Denkmal für die Helden des Ghettos

Pomnik Bohaterów Getta


In der polnischen Hauptstadt Warschau errichteten die deutschen Besatzungsbehörden im Herbst 1940 das größte Ghetto im nationalsozialistisch besetzten Europa. Am 19. April 1943 brach dort ein Aufstand der »Jüdischen Kampforganisation« (polnisch: Żydowska Organizacja Bojowa) gegen die deutschen Einheiten aus, die das Ghetto gewaltsam räumen wollten. Seit 1948 erinnert ein Monument an die Kämpfer des Ghettoaufstandes.

Geschichte

Vor dem Zweiten Weltkrieg beheimatete Warschau die größte jüdische Gemeinde Polens mit 350.000 Mitgliedern. Nach dem Angriff auf Polen besetzte die deutsche Wehrmacht Ende September 1939 die Stadt. Die Besatzungsbehörden begannen sofort damit, schrittweise die Rechte der Juden zu beschneiden. Tätliche Übergriffe, Beschlagnahmungen und Kennzeichnungspflicht bestimmten von nun an den Alltag der Juden. Bereits im November 1939 wurde ein überwiegend von Juden bewohnter Stadtteil, Muranów, zum »Seuchensperrgebiet« erklärt.
Am 2. Oktober 1940 befahl der Gouverneur des Distrikts Warschau, Dr. Ludwig Fischer ein geschlossenes Ghetto im bisherigen »Seuchensperrgebiet« einzurichten. Innerhalb von sechs Wochen mussten alle Juden auf dieses Gebiet umziehen, während die dort ansässigen nichtjüdischen Bewohner ihre Wohnungen verlassen mussten. Auf engstem Raum zusammengepfercht lebten über 410.000 Juden im Ghetto, das Mitte November 1940 durch eine drei Meter hohe Mauer vom Rest der Stadt abgeriegelt wurde.
Im Rahmen der »Aktion Reinhardt«, der planmäßigen Ermordung der Juden im Generalgouvernement, begann am 22. Juli 1942 die Auflösung des Ghettos. Bis zum 12. September deportierte die SS mit Hilfe der deutschen Polizei und der jüdischen Ghettopolizei täglich bis zu 10.000 Juden in das nordöstlich von Warschau gelegene Vernichtungslager Treblinka.
Nach der »Großen Aktion« lebten noch etwa 60.000 Menschen im Ghetto. Einige hundert schlossen sich zur »Jüdischen Kampforganisation« zusammen. Als am 19. April 1943 über 2.000 SS-, Polizei- und Wehrmachtsangehörige unter dem Kommando Jürgen Stroops das Ghetto gewaltsam räumen wollten, kam es zum bewaffneten Aufstand. Die Kämpfe dauerten etwa einen Monat. Nach und nach setzten Stroops Truppen das gesamte Ghetto in Brand und schlugen den Aufstand Mitte Mai 1943 schließlich nieder.
Auf dem völlig zerstörten Ghettogelände wurde im August 1943 auf Anordnung Heinrich Himmlers ein Konzentrationslager errichtet.

