In Großwardein (rumänisch: Oradea, ungarisch: Nagyvárad) erinnert ein Denkmal auf dem Vorplatz der orthodoxen Synagoge an die im Sommer 1944 nach Auschwitz deportierten Juden der Stadt.
Geschichte
Die Stadt Großwardein liegt im Kreischgebiet in der Nähe zur ungarischen Grenze. Zum Königtum Ungarn gehörend, fiel das Gebiet nach dem Ersten Weltkrieg zusammen mit Siebenbürgen und Teilen des Banats an Rumänien. 1941 lebten in Großwardein etwa 21.000 Juden, sie machten damit etwa ein Viertel der Gesamtbevölkerung aus. Fast alle Juden in Großwardein sahen sich selbst als Ungarn. Ende der 1930er Jahre erhob Ungarn immer stärkeren Anspruch auf die verlorenen Gebiete. Auf Druck von Deutschland und Italien wurde Siebenbürgen im September 1940 aufgeteilt und der nördliche Teil sowie das Gebiet um Großwardein Ungarn zugesprochen. Im Sommer 1941 schoben ungarische Behörden mehrere als heimatlos eingestufte jüdische Familien in die besetzte Ukraine ab, wo sie bei Kamenez-Podolsk von SS-Einheiten ermordet wurden. 1942 berief die ungarische Armee etwa 500 jüdische Männer zum Arbeitsdienst, von denen die meisten später an der Ostfront starben.
Im März 1944 besetzte die deutsche Wehrmacht das verbündete Ungarn, mit ihr trafen auch der Leiter des »Judenreferats« im Berliner Reichssicherheitshauptamt Adolf Eichmann und seine Mitarbeiter im Land ein. Daraufhin begannen SS und ungarische Behörden mit der systematischen Erfassung, Enteignung und Deportation der Juden im Land. Angehörige der ungarische Gendarmerie trieben die Juden von Großwardein am 1. Mai 1944 in einem Ghetto zusammen: Etwa 20.000 Juden mussten auf engstem Raum zusammengedrängt leben. Damit entstand in Großwardein eines der größten Ghettos in Ungarn. Die ungarischen Behörden richteten in der Nähe der Stadt ein weiteres Ghetto für etwa 8.000 Juden aus der Umgebung ein. Am 27. Mai 1944 begann die Deportation der Juden von Großwardein nach Auschwitz. Sie dauerten bis Ende Juni 1944 an.
Opfergruppen
Mindestens 20.000 Juden aus Großwardein und etwa 8.000 Juden aus der Umgebung mussten in zwei Ghettos auf engstem Raum zusammenleben. Bis zum 27. Juni 1944 wurden vermutlich alle Juden aus dem Ghetto Großwardein nach Auschwitz deportiert. Wie viele von ihnen dort umkamen ist unklar.
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Rumänien
Das Königreich Rumänien fand in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen zu keiner politischen Stabilität und sah sich von Gebietsansprüchen der Nachbarn bedroht. Das Land suchte die Nähe zum nationalsozialistischen Deutschland. In den Grenzfragen unterstützte die Berliner Führung jedoch Ungarn, Bulgarien und den zwischenzeitlichen Verbündeten Sowjetunion. Im Laufe des Jahres 1940 musste Rumänien dem Verlust großer Teile seines Territoriums zustimmen. Dies führte zur innenpolitischen Radikalisierung. König Karl (1893–1953) übertrug General Ion Antonescu (1882–1946) unbeschränkte Befugnisse, musste dann jedoch zugunsten seines Sohnes Michael (1921–2017) abdanken. Die rechtsradikale »Garda de Fier« (Eiserne Garde), mit der Antonescu verbündet war, begann sofort mit der Verfolgung der Juden. 1941 beteiligte sich Rumänien am deutschen Angriff auf die Sowjetunion. Unter rumänischer Regie wurden bis zu 155.000 Juden und 25.000 Roma aus der Bukowina und Bessarabien in besetzte ukrainische Gebiete (»Transnistrien«) deportiert. Zehntausende überlebten Massenmorde, Lagerhaft und Zwangsarbeit, Hunger und Krankheiten nicht. Die Juden in Nordsiebenbürgen (seit 1940: Ungarn) litten derweil unter den dortigen antisemitischen Verordnungen. Allerdings blieben sie mehrheitlich von gewalttätiger Verfolgung verschont, bis im Frühjahr 1944 die Wehrmacht dort einmarschierte und die SS in Zusammenarbeit mit ungarischen Behörden mit Deportationen nach Auschwitz begann. Die Gesamtzahl der ermordeten rumänischen Juden bezieht sich also auf verschiedene Gebiete: 50.000 Juden aus Bessarabien und der Bukowina sowie etwa 20.000 Juden aus dem Innern Rumäniens wurden ermordet, etwa 120.000 siebenbürgische Juden Opfer der ungarisch-deutschen Besatzung.
