CERCIL – Studien- und Forschungszentrum über die Internierungslager im Loiret

CERCIL – Centre d'étude et de recherche sur les camps d'internement du Loiret


Das 1991 in Orléans gegründete Forschungszentrum CERCIL informiert über die Lager Pithiviers, Beaune-la-Rolande und Jargeau im Département Loiret, die nach der deutschen Besatzung Nordfrankreichs eine zentrale Rolle bei der Verfolgung von Juden und Sinti und Roma spielten. Seit 2011 ist dem Zentrum ein »Erinnerungsmuseum« angegliedert, das an die über 4.000 jüdischen Kinder erinnert, die im Juli 1942 zunächst in die Pariser Radsporthalle Vélodrome d´Hiver, dann nach Pithiviers bzw. Beaune-la-Rolande und wenig später in das Vernichtungslager Auschwitz verschleppt wurden.

Geschichte

Mit der Niederlage der französischen Armee im Juni 1940 fiel Nordfrankreich unter die Besatzung der Wehrmacht, während der Süden zunächst unbesetzt blieb. Aus der Französischen Republik wurde der »État Français« (Französischer Staat), dessen in Vichy ansässige Regierung mit den Deutschen zusammenarbeitete. Sie ließ Internierungslager für jüdische und nichtjüdische Ausländer errichten und betrieb mit einem im Oktober 1940 erlassenen »Judenstatut« im besetzten wie im unbesetzten Teil Frankreichs den Ausschluss der Juden aus der Gesellschaft. Ein weiteres Statut folgte im Juni 1941.
In den Orten Pithiviers und Beaune-la-Rolande im deutsch besetzten Département Loiret wurden seit dem 14. Mai 1941 zunächst polnische Juden festgehalten, die Internierung weiterer ausländischer folgte im Sommer 1941. Diese hatten sich auf Vorladungen gemeldet, die der Präfekt von Paris auf Drängen der deutschen Besatzer verschickt hatte. Die beiden Lager unterstanden der Verwaltung des Départements. Zwischen Juni und September 1942 deportierte die SS 8.000 jüdische Internierte aus Beaune-la-Rolande und Pithiviers in das Vernichtungslager Auschwitz. Die SS ließ Beaune-la-Rolande im August 1943 schließen, Pithiviers diente noch bis unmittelbar vor der Befreiung 1944 zur Internierung von politischen Gefangenen, insbesondere von Kommunisten.
Das Lager Jargeau war Ende 1939 zur Aufnahme von Flüchtlingen geschaffen worden und wurde 1940 zur Internierung von Kriegsgefangenen genutzt. Ab März 1941 hielt die französische Verwaltung hier unter anderen »Zigeuner«, Nichtsesshafte sowie Prostituierte fest. Das Lager wurde erst im Dezember 1945, mehr als ein Jahr nach der Befreiung Frankreichs, aufgelöst.

Opfergruppen

Etwa 16.000 Juden, darunter über 4.000 Kinder, wurden zwischen 1941 und 1943 bzw. 1944 in den Lagern Beaune-la-Rolande und Pithiviers festgehalten. Die Gefangenen erhielten nicht genug Lebensmittel, in den Baracken fehlte jegliche Möblierung. Anfangs konnten Verwandte die Gefangenen noch besuchen und es war den Internierten auch erlaubt, in Betrieben der Umgebung zu arbeiten. Bereits im Herbst 1941 wurden die Kontrollen jedoch verschärft und die Lager schließlich im Mai 1942 abgeriegelt. Am 25. und 28. Juni 1942 verließen die ersten beiden Transporte die Lager in Richtung Auschwitz. Im Juli 1942 wurden dann 7.000 jüdische Frauen und Kinder nach Beaune-la-Rolande und Pithiviers verbracht, die zuvor im Pariser Radrennstadion Vélodrome d´Hiver festgehalten worden waren. Ihre Versorgung war in keiner Weise sichergestellt, in Pithiviers brach eine Diphterieepidemie aus. Die SS deportierte zunächst nur die Erwachsenen nach Auschwitz; die von ihnen getrennten und zum Teil völlig verstörten Kinder wurden einige Wochen später mit dem gleichen Ziel verschleppt.
Im Lager Jargeau, ebenfalls im Département Loiret gelegen, hielt die französische Verwaltung von 1941 bis zur Auflösung am 31. Dezember 1945 1.720 Menschen fest. 1.190 von ihnen (unter ihnen 700 Kinder) galten als »Zigeuner«. Ihre Internierung hatte die deutsche Wehrmacht-Feldkommandantur gefordert. Die zweitgrößte Gruppe in Jargeau waren über 300 Prostituierte. Auch ihre Verhaftung hatte die Feldkommandantur Orléans befohlen, die offenbar die Arbeit von freien Prostituierten generell zu unterbinden versuchte. Mindestens 44 Frauen aus dem Lager Jargeau wurden dann gezwungen, in Bordellen der Wehrmacht zu arbeiten. Internierte des Lagers waren auch 132 Verweigerer des Zwangsarbeitsdienstes (STO) von Franzosen im Deutschen Reich, die im Anschluss an ihre Internierung nach Deutschland gebracht wurden.

