Das Blaue Haus

Das Blaue Haus


In Breisach erinnert das Blaue Haus an die jüdische Geschichte der Stadt und an das Schicksal der im Holocaust ermordeten Juden.

Geschichte

Breisach am Rhein wurde 1185 gegründet. Im Lauf der Jahrhunderte wechselten sich ihre Herrscher häufig ab. Die Habsburger ließen die Stadt Anfang des 16. Jahrhunderts zu einer Festung ausbauen, und auch für den französischen König Ludwig XIV. hatte die Stadt im 17. Jh. große strategische Bedeutung.
Juden lebten im 14. Und 15. Jh. auf dem Münsterberg in Breisach unabgetrennt von ihren christlichen Nachbarn. Die erste Gemeinde wurde 1349 verbrannt, die zweite 1424 ausgewiesen. Die dritte Gemeinde gründete sich unter französischer Besatzung 1640 und wurde am nördlichen Fuß des Münsterberges angesiedelt.
Im 19. Jahrhundert wuchs die Größe und die Bedeutung der jüdischen Gemeinde. 1852 lebten 526 Juden in Breisach, was einem Fünftel der gesamten Bevölkerung entsprach. Jüdisches Leben spielte sich vor allem in und um die »Judengasse« ab. Die Gemeinde unterhielt eine Synagoge, eine Elementarschule, eine Mikwe für das rituelle Bad, ein Gemeindehaus und zwei Friedhöfe. Juden nahmen immer stärker am gesellschaftlichen Leben der Stadt Teil.
Bei der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 lebten 231 Juden in Breisach. Während der Novemberpogromen 1938 wüteten SA-Männer aus Freiburg und Breisach in der Stadt. Die Synagoge wurde zerstört und etwa 30 jüdische Männer wurden für einige Wochen ins Konzentrationslager Dachau verschleppt. Vor und nach diesen Ereignissen emigrierte bis 1940 ein Großteil der jüdischen Familien aus Breisach.
Im Juni 1940 besiegte die deutsche Wehrmacht Frankreich. Das benachbarte Elsass wurde dem Deutschen Reich angegliedert. Kurz danach schoben die Behörden die Juden aus Breisach, die erst kurz zuvor aus der Evakuierung zurückgekehrt waren, ins Elsass ab. Dort wurden sie in der Psychiatrieanstalt in Rufach (französisch: Rouffach) untergebracht. Nach einem Monat konnten sie nach Breisach zurückkehren.
Am 22. und 23. Oktober 1940 wurden in der »Wagner-Bürckel-Aktion« alle Juden aus der Saar-Pfalz und aus Baden, darunter auch aus Breisach, nach Südfrankreich deportiert und in das Camp de Gurs, ein französisches Internierungslager eingesperrt. Diese »Aktion« war die erste große Deportation von Juden aus dem Deutschen Reich. Die meisten Deportierten starben in Gurs oder wurden später ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert und dort ermordet.

Opfergruppen

Mehr als 120 namentlich bekannte Juden aus Breisach am Rhein wurden im Holocaust ermordet.

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Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begann die staatliche Verfolgung der Gegner des Regimes, von Juden, als »Zigeuner« bezeichneten Roma, Patienten sowie zahlreichen anderen Gruppen. Antisemitismus wurde erstmals Bestandteil der Regierungspolitik eines modernen Staates, die Verfolgung aller Gruppen schrittweise verschärft. Dabei griffen staatliche Verordnungen, Gewalttaten von Anhängern des Regimes und die Hetze der Presse ineinander. Der Terror gegen Juden im November 1938 (»Kristallnacht«) mit etwa hundert Toten bildete den Scheitelpunkt hin zur vollständigen Ausgrenzung und Ermordung der jüdischen Minderheit. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 gerieten weite Teile Europas unter deutsche Herrschaft. Insbesondere im Osten entstand ein vielgliedriges System von Lagern und Mordstätten, in dem die SS bis zu sechs Millionen Juden, unter ihnen etwa 165.000 deutsche Juden, ermordete. Die Zahl der übrigen Deutschen, die in Folge des Krieges ihr Leben verloren, wird auf etwa sieben Millionen geschätzt, darunter fast 3,5 Millionen Zivilisten. Etwa 28 Millionen Einwohner der besetzten Sowjetunion (Soldaten und Zivilbevölkerung) und drei Millionen nichtjüdische Polen kamen gewaltsam zu Tode; an sie wird in Deutschland bis heute kaum erinnert. Deutschland wurde 1945 von den Alliierten besetzt; 1949 entstanden die Deutsche Demokratische Republik (DDR) und die Bundesrepublik Deutschland (BRD) mit sehr unterschiedlichen Gedenkkulturen. In der DDR dominierte die Selbstinterpretation als »antifaschistischer« deutscher Nachfolgestaat. Die Orte der ehemaligen Konzentrationslager (KZ) Buchenwald, Ravensbrück und Sachsenhausen wurden zu »Nationalen Mahn- und Gedenkstätten« und stellten vor allem den kommunistischen Widerstand dar. In der Bundesrepublik dominierte zunächst die Erinnerung an die Opfer der alliierten Bombenangriffe, von Flucht und Vertreibung. Das Gedenken an die nationalsozialistische Verfolgung, den Holocaust oder den Widerstand war einzelnen Gruppen überlassen, Täter und Tatbeteiligungen – außerhalb juristischer Prozesse – kein Gegenstand öffentlicher Diskussion. Das änderte sich ab Mitte der 1960er Jahre, als nach intensiver Debatte die Verjährung für Mord aufgehoben wurde. Gleichzeitig entstanden Erinnerungsstätten an Orten ehemaliger KZ (1965: Dachau und Neuengamme; 1966: Bergen-Belsen) und die Gedenkstätte Deutscher Widerstand 1968 in West-Berlin. Erst in den 1980er Jahren entwickelte sich durch lokale Initiativen eine vielfältige, oft kleinteilige Erinnerungslandschaft. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurden eine gesamtstaatliche Gedenkstättenkonzeption entwickelt und Orte der Erinnerung umfangreich überarbeitet. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin konnte 2005 der Öffentlichkeit übergeben werden. Eine umfangreiche Dokumentation der nationalsozialistischen Verbrechen und ihrer Täter, die Topographie des Terrors, wurde im Mai 2010 eröffnet; das Ausstellungszentrum »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« folgte 2021. Mittlerweile erinnern zentrale Denkmäler in Berlin auch an weitere Opfergruppen: An die ermordeten Sinti und Roma, an die Opfer im Rahmen der NS-»Euthanasie« ermordeten Patienten und an die verfolgten Homosexuellen. Die Opfer des nationalsozialistischen Terrors in den früheren Ostgebieten fielen nach Kriegsende einem doppelten Vergessen anheim. Die Erinnerung blieb für Jahrzehnte auf landsmannschaftliche Verbände in der BRD beschränkt und schloss die Zeit von 1933 bis 1945 meist aus. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs nehmen sich jedoch deutsche, polnische, litauische und russische Initiativen auch dieses Teils der deutschen Vergangenheit an.