Im August 1944 führte die Offensive der Roten Armee zu einem Bündniswechsel Rumäniens. Michael I. entmachtete Antonescu. Das Land fiel unter sowjetischen Einfluss. 1946 wurde der Diktator hingerichtet, 1947 dankte der König ab. In der ersten Zeit nach 1945 gedachte man zunächst der Befreiung durch die Rote Armee. In Bukarest entstand ein Denkmal für die gefallenen sowjetischen Soldaten. Die Zeit als deutscher Bündnispartner blieb in der Erinnerung ausgespart. Unter Nicolae Ceaușescu (1918–1989), der das Land mit seinem Geheimdienst ab 1965 regierte, wurde die »Befreiung vom faschistischen Joch« als Verdienst rumänischer Helden dargestellt. Mit dem Ende seines Regimes 1989 erschienen vielen Rumänen entgegengesetzte Sichtweisen attraktiv: Der Angriff auf die Sowjetunion 1941 wurde nun häufiger als Kampf gegen den Bolschewismus gesehen. Das Ansehen Antonescus stieg. Für einen Teil der Rumänen erhielt wiederum der im Exil lebende König größere Bedeutung und wurde zum Symbol der Demokratie, da er den Diktator gestürzt hatte und später von den Kommunisten vertrieben wurde.
Für die Erinnerung an den Holocaust blieb in der Nachkriegszeit kein Platz. Die meisten Überlebenden hatten das Land bereits in den 1950er Jahren verlassen. Das Gedenken war Sache der jüdischen Gemeinden: Sie errichteten 1977 ein kleines Forschungszentrum und 1978 ein kleines Museum in Bukarest sowie einige Denkmäler. Im Jahr 2004 nahm eine Kommission zur Erforschung des Holocaust und der rumänischen Verbrechen ihre Arbeit auf, die vom rumänischstämmigen Überlebenden und Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel (1928–2016) geleitet wurde. Ein Nationales Institut setzt die Forschungen seit 2005 fort. 2009 wurde ein zentrales Holocaustdenkmal in Bukarest eingeweiht, dass auch an rumänische Roma erinnernt, die nach Transnistrien deportiert wurden. Sonst gibt es allerdings wenig Erinnerung an die etwa 12.500 Opfer dieser Gruppe.
Erinnerung
Nach dem Krieg kehrten mehrere tausend überlebende Juden nach Großwardein zurück, viele von ihnen stammten ursprünglich nicht aus der Stadt. 1947 lebten etwa 8.000 Juden in Großwardein. Auf Initiative Überlebender wurde 1946 in unmittelbarer Nähe zur orthodoxen Synagoge ein Denkmal zur Erinnerung an die nach Auschwitz deportierten Juden errichtet. Viele Mitglieder der jüdischen Gemeinde von Großwardein wanderten in den folgenden Jahren aus dem kommunistischen Rumänien nach Israel aus. 1970 lebten noch etwa 2.000 Juden in der Stadt, im Jahr 2002 waren es nur noch 170. 2003 renovierte die jüdische Gemeinde das Denkmal mit Unterstützung der Lempert Family Foundation (deutsch: Familie-Lempert-Stiftung). Am Denkmal wurden zusätzliche Gedenktafeln auf Englisch, Hebräisch, Rumänisch und Ungarisch angebracht.