Opfergruppen

Neben Warschauer Juden mussten etwa 50.000 Juden aus dem Umland in das Ghetto ziehen. Zudem überstellten deutsche Behörden tausende Juden aus Böhmen und dem deutschen Reichsgebiet und mehrere Gruppen von Sinti und Roma aus Rumänien, Bulgarien und Ungarn in das Warschauer Ghetto. Etwa 100.000 Juden starben an Hunger oder Krankheiten im Ghetto als Folge der gezielten Unterversorgung.
Während der systematischen Deportationen der »Großen Aktion« vom 22. Juli bis zum 12. September 1942 wurden etwa 254.000 Juden in das Vernichtungslager Treblinka deportiert und dort in den Gaskammern ermordet.
In den Kämpfen des Warschauer Ghettoaufstandes kamen etwa 12.000 Juden um, darunter fast alle Aufständischen. Viele wurden bei gezielten Häusersprengungen oder auf den systematisch in Brand gesetzten Straßen von SS-, Polizei- und Wehrmachtseinheiten ermordet. Zudem erschossen deutsche Einheiten Juden, die sich ergaben oder aus den brennenden Häusern flüchteten. Etwa 7.000 Überlebende des Aufstandes wurden nach Treblinka und über 40.000 in verschiedene Arbeitslager des Distrikts Lublin deportiert.
Nur wenige jüdische Kämpfer entkamen nach dem Aufstand, viele von ihnen schlossen sich Partisanengruppen oder dem polnischen Widerstand an.
Von den insgesamt etwa 500.000 Juden, die im Warschauer Ghetto gewesen waren, erlebten nur einige Tausend das Ende des Krieges.

Erfahre mehr über Polen

Mit dem Angriff auf Polen und der Besetzung des Landes durch deutsche Truppen im Westen und durch die Rote Armee im Osten begann im September 1939 der Zweite Weltkrieg. Unmittelbar nach dem Einmarsch setzten in beiden Teilungsgebieten Verfolgung und Terror ein. Deutsche Verbände verübten Massaker an Angehörigen der geistigen Eliten, jüdischen und nichtjüdischen Zivilisten sowie Patienten. Ab Ende 1939 errichtete die deutsche Verwaltung Ghettos, in denen die jüdische Bevölkerung unter elenden Bedingungen zusammengedrängt wurde. 1941, nach dem Angriff auf die Sowjetunion, geriet auch Ostpolen unter deutsche Herrschaft. SS-Einsatzgruppen ermordeten zunächst systematisch jüdische Männer, später auch Frauen und Kinder. Im Herbst 1941 begannen lokale deutsche Dienststellen im früheren Westpolen mit der Vorbereitung von Massentötungen jüdischer Ghettohäftlinge durch Giftgas. Bis 1945 wurden etwa drei Millionen polnische Juden in den Vernichtungsstätten Kulmhof, Belzec, Treblinka und Sobibor, in Majdanek und Auschwitz ermordet, verhungerten in den Ghettos oder wurden erschossen. 1943 erhoben sich die jüdischen Bewohner des Warschauer Ghettos zu einem Aufstand, den die SS blutig niederschlug. Polnische Soldaten kämpften auf Seiten der Alliierten an allen Fronten des Weltkriegs. Partisanengruppen, darunter die patriotische »Armia Krajowa« (Heimatarmee), bildeten die größte Widerstandsbewegung im besetzten Europa. Am 1. August 1944 begann der Warschauer Aufstand, die umfangreichste Erhebung von Zivilisten gegen die Deutschen im besetzten Europa. Er scheiterte, auch weil die Rote Armee – bereits am anderen Weichselufer stehend – nicht eingriff. Die Zahl der Toten wird auf bis zu 250.000 geschätzt. Insgesamt kamen etwa drei Millionen nichtjüdische Polen unter deutscher Besatzung gewaltsam zu Tode. Nachdem die Rote Armee bereits im Januar 1944 (ost-)polnischen Boden erreicht hatte, wurden die Truppen der Armia Krajowa vom sowjetischen Geheimdienst entwaffnet, ihre Offiziere erschossen oder verschleppt. Die Millionen Toten der Besatzungszeit, die dauerhafte Annexion Ostpolens durch die Sowjetunion, die Eingliederung ostdeutscher Gebiete und der daraus resultierende Bevölkerungsaustausch verursachten in Polen ein schweres politisches und gesellschaftliches Trauma. In der Erinnerungskultur stand das Gedenken an die Ermordung der europäischen Juden in deutschen Vernichtungslagern auf polnischem Boden zunächst im Hintergrund. So galt Auschwitz – im Ausland längst zum Symbol des Holocaust geworden – über Jahrzehnte vor allem als »Ort polnischen Martyriums«. Veränderungen gibt es allerdings seit Beginn des 21. Jahrhunderts. Dazu mögen auch die heftigen Debatten um den ostpolnischen Ort Jedwabne beigetragen haben. Das Massaker an etwa 340 Juden am 10. Juli 1941, das bis dahin »Gestapo und Hitler-Polizei« zugeschrieben worden war, hatten polnische »Nachbarn« ohne deutschen Zwang verübt. Die Diskussionen im In- und Ausland um eine polnische Mittäterschaft führten 2001 dazu, dass sich Staatspräsident Aleksander Kwaśniewski (*1954) bei den Opfern entschuldigte. Forderungen von Fachleuten, etwa aus dem Institut des Nationalen Gedenkens, sich den schwierigsten Kapiteln der Vergangenheit zu stellen, wurden lauter. Zu diesen zählen auch antijüdische Pogrome 1946/47 und der staatliche Antisemitismus im sozialistischen Nachkriegspolen. Der polnische Staat investiert sehr viel in Erinnerungspolitik, auch in Großprojekte mit internationaler Ausstrahlung. Das Museum des Warschauer Aufstandes wurde bereits 2004 eröffnet. Das POLIN Museum der Geschichte der polnischen Juden eröffnete auf dem Gebiet des ehemaligen Warschauer Ghettos 2013, ein Museum des Warschauer Ghettos soll 2024 folgen. In Danzig gibt es seit 2017 das Museum des Zweiten Weltkrieges. Die ehemaligen deutschen Vernichtungslager Belzec und Sobibor wurden nach der Jahrtausendwende in moderne Gedenkstätten umgewandelt. Auch in der Kultur ist eine immer intensivere Beschäftigung mit dem jüdischen und multikulturellen Erbe Polens zu beobachten.

