Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas

Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas


Unter der Herrschaft des Nationalsozialismus wurden Hunderttausende als »Zigeuner« verfolgt und ermordet. In Erinnerung an die Opfer errichtete die Bundesrepublik Deutschland ein Denkmal, das im Oktober 2012 im Herzen Berlins eingeweiht wurde.

Geschichte

Nach ihrem Machtantritt verfolgten die Nationalsozialisten Sinti und Roma verschärft. Ab 1934 wurden viele Angehörige dieser Minderheit zwangssterilisiert, ab 1935 richtete die Polizei in immer mehr deutschen Städten Zwangslager für sie ein. 1936 wurden in Berlin, wenige Wochen vor den Olympischen Spielen, hunderte Menschen in ein solches Lager im Stadtteil Marzahn eingewiesen. Im gleichen Jahr schufen die Nationalsozialisten ein rassistisches Sonderrecht, das für die »Zigeuner« Eheverbote sowie Ausschluss aus Berufen oder der Wehrmacht bedeutete. 1938 verschleppten die nationalsozialistischen Behörden Tausende Sinti und Roma aus Deutschland und Österreich in Konzentrationslager, die Erfassung und Verfolgung wurde zentral von Berlin aus koordiniert. Vom »Reichsführer-SS« Heinrich Himmler erging die Anweisung, »die Regelung der Zigeunerfrage aus dem Wesen dieser Rasse heraus in Angriff zu nehmen«, mit dem Ziel der »endgültigen Lösung der Zigeunerfrage« (»Himmler-Erlass«). Damit schuf Himmler die Grundlage für die spätere Deportation und Ermordung von Sinti und Roma, die mit dem Beginn des Zweiten Weltkrieges in Gang gesetzt wurde. Nach dem Angriff auf die Sowjetunion im Sommer 1941 führten SS-Einsatzgruppen Massenerschießungen von Roma in den besetzten sowjetischen Gebieten durch. Ab Februar 1943 wurden über 20.000 Sinti und Roma aus fast ganz Europa in den als »Zigeunerlager« bezeichneten Abschnitt von Auschwitz-Birkenau deportiert. Die meisten wurden dort ermordet, die letzten in der Nacht vom 2. auf den 3. August 1944.

Opfergruppen

Die Anzahl der als »Zigeuner« verfolgten Menschen, die im nationalsozialistischen Herrschaftsbereich dem Völkermord zum Opfer fielen, wird sich wohl nie genau bestimmen lassen. Schätzungen reichen bis zu 500.000 Männern, Frauen und Kinder, die an ihren Heimatorten oder in Ghettos, Konzentrations- und Vernichtungslagern ermordet wurden. Von der Verfolgung waren auch Angehörige der eigenständigen Opfergruppe der Jenischen und andere Fahrende betroffen.

