In den Dünen von Kalevi-Liiva, etwa 35 Kilometer östlich von Reval (estnisch: Tallinn) erinnern zwei Denkmäler an die 1942/43 von estnischen Polizisten erschossenen tschechische und deutsche Juden sowie an die ermordeten estnischen Roma.
Nach dem deutschen Einmarsch in das sowjetisch besetzte Estland im Sommer 1941 gerieten Juden, »Zigeuner« und andere ins Visier des nationalsozialistischen Terrors. Bis Ende 1941 erschossen Angehörige der Einsatzgruppe A und estnische Helfer etwa 1.000 Juden. Danach erklärte die SS das Land für »judenfrei«.
1942 richteten die deutschen Besatzungsbehörden mehrere Zwangsarbeitslager in Estland, darunter eines in Jägala, ein. Der Zweck dieser Lager war vor allem der Abbau von Ölschiefer. Viele der Häftlinge waren Juden. Am 5. September 1942 kam ein Deportationstransport mit 1.002 Juden aus dem Ghettolager Theresienstadt, sowie am 30. September 1942 ein weiterer Transport mit 1.049 Juden aus Frankfurt am Main und Berlin auf dem Bahnhof von Raasiku an. Bei der Ankunft beider Züge führte die deutsche Sicherheitspolizei »Selektierungen« durch. Bis zu 250 Frauen und Männer wurden zur Zwangsarbeit geschickt, die meisten ins Lager Jägala. Die übrig gebliebenen mehr als 1.600 Juden erschossen estnische Polizisten unmittelbar danach in den Dünen von Kalevi-Liiva. Die Leichen wurden mit Sand bedeckt. In den darauf folgenden Monaten wurden immer wieder Juden sowie estnische Roma in Kalevi-Liiva ermordet.
1942/43 erschossen estnische Polizisten zwischen 1.800 bis 2.000 Personen, vor allem Juden aus dem Deutschen Reich und dem heutigen Tschechien, aber auch Dutzende als »Zigeuner« verfolgte estnische Roma in den Dünen von Kalevi-Liiva.
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Die Mordstätte von Kalevi-Liiva rückte erst 1960/61 in den Fokus der Öffentlichkeit. Anlass dafür war ein Prozess, der in der Sowjetrepublik Estland gegen ehemalige estnische Polizisten geführt wurde. Als Folge davon errichteten die sowjetischen Behörden 1961 ein erstes Denkmal für die Opfer der Morde. Dass es sich bei den Opfern größtenteils um Juden handelte, fand auf dem Denkmal keine Erwähnung.
Am 1. Juni 1995 stellte der der Kulturminister der seit 1991 wieder unabhängigen Republik Estland Kalevi-Liiva als Tötungsort und Massengrab unter den besonderen Schutz des Staates. Im Jahr darauf wurde auf Initiative der jüdischen Gemeinschaft ein neues Denkmal eingeweiht. Er trägt die estnische und englische Inschrift: »6.000 Juden aus der Tschechoslowakei, Polen und Deutschland wurden hier 1942–1943 ermordet«. Die Opferzahl von 6.000 beruht noch auf sowjetischen Angaben und ist wissenschaftlich nicht belegbar.
2002 errichteten die Botschaften Deutschlands, Polens und Tschechiens wieder in Zusammenarbeit mit der jüdischen Gemeinschaft eine Informationstafel vor dem Denkmal.
Darüber hinaus gibt es einen Gedenkstein für etwa 2.000 ermordete »Zigeuner« mit einem Rad als Symbol für die Minderheit und einer Inschrift auf Romanes und Estnisch. Allerdings lebten laut neuesten Forschungen zum Zeitpunkt des deutschen Angriffs lediglich um die 750 Roma auf dem Gebiet Estlands.
Am 5. September, dem Datum der ersten Erschießungen in Kalevi-Liiva 1942, finden jährlich Gedenkveranstaltungen statt.
Auf dem Gelände des ehemaligen Zwangsarbeitlagers Jägala existiert noch kein Denkmal.
Der Ort ist jederzeit zugänglich.
74211 Kalevi-Liiva