Erinnerung

Ein erstes Zeichen der Erinnerung an den Aufstand im Warschauer Ghetto entstand bereits 1946. In direkter Nachbarschaft wurde am 19. April 1948, dem fünften Jahrestag des Aufstandes, das »Denkmal für die Helden des Ghettos« eingeweiht. Es wurde von jüdischen Organisationen initiiert und aus Spenden finanziert. Anfangs stand das vom Bildhauer Nathan Rapoport entworfene Denkmal verwaist inmitten der völlig verwüsteten Landschaft des ehemaligen Ghettos. Das Denkmal hat zwei unterschiedliche Seiten: Auf der einen sind sieben als Helden dargestellte, überlebensgroße Bronzefiguren zu sehen, während die andere Seite Gestalten zeigt, die mit gesenktem Kopf in ihre Vernichtung gehen.
1967, zu einer Zeit, als in der Volksrepublik Polen eine zunehmend antisemitische Stimmung herrschte und jüdisches Leben in Polen gefährdet schien, reproduzierte die israelische Gedenkstätte »Yad Vashem« das Denkmal.
Bis in die 1980er Jahre wurde der Platz vor dem Denkmal für offizielle Gedenkfeiern genutzt. Bei seinem Besuch in Warschau im Dezember 1970 sank Bundeskanzler Willy Brandt vor dem Denkmal auf die Knie. Durch die immer wieder reproduzierten Bilder von dieser Geste wurde das Denkmal weltberühmt.
In den 1980er Jahren eignete sich die aus der Streikbewegung von 1980-81 heraus entstandene Oppositionsbewegung »Solidarność« nach und nach das Denkmal der Ghettohelden an. Es wurde zum Versammlungsort für Systemkritiker und zu einem Symbol des Widerstands gegen das kommunistische Regime.
2013, am 70. Jahrestag des Warschauer Ghettoaufstands, wurde in unmittelbarer Nähe zum Denkmal das Museum der Geschichte der Polnischen Juden feierlich eröffnet.

Öffnungszeiten

Das Denkmal ist jederzeit zugänglich.

Kontakt

ul. Zamenhofa
00-165 Warszawa