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Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begann die staatliche Verfolgung der Gegner des Regimes, von Juden, als »Zigeuner« bezeichneten Roma, Patienten sowie zahlreichen anderen Gruppen. Antisemitismus wurde erstmals Bestandteil der Regierungspolitik eines modernen Staates, die Verfolgung aller Gruppen schrittweise verschärft. Dabei griffen staatliche Verordnungen, Gewalttaten von Anhängern des Regimes und die Hetze der Presse ineinander. Der Terror gegen Juden im November 1938 (»Kristallnacht«) mit etwa hundert Toten bildete den Scheitelpunkt hin zur vollständigen Ausgrenzung und Ermordung der jüdischen Minderheit. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 gerieten weite Teile Europas unter deutsche Herrschaft. Insbesondere im Osten entstand ein vielgliedriges System von Lagern und Mordstätten, in dem die SS bis zu sechs Millionen Juden, unter ihnen etwa 165.000 deutsche Juden, ermordete. Die Zahl der übrigen Deutschen, die in Folge des Krieges ihr Leben verloren, wird auf etwa sieben Millionen geschätzt, darunter fast 3,5 Millionen Zivilisten. Etwa 28 Millionen Einwohner der besetzten Sowjetunion (Soldaten und Zivilbevölkerung) und drei Millionen nichtjüdische Polen kamen gewaltsam zu Tode; an sie wird in Deutschland bis heute kaum erinnert. Deutschland wurde 1945 von den Alliierten besetzt; 1949 entstanden die Deutsche Demokratische Republik (DDR) und die Bundesrepublik Deutschland (BRD) mit sehr unterschiedlichen Gedenkkulturen. In der DDR dominierte die Selbstinterpretation als »antifaschistischer« deutscher Nachfolgestaat. Die Orte der ehemaligen Konzentrationslager (KZ) Buchenwald, Ravensbrück und Sachsenhausen wurden zu »Nationalen Mahn- und Gedenkstätten« und stellten vor allem den kommunistischen Widerstand dar. In der Bundesrepublik dominierte zunächst die Erinnerung an die Opfer der alliierten Bombenangriffe, von Flucht und Vertreibung. Das Gedenken an die nationalsozialistische Verfolgung, den Holocaust oder den Widerstand war einzelnen Gruppen überlassen, Täter und Tatbeteiligungen – außerhalb juristischer Prozesse – kein Gegenstand öffentlicher Diskussion. Das änderte sich ab Mitte der 1960er Jahre, als nach intensiver Debatte die Verjährung für Mord aufgehoben wurde. Gleichzeitig entstanden Erinnerungsstätten an Orten ehemaliger KZ (1965: Dachau und Neuengamme; 1966: Bergen-Belsen) und die Gedenkstätte Deutscher Widerstand 1968 in West-Berlin. Erst in den 1980er Jahren entwickelte sich durch lokale Initiativen eine vielfältige, oft kleinteilige Erinnerungslandschaft. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurden eine gesamtstaatliche Gedenkstättenkonzeption entwickelt und Orte der Erinnerung umfangreich überarbeitet. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin konnte 2005 der Öffentlichkeit übergeben werden. Eine umfangreiche Dokumentation der nationalsozialistischen Verbrechen und ihrer Täter, die Topographie des Terrors, wurde im Mai 2010 eröffnet; das Ausstellungszentrum »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« folgte 2021. Mittlerweile erinnern zentrale Denkmäler in Berlin auch an weitere Opfergruppen: An die ermordeten Sinti und Roma, an die Opfer im Rahmen der NS-»Euthanasie« ermordeten Patienten und an die verfolgten Homosexuellen. Die Opfer des nationalsozialistischen Terrors in den früheren Ostgebieten fielen nach Kriegsende einem doppelten Vergessen anheim. Die Erinnerung blieb für Jahrzehnte auf landsmannschaftliche Verbände in der BRD beschränkt und schloss die Zeit von 1933 bis 1945 meist aus. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs nehmen sich jedoch deutsche, polnische, litauische und russische Initiativen auch dieses Teils der deutschen Vergangenheit an.

Erinnerung

Die Ermordung der europäischen Sinti und Roma spielte in der öffentlichen Diskussion lange eine untergeordnete Rolle. Erst 1982 sprach Bundeskanzler Helmut Schmidt vom Völkermord. Erste Überlegungen zur Errichtung eines nationalen Denkmals in Erinnerung an die Opfer gab es 1992. Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma schlug 1996 vor, den israelischen Künstler Dani Karavan mit dem Entwurf des Denkmals zu beantragen. Zwischen Bund und Berlin wurde 2005 die Errichtung des Denkmals im Tiergarten, zwischen Reichstagsgebäude und Brandenburger Tor, vereinbart. Es dauerte allerdings noch mehrere Jahre, bis es realisiert werden konnte. Einer der Gründe war eine kontrovers geführte Diskussion zwischen den Opferverbänden vor allem über die Frage der Inschriften, es gab aber auch Schwierigkeiten bei der Ausführung des technisch anspruchsvollen Entwurfs von Dani Karavan. Das Denkmal konnte schließlich im Oktober 2012 durch Bundeskanzlerin Angela Merkel feierlich eröffnet werden.
Das Zentrum des Mahnmals bildet ein runder, schwarzer Brunnen. Auf einem versenkbaren, dreieckigen Stein liegt eine täglich frische Blüte als Zeichen der Trauer und der Erinnerung. Begleitet wird dieser optische Eindruck von einem dauerhaften Geigenton. Auf dem Rand des Brunnens ist in englischer und deutscher Sprache ein Zitat aus dem Gedicht „Auschwitz“ des italienischen Rom Santino Spinelli angebracht. Umgeben ist das Denkmal von mehreren Tafeln. Auf ihnen ist in deutscher und englischer Sprache die Chronologie des Völkermords wiedergegeben.

Angebote

Führungen, Workshops für Schulklassen und weitere pädagogische Angebote beim Denkmal für die ermordeten Juden Europas

Öffnungszeiten

Das Denkmal ist jederzeit zugänglich

Kontakt

http://www.stiftung-denkmal.de/

info@stiftung-denkmal.de

+49 (0) 30 263 943 0

Simsonweg
10557 Berlin