, wo sie sich entkleiden und in die Grube legen mussten. Anschließend wurden sie erschossen. Die Täter waren vermutlich Angehörige von deutschen Gendarmerieeinheiten, die beim Morden von ukrainischen Hilfspolizisten unterstützt wurden.

Opfergruppen

Ende Oktober oder Anfang November 1941 erschossen deutsche Einheiten mindestens 95 Juden aus Baraschi und Umgebung. Insgesamt wurden mehr als 170 jüdische Kinder, Frauen und Männer aus Baraschi und Umgebung ermordet. Vermutlich wurden viele Juden, die vor der Ankunft der Wehrmacht aus Baraschi hatten fliehen können, ebenfalls im Holocaust ermordet.

Erfahre mehr über Ukraine

Die Ukraine, die zweitgrößte Republik der ehemaligen Sowjetunion, war einer der Hauptschauplätze des Zweiten Weltkriegs und des Holocaust. Die Zahl der ukrainischen Todesopfer wird auf fünf bis sechs Millionen Menschen geschätzt, darunter Hunderttausende Juden. Mitte September 1939, nach der sowjetischen Besetzung Ostpolens entsprechend einem deutsch-sowjetischen Geheimabkommen – dem Hitler-Stalin-Pakt –, kamen die südöstlichen Regionen Polens zur Sowjetukraine. Repressionen gegen die einheimische Bevölkerung gehörten fortan zum Alltag. Im Sommer 1941 traf der deutsche Angriff auf die Sowjetunion zunächst genau diese Gebiete. Schon in den ersten Tagen wurde die jüdische Bevölkerung als angebliche Stütze der Sowjetmacht Ziel blutiger Übergriffe. Sie gingen häufig von national gesinnten Ukrainern aus, die den Vormarsch der Wehrmacht zunächst begrüßten. Bald darauf begannen deutsche SS-Einsatzgruppen und verbündete rumänische Einheiten mit Massenerschießungen von Juden. Die Schlucht von Babij Jar (ukrainisch Babyn Jar) nahe Kiew, wo deutsche Einheiten und ukrainische Miliz an zwei Tagen im September 1941 mehr als 33.700 Juden ermordeten, ist heute ein weltweites Symbol für den Völkermord an den Juden. Auch die nichtjüdische Bevölkerung geriet ins Visier der Verfolger. In der nationalsozialistischen Rassenideologie galten Ukrainer wie alle »Slawen« als »Untermenschen«. Die Besatzer plünderten das Land, verschleppten weit über eine Million Zivilisten zur Zwangsarbeit und verübten öffentliche Geiselmorde. Ab 1943 tobte nicht nur ein Partisanenkrieg gegen die Wehrmacht, sondern auch der Kampf der nationalistischen »Ukrajinska Powstanska Armija« (Ukrainische Aufstandsarmee = UPA) gegen die Sowjets und die polnische Bevölkerung der Westukraine. Weit über 100.000 Polen fanden hierbei den Tod. 1944 wurde die Ukraine wieder sowjetisch und umfasst seitdem auch ehemals ostpolnische Regionen. Die UPA setzte ihren Kampf bis Mitte der 1950er Jahre fort. Die sowjetischen Behörden verschleppten rund 300.000 Ukrainer nach Sibirien, um diesen Widerstand zu brechen. Die Gedenkkultur war an der sowjetischen Symbolsprache ausgerichtet. Es entstanden monumentale Gedenkanlagen zur Feier des »Sieges« im Großen Vaterländischen Krieg. Erst in jüngerer Zeit trat neben die Heldenverehrung auch das Opfergedenken. In der Westukraine hat sich zudem eine Erinnerungskultur an den Kampf der UPA entwickelt, der als Unabhängigkeitskampf interpretiert wird. Eine Aufarbeitung der Kollaboration mit den deutschen Besatzern und des Antisemitismus hat erst um 2000 begonnen. Die Massenerschießungen an Juden wurden, mit wenigen Ausnahmen, bis in die 1980er Jahre übergangen. Erst die Regierung der unabhängigen Ukraine erkannte 1991 Babyn Jar als »Symbol jüdischen Märtyrertums« an. Die Ukraine war auch lange nach der Erlangung der Unabhängigkeit auf der Suche nach ihrer eigenen Identität. Die Dokumentation der sowjetischen Verbrechen – wie die staatlich herbeigeführte Hungerkatastrophe 1932/33 mit Millionen Toten (Holodomor) – hat größere Bedeutung als die Aufklärung über den Holocaust. Dennoch entstanden überall im Land neue Gedenkorte in Erinnerung an die ermordeten Juden, wie etwa die Gedenkstätte Drobizkij Jar in Charkiw oder das Holocaustmuseum in Odessa. An zahlreichen Massengräbern entstanden neue Denkmäler, teils mit Unterstützung aus Deutschland. In Kiew sollte bei der ehemaligen Massenerschießungsstätte Babyn Jar eine große Holocaustgedenkstätte mit weltweiter Ausstrahlung entstehen. Diese Pläne wurden mit dem großangelegten russischen Angriff auf die Ukraine vom 24. Februar 2022 auf Eis gelegt. Welche Auswirkungen der Verteidigungskrieg in Zukunft auf die Holocausterinnerung haben wird, bleibt abzuwarten.

Erinnerung

Nur einzelne Juden überlebten den Holocaust in Baraschi. Mindestens ein jüdisches Kleinkind überlebte, weil es von einer ukrainischen Familie versteckt wurde, während sich seine Mutter den Partisanen anschloss.
Die Rote Armee befreite Baraschi am 1. Januar 1944. Kurz darauf sammelte eine sowjetische Untersuchungskommission Beweise über die Verbrechen der deutschen Besatzer und strengte Verfahren gegen lokale Kollaborateure an.
1946 wurde das Massengrab der etwa 100 Juden, die um den 1. November 1941 erschossen wurden, durch Bewohner des Ortes und überlebende Juden mit Aufschüttungen markiert und umzäunt. Dasselbe geschah mit einem weiteren Massengrab, bei dem es jedoch bis heute unklar ist, welche Opfer dort verscharrt liegen.
Anfang der 1990er Jahre lebten noch eine Handvoll Juden in Baraschi. Mittlerweile gibt es dort keine jüdische Gemeinde mehr.
Im April 2017 wurden im Rahmen des Projekts »Erinnerung bewahren«, das bei der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas angesiedelt ist, nicht-invasive archäologische Untersuchungen an den beiden Massengräbern durchgeführt. Mit ihrer Hilfe konnte die genaue Lage und Größe der Massengräber ermittelt werden. Da die jüdische Tradition die Störung der Totenruhe verbietet, werden die Massengräber im Rahmen des Projekts nicht geöffnet. Im September 2019 wurde im Rahmen von »Erinnerung bewahren« ein Denkmal eingeweiht und eine Informationsstele aufgestellt, die in ukrainischer, englischer und hebräischer Sprache die Geschichte der Juden von Baraschi und Umgebung erzählt.

Öffnungszeiten

Das Denkmal ist jederzeit zugänglich.

Kontakt

https://www.erinnerungbewahren.de/baraschi/

info@erinnerung-bewahren.de


Baraschi