Denkmal für die ermordeten Juden von Tschernigow

Братська могила мирних жителів, Березовий гай


In der ukrainischen Großstadt Tschernihiw (russich: Tschernigow) erinnert ein Denkmal an die ermordeten Juden von Tschernihiw und Umgebung. Weitere Denkmäler erinnern an die ermordeten Roma der Stadt und an die ermordeten Patienten der örtlichen Psychiatrie sowie an die Opfer eines Kriegsgefangenenlagers im Norden der Stadt.

Geschichte

Tschernihiw, etwa 130 Kilometer nördlich von Kiew am Ufer der Desna gelegen, wurde im 9. Jahrhundert gegründet und war im Mittelalter eine der wichtigsten Städte der Kiewer Rus. Die ersten Juden siedelten dort Anfang des 13. Jahrhundert, bis die Stadt 1239 durch die Mongolen zerstört wurde. Eine spätere jüdische Gemeinde wurde während des Chmelnizkij-Aufstands 1648 ausgelöscht. Eine neue entstand erst Ende des 18. Jahrhunderts, 1897 war mittlerweile ein Drittel der Stadt jüdisch. 1939, am Vorabend des Zweiten Weltkrieges, lebten etwa 12.000 Juden in der Stadt, was etwa 20 Prozent der Einwohner ausmachte.
Die deutsche Wehrmacht besetzte Tschernihiw am 9. August 1941. Die meisten Juden konnten zuvor fliehen. Die deutschen Besatzer zwangen die verbliebenen Juden, sich zu registrieren, Kennzeichnung zu tragen und Zwangsarbeit zu leisten. Alle Juden mussten in ein Viertel am Marktplatz umsiedeln. In den ersten zwei Monaten ermordeten Mitglieder des Sonderkommandos 4b und des Sonderkommandos 7b der Einsatzgruppe B mehrere Hundert von ihnen. Am 18. November 1941 zwangen die deutschen Besatzer alle Juden, sich auf dem Hauptplatz zu versammeln. Danach verschleppten sie die Juden zur Senke »Beresowyj Row«, wo sie alle erschossen und danach verscharrten. Anschließend ermordeten die Deutschen etwa 500 Patienten der örtlichen Krankenhäuser und psychiatrischer Anstalten. Alle Juden, die diese »Großaktion« überlebten, wurden zusammen mit sowjetischen Kriegsgefangenen im Gefängnis eingesperrt. Die Deutschen ermordeten die übrigen Juden Tschernihiws gegen Ende des Jahres.
Auf dem Gelände einer Fabrik richteten die Besatzer ein Kriegsgefangenenlager ein, in dem auch jüdische Zwangsarbeiter aus Ungarn gefangen gehalten wurden. Viele Insassen starben aufgrund der katastrophalen Bedingungen oder wurden im nahegelegenen Hain »Kriwulewtschtschina« ermordet. Im Sommer 1942 sperrten die Deutschen alle registrierten Roma aus Tschernihiw und Umgebung ein und erschossen sie am 30. September 1942 am Rand des Podusowka-Waldes.

Opfergruppen

In Tschernihiw ermordeten die Besatzer tausende Juden, Patienten, Roma, Kriegsgefangene und politische Gefangenen. Die genaue Opferzahl lässt sich aufgrund der zahlreichen Massengräber mit mehreren Opfergruppen nur schwer ermitteln. Bis Ende Oktober 1941 ermordete das Sonderkommando 7b und das Sonderkommando 4a bis zu 400 Juden. Während der »Groß-Aktion« am 18. November 1941 wurden nach Angaben der sowjetischen Untersuchungskommission 1.500 Juden ermordet. Neben Juden wurden etwa 500 Patienten aus dem örtlichen Krankenhaus und der Psychiatrie erschossen oder in sogenannten Gaswagen erstickt und an gleicher Stelle verscharrt. Etwa 57 Juden, die von dieser Massenerschießung verschont blieben, wurden im zentralen Gefängnis eingesperrt und bis Ende des Jahres ermordet und in der Nähe beerdigt. Im Januar 1942 wurden alle anderen Patienten ermordet. Im Sommer 1942 ermordeten die deutschen Besatzer, unterstützt durch die ukrainische Schutzpolizei, bis zu 2.000 Roma aus Tschernihiw und Umland.

