Jüdische Erinnerungsorte in der Großen Hamburger Straße

Jüdische Erinnerungsorte in der Großen Hamburger Straße


In der Großen Hamburger Straße in Berlin-Mitte befanden sich neben dem ältesten jüdischen Friedhof der Stadt ein jüdisches Altersheim und die Knabenschule der Berliner Jüdischen Gemeinde. In der Zeit des Nationalsozialismus wurden diese Einrichtungen zweckentfremdet oder zerstört. An die einstigen Zeugnisse jüdischen Lebens und an die deportierten Berliner Juden erinnern in der Straße mehrere Gedenktafeln und Denkmäler.

Geschichte

Der jüdische Friedhof in der Großen Hamburger Straße wurde 1672 von der Jüdischen Gemeinde angelegt und ist damit der älteste jüdische Friedhof in Berlin. Etwa 150 Jahre später war er bereits überfüllt, so dass dort keine Begräbnisse mehr stattfanden. Seine historischen Grabanlagen blieben erhalten, bis 1943 die Gestapo die Zerstörung der Gräber anordnete. Quer über die letzte Ruhestätte von über 2.600 Menschen ließ die Gestapo Splittergräben anlegen, die mit Steinen von zerstörten Grabsteinen abgestützt wurden. Durch diese Maßnahme wurde auch die Grabanlage von Moses Mendelssohn zerstört. Der berühmte Philosoph der Aufklärung war 1786 auf dem jüdischen Friedhof bestattet worden.
Im Frühjahr 1945 wurden Bombentote und gefallene Soldaten in mehreren Massengräbern auf dem Friedhof beerdigt.
In unmittelbarer Nähe des Friedhofs befand sich seit 1844 ein jüdisches Altersheim. Die Gestapo ließ das Gebäude 1942 räumen und nutzte es nach einigen Umbauten als Sammelstelle für Berliner Juden, die deportiert werden sollten. Die ursprünglichen Bewohner des Altersheims wurden bereits nach seiner Schließung in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Im Keller richtete die Gestapo zudem ein Gefängnis für jüdische Flüchtlinge und Widerstandskämpfer ein.
Die benachbarte Knabenschule der Jüdischen Gemeinde von Berlin traf ein ähnliches Schicksal. Sie wurde ebenfalls auf Befehl des Reichssicherheitshauptamtes geschlossen und diente ab Sommer 1942 als weiteres Sammellager. An diese beiden Orte brachte die Gestapo jüdische Familien aus den angrenzenden Stadtbezirken, die meistens während der Nacht aus ihren Wohnungen geholt worden waren. Meist wurden sie wenige Tage später in Ghettos und Vernichtungslager im Osten verschleppt.

Opfergruppen

Über 50.000 aus Berlin deportierte Juden überlebten nicht den Holocaust. Viele Transporte endeten in den Ghettos Theresienstadt, Minsk, Riga, Kaunas und Lodz. Ab Juli 1942 fuhren mehrere Transporte mit Berliner Juden direkt nach Auschwitz-Birkenau und in andere Vernichtungslager.