Erinnerung

Das Blaue Haus in der ehemaligen Judengasse gilt als eines der ältesten Gebäude von Breisach, seine Fundamente beruhen auf der mittelalterlichen Stadtmauer. 1829 erwarb die jüdische Gemeinde die Gastwirtschaft, um darin eine Schule einzurichten. Die Schule bestand bis 1876. Im 20. Jahrhundert diente das Gebäude als Gemeindehaus, auch der Kantor hatte hier seine Wohnung. Nach der Zerstörung der Synagoge im November 1938 richtete die Gemeinde im Gemeindezimmer einen Gebetsraum ein.
Nach der Deportation der Juden aus Breisach nutzte eine Firma aus Freiburg das Gebäude als Werkstätte für Militärprodukte. 1953 wurde das Haus der Israelitischen Gemeinde zurückgegeben, 1955 wurde das Gebäude an die einzige Jüdin, die in Breisach überlebt hatte, Selma Ziehler, verkauft.
In den 1980er und 1990er Jahren wuchs das Interesse an der jüdischen Geschichte der Stadt. 1998 wurde ein neues Mahnmal am Ort errichtet, wo bis 1938 die Synagoge gestanden hatte, der Platz wurde in »Synagogenplatz« umbenannt, der Zusatz »ehemalige Judengasse« wurde dem Namen »Rheintorstraße« hinzugefügt. Holocaustüberlebende wurden zu diesem Anlass eingeladen.
Der 1999 eigens dafür gegründete Förderverein Ehemaliges Jüdisches Gemeindehaus Breisach e.V. erwarb das Blaue Haus im Jahr 2000, um das Gebäude vor dem Verfall zu retten und dort eine Gedenk- und Bildungsstätte einzurichten, die der jüdischen Geschichte von Breisach und am Oberrhein gewidmet ist. In den Jahren danach wurde das Haus umfassend renoviert. Erst bei dieser Renovierung wurde die Fassade blau gestrichen.
Das Haus ist heute eine Bildungs- und Begegnungsstätte. Im Obergeschoss, in den ehemaligen Wohnräumen des Kantors und seiner Familie, sowie dem ehemaligen Betraum, gibt es eine Dauerausstellung mit dem Titel »Jüdisches Leben in Breisach 1931«. Im »Gang der Erinnerung« sind die Namen aller Mitglieder der jüdischen Gemeinde im Jahr 1933 an der Wand angebracht. Das Haus beherbergt auch eine Bibliothek.
Hinter dem Synagogenplatz findet man den Alten Jüdischen Friedhof (1755-1870), am Isenberg den Neuen (1870-1993). Der älteste Begräbnisplatz der Breisacher Juden (1640-1755) befindet sich im Wald nahe Mackenheim im Elsass.

Angebote

Dauerausstellung, Bibliothek, Bildungsangebote (Führungen, Workshops, Projekttage) für Schulen, Führungen und Veranstaltungen für Erwachsene

Öffnungszeiten

Dauerausstellung »Jüdisches Leben in Breisach 1931«: mittwochs und sonntags 14.00 bis 17.00
weitere Besichtigungszeiten und Führungen auf Anfrage

Bibliothek: mittwochs 14.00 bis 17.00

Kontakt

https://blaueshausbreisach.de/

info@blaueshausbreisach.de

+49 (0)7667 911 374

Gedenk- und Bildungsstätte das Blaue Haus
Rheintorstr. 3
D-79206 Breisach am Rhein