Erfahre mehr über Ukraine

Die Ukraine, die zweitgrößte Republik der ehemaligen Sowjetunion, war einer der Hauptschauplätze des Zweiten Weltkriegs und des Holocaust. Die Zahl der ukrainischen Todesopfer wird auf fünf bis sechs Millionen Menschen geschätzt, darunter Hunderttausende Juden. Mitte September 1939, nach der sowjetischen Besetzung Ostpolens entsprechend einem deutsch-sowjetischen Geheimabkommen – dem Hitler-Stalin-Pakt –, kamen die südöstlichen Regionen Polens zur Sowjetukraine. Repressionen gegen die einheimische Bevölkerung gehörten fortan zum Alltag. Im Sommer 1941 traf der deutsche Angriff auf die Sowjetunion zunächst genau diese Gebiete. Schon in den ersten Tagen wurde die jüdische Bevölkerung als angebliche Stütze der Sowjetmacht Ziel blutiger Übergriffe. Sie gingen häufig von national gesinnten Ukrainern aus, die den Vormarsch der Wehrmacht zunächst begrüßten. Bald darauf begannen deutsche SS-Einsatzgruppen und verbündete rumänische Einheiten mit Massenerschießungen von Juden. Die Schlucht von Babij Jar (ukrainisch Babyn Jar) nahe Kiew, wo deutsche Einheiten und ukrainische Miliz an zwei Tagen im September 1941 mehr als 33.700 Juden ermordeten, ist heute ein weltweites Symbol für den Völkermord an den Juden. Auch die nichtjüdische Bevölkerung geriet ins Visier der Verfolger. In der nationalsozialistischen Rassenideologie galten Ukrainer wie alle »Slawen« als »Untermenschen«. Die Besatzer plünderten das Land, verschleppten weit über eine Million Zivilisten zur Zwangsarbeit und verübten öffentliche Geiselmorde. Ab 1943 tobte nicht nur ein Partisanenkrieg gegen die Wehrmacht, sondern auch der Kampf der nationalistischen »Ukrajinska Powstanska Armija« (Ukrainische Aufstandsarmee = UPA) gegen die Sowjets und die polnische Bevölkerung der Westukraine. Weit über 100.000 Polen fanden hierbei den Tod. 1944 wurde die Ukraine wieder sowjetisch und umfasst seitdem auch ehemals ostpolnische Regionen. Die UPA setzte ihren Kampf bis Mitte der 1950er Jahre fort. Die sowjetischen Behörden verschleppten rund 300.000 Ukrainer nach Sibirien, um diesen Widerstand zu brechen. Die Gedenkkultur war an der sowjetischen Symbolsprache ausgerichtet. Es entstanden monumentale Gedenkanlagen zur Feier des »Sieges« im Großen Vaterländischen Krieg. Erst in jüngerer Zeit trat neben die Heldenverehrung auch das Opfergedenken. In der Westukraine hat sich zudem eine Erinnerungskultur an den Kampf der UPA entwickelt, der als Unabhängigkeitskampf interpretiert wird. Eine Aufarbeitung der Kollaboration mit den deutschen Besatzern und des Antisemitismus hat erst um 2000 begonnen. Die Massenerschießungen an Juden wurden, mit wenigen Ausnahmen, bis in die 1980er Jahre übergangen. Erst die Regierung der unabhängigen Ukraine erkannte 1991 Babyn Jar als »Symbol jüdischen Märtyrertums« an. Die Ukraine war auch lange nach der Erlangung der Unabhängigkeit auf der Suche nach ihrer eigenen Identität. Die Dokumentation der sowjetischen Verbrechen – wie die staatlich herbeigeführte Hungerkatastrophe 1932/33 mit Millionen Toten (Holodomor) – hat größere Bedeutung als die Aufklärung über den Holocaust. Dennoch entstanden überall im Land neue Gedenkorte in Erinnerung an die ermordeten Juden, wie etwa die Gedenkstätte Drobizkij Jar in Charkiw oder das Holocaustmuseum in Odessa. An zahlreichen Massengräbern entstanden neue Denkmäler, teils mit Unterstützung aus Deutschland. In Kiew sollte bei der ehemaligen Massenerschießungsstätte Babyn Jar eine große Holocaustgedenkstätte mit weltweiter Ausstrahlung entstehen. Diese Pläne wurden mit dem großangelegten russischen Angriff auf die Ukraine vom 24. Februar 2022 auf Eis gelegt. Welche Auswirkungen der Verteidigungskrieg in Zukunft auf die Holocausterinnerung haben wird, bleibt abzuwarten.

Erinnerung

Die Stadt wurde am 21. September 1943 von der Roten Armee befreit. 1959 waren von etwa 90.000 Einwohnern 6.600 Juden. Im gleichen Jahr wurde die Synagoge geschlossen. Der jüdische Friedhof ist über die Jahre hinweg verwildert. Die meisten Juden verließen die Stadt in den 1990ern. Heute zählt die jüdische Gemeinde, die sich mittlerweile etwas erholt hat, etwa 3.500 Mitglieder.
1963 wurde ein Denkmal an der Massenerschießungsstätte »Berezowyj Row« errichtet. Es ist ein über 4 Meter hoher Obelisk. Die ukrainische Inschrift lautet: »Hier liegen über 1.500 sowjetische Zivilisten begraben, gequält von den deutsch-faschistischen Besatzern 1941. Die Erinnerung an die Menschen, die für ihren Kampf nach Freiheit und für die Unabhängigkeit ihrer Heimat ermordet wurden, wird für immer in unseren Herzen bleiben«. Eine weitere Inschrift wurde 1991 von der jüdischen Gemeinde hinzugefügt, die an 800 ermordete Juden aus Tschernihiw erinnert. Sie ist am Sockel des Denkmals eingraviert, über der Schrift befindet sich ein Davidstern. Neben dem Denkmal befindet sich ein Gedenkstein, der im November 2001 von der jüdischen Gemeinde errichtet wurde. Die russische Inschrift lautet: »Wir erinnern – Juden aus Tschernihiw, 2001«.
Eine weitere Massenerschießungsstätte befand sich am Wäldchen »Podusowka«. Unter den Opfern sind Roma, Juden und Kriegsgefangene, die zuvor in dem 3 Kilometer östlich gelegenen Gefängnis eingesperrt waren. Das erste Denkmal wurde 1975 errichtet. 2009 errichtete die Organisation »Romano Drom« ein weiteres Denkmal, das der hier ermordeten Roma gedenkt. Auf dem Denkmal befindet sich ein ukrainisches Zitat des in Tschernihiw geborenen Roma-Dichters Micha Kosimirenko (1938–2005).
Auf dem Gelände einer Apotheke, in der Nähe der Kinderklinik, erinnert ein Denkmal an die ermordeten Patienten der Stadt. Das Denkmal für die Opfer des Kriegsgefangenenlagers befindet sich auf dem Gelände der heutigen Wintersportschule im Norden der Stadt. Die Massengräber sind bis heute nicht umfriedet.

Öffnungszeiten

Das Denkmal ist jederzeit zugänglich.

Kontakt

Prospekt Mira 235
14000 Tschernihiw