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Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begann die staatliche Verfolgung der Gegner des Regimes, von Juden, als »Zigeuner« bezeichneten Roma, Patienten sowie zahlreichen anderen Gruppen. Antisemitismus wurde erstmals Bestandteil der Regierungspolitik eines modernen Staates, die Verfolgung aller Gruppen schrittweise verschärft. Dabei griffen staatliche Verordnungen, Gewalttaten von Anhängern des Regimes und die Hetze der Presse ineinander. Der Terror gegen Juden im November 1938 (»Kristallnacht«) mit etwa hundert Toten bildete den Scheitelpunkt hin zur vollständigen Ausgrenzung und Ermordung der jüdischen Minderheit. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 gerieten weite Teile Europas unter deutsche Herrschaft. Insbesondere im Osten entstand ein vielgliedriges System von Lagern und Mordstätten, in dem die SS bis zu sechs Millionen Juden, unter ihnen etwa 165.000 deutsche Juden, ermordete. Die Zahl der übrigen Deutschen, die in Folge des Krieges ihr Leben verloren, wird auf etwa sieben Millionen geschätzt, darunter fast 3,5 Millionen Zivilisten. Etwa 28 Millionen Einwohner der besetzten Sowjetunion (Soldaten und Zivilbevölkerung) und drei Millionen nichtjüdische Polen kamen gewaltsam zu Tode; an sie wird in Deutschland bis heute kaum erinnert. Deutschland wurde 1945 von den Alliierten besetzt; 1949 entstanden die Deutsche Demokratische Republik (DDR) und die Bundesrepublik Deutschland (BRD) mit sehr unterschiedlichen Gedenkkulturen. In der DDR dominierte die Selbstinterpretation als »antifaschistischer« deutscher Nachfolgestaat. Die Orte der ehemaligen Konzentrationslager (KZ) Buchenwald, Ravensbrück und Sachsenhausen wurden zu »Nationalen Mahn- und Gedenkstätten« und stellten vor allem den kommunistischen Widerstand dar. In der Bundesrepublik dominierte zunächst die Erinnerung an die Opfer der alliierten Bombenangriffe, von Flucht und Vertreibung. Das Gedenken an die nationalsozialistische Verfolgung, den Holocaust oder den Widerstand war einzelnen Gruppen überlassen, Täter und Tatbeteiligungen – außerhalb juristischer Prozesse – kein Gegenstand öffentlicher Diskussion. Das änderte sich ab Mitte der 1960er Jahre, als nach intensiver Debatte die Verjährung für Mord aufgehoben wurde. Gleichzeitig entstanden Erinnerungsstätten an Orten ehemaliger KZ (1965: Dachau und Neuengamme; 1966: Bergen-Belsen) und die Gedenkstätte Deutscher Widerstand 1968 in West-Berlin. Erst in den 1980er Jahren entwickelte sich durch lokale Initiativen eine vielfältige, oft kleinteilige Erinnerungslandschaft. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurden eine gesamtstaatliche Gedenkstättenkonzeption entwickelt und Orte der Erinnerung umfangreich überarbeitet. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin konnte 2005 der Öffentlichkeit übergeben werden. Eine umfangreiche Dokumentation der nationalsozialistischen Verbrechen und ihrer Täter, die Topographie des Terrors, wurde im Mai 2010 eröffnet; das Ausstellungszentrum »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« folgte 2021. Mittlerweile erinnern zentrale Denkmäler in Berlin auch an weitere Opfergruppen: An die ermordeten Sinti und Roma, an die Opfer im Rahmen der NS-»Euthanasie« ermordeten Patienten und an die verfolgten Homosexuellen. Die Opfer des nationalsozialistischen Terrors in den früheren Ostgebieten fielen nach Kriegsende einem doppelten Vergessen anheim. Die Erinnerung blieb für Jahrzehnte auf landsmannschaftliche Verbände in der BRD beschränkt und schloss die Zeit von 1933 bis 1945 meist aus. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs nehmen sich jedoch deutsche, polnische, litauische und russische Initiativen auch dieses Teils der deutschen Vergangenheit an.

Erinnerung

Seit 1948 erinnert eine Gedenktafel der Jüdischen Gemeinde Berlin an die Geschichte des jüdischen Friedhofs in der Großen Hamburger Straße. In der DDR-Zeit wurde der Friedhof zu einer denkmalgeschützten Parkanlage erklärt. Die in der Südmauer des Friedhofs eingelassenen Grabsteine blieben auch nach den Zerstörungen von 1943 erhalten, sie wurden Ende der 1980er Jahre zum Jüdischen Friedhof Weißensee gebracht. Seit 2009 sind sie, mittlerweile restauriert, wieder am Friedhof in der Großen Hamburger Straße. Der einzige weitere Grabstein auf dem Gelände ist ein 1990 aufgestellter, dem Original nachempfundener Grabstein für Moses Mendelssohn. Er steht an der Stelle, an dem vermutlich das Original stand. Eine 2007 erfolgte Neugestaltung des Friedhofs finanzierten der Berliner Senat und die Jüdische Gemeinde. Seitdem ist das Gelände wieder als Friedhof erkennbar: Der Grundriss, sowie die Wege und die ehemaligen Gräberfelder wurden wieder sichtbar gemacht. Zusätzlich wurden ein rituelles Handwaschbecken und eine Gebetstafel am Eingang angebracht. Auf einer Informationstafel können Besucher die Geschichte des Jüdischen Friedhofs nachlesen.
1985 wurde neben dem Eingang zum Friedhof an der Stelle des ehemaligen Altersheims eine Figurengruppe von Will und Mark Lammert aufgestellt. Will Lammert entwarf sie ursprünglich für die Gedenkstätte Ravensbrück, konnte sie aber vor seinem Tod 1957 nicht mehr fertigstellen. Neben der Skulpturengruppe erinnert ein Gedenkstein an die deportierten Berliner Juden.
Auf die einstige Knabenschule der Jüdischen Gemeinde weist die Inschrift über dem Portal in der Großen Hamburger Straße 27 hin. Seit 1992 befindet sich wieder eine jüdische Schule in dem erhaltengebliebenen Gebäude. An der Fassade der Schule erinnern ein Porträtrelief und eine Gedenktafel an Moses Mendelssohn. Eine Büste Mendelssohns, die im Vorgarten stand, zerstörten Angehörige der SA 1941.

Öffnungszeiten

Jederzeit zugänglich

Kontakt

Große Hamburger Straße
10115 Berlin