Erfahre mehr über Frankreich

Frankreich geriet nach der Niederlage seiner Armee im Juni 1940 unter deutschen Einfluss. Der Norden fiel unter deutsche Militärverwaltung, der Süden blieb zunächst unbesetzt. Im südfranzösischen Kurort Vichy wurde eine von Deutschland abhängige Regierung gebildet. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs lebten etwa 300.000 Juden in Frankreich. Ihre genaue Zahl ist nicht bekannt, da die Religionszugehörigkeit in Frankreich nicht registriert wurde. Ende 1940 wurden im Norden die ersten antijüdischen Verordnungen erlassen. Der Politik der Zwangsregistrierung, Ausgrenzung und Beraubung folgten systematische Festnahmen durch die französische Gendarmerie. Vor allem Juden ohne französischen Pass gerieten ins Visier des deutschen SS- und Polizeiapparates sowie der einheimischen Behörden. Mit dem Anwachsen des französischen Widerstandes ging der deutsche Militärbefehlshaber General Otto von Stülpnagel (1878–1948) dazu über, als Abschreckung Unbeteiligte erschießen und insbesondere Juden festnehmen zu lassen. Diese Verhafteten gehörten zu den ersten, die ab März 1942 in die Vernichtungslager im besetzten Polen verschleppt wurden. Etwa 75.000 Menschen wurden in über siebzig Transporten verschleppt und ermordet. Die Mehrzahl der französischen Juden überlebte, zumeist in Verstecken im südlichen Landesteil. Krieg und Verfolgung fielen in Frankreich etwa 600.000 Menschen zum Opfer, unter ihnen 270.000 Zivilisten. Während andere Opfergruppen bis heute wenig differenziert behandelt werden, hat sich seit Ende der 1980er Jahre die Forschung zu Patienten, die in Heimen und Kliniken zu Tode kamen, verstärkt. Heute wird von bis zu 50.000 Opfern ausgegangen. In beiden Landesteilen hatte es während der Besetzung Verfolgung, Kollaboration und Widerstand gegeben. Insbesondere die Erinnerung an den Kampf der »Résistance« als Ausdruck französischer Vaterlandsliebe und das Leid der »Deportation« boten nach dem Krieg die Möglichkeit, Gegensätze zwischen Konservativen (Gaullisten) und nach Moskau ausgerichteten Kommunisten zu überbrücken. Dem entsprechen die Widmungen zahlreicher Museen und Gedenkstätten – wie das »Mémorial des Martyrs de la Déportation« (Denkmal für die Märtyrer der Deportation) in Paris aus dem Jahr 1956 und das 2005 in der KZ-Gedenkstätte Natzweiler eröffnete »Centre Européen du Résistant Déporté« (Europäisches Zentrum des deportierten Widerstandskämpfers). Ab Anfang der 1990er Jahre entstanden Einrichtungen wie das Maison d’Izieu (Haus von Izieu) bei Lyon, wo an 44 verschleppte jüdische Kinder erinnert wird, die Nationale Gedenkstätte im ehemaligen Lager Gurs sowie ein Erinnerungszentrum in Oradour sur Glane – einer Ortschaft, die die SS 1944 zerstört hatte. Die zentrale Gedenkstätte für die Opfer des Holocaust ist die 2005 eröffnete »Mémorial de la Shoah« im Zentrum der Hauptstadt. Mittlerweile haben mehrere französische Staatspräsidenten die Mitverantwortung des Landes für den Holocaust in Frankreich anerkannt. Die 1988 eröffnete und 2002 erweiterte Gedenkstätte in Caen, die an die Landung der Westalliierten in der Normandie 1944 erinnert, ist die meistbesuchte Gedenkstätte außerhalb von Paris. Hier finden die jährlichen nationalen Gedenkfeiern an den Sieg über das nationalsozialistische Deutschland statt. Zudem gibt es zahlreiche regionale Museen, in denen die Auseinandersetzung mit Verfolgung, Widerstand und Deportation im Mittelpunkt steht.

Erinnerung

Das CERCIL (Abkürzung für: Centre d'étude et de recherche sur les camps d'internement du Loiret, deutsch: Studien- und Forschungszentrum über die Internierungslager im Loiret) wurde als Verein 1991 gegründet. Am 27. Januar 2011 eröffneten der ehemalige französische Staatspräsident Jacques Chirac und die ehemalige Präsidentin des europäischen Parlamentes, die Auschwitz-Überlebende Simone Veil, das dem CERCIL zugeordnete »Erinnerungsmuseum der Kinder des Vel d´Hiv«. Es erinnert an die über 4.000 jüdischen Kinder, die im Juli 1942 zunächst in die Pariser Radsporthalle Vélodrome d´Hiver, dann nach Pithiviers bzw. Beaune-la-Rolande und wenig später in das Vernichtungslager Auschwitz verschleppt wurden. Im Hof des Museums, das sich in einem ehemaligen Kindergarten in der Altstadt von Orléans befindet, wurde ein Teil einer Originalbaracke des Lagers Beaune-la-Rolande aufgebaut. Die Räume des CERCIL umfassen insgesamt 1.000 m², von denen 450 m² für die Besucher zugänglich sind. Das Museum wurde unter anderem von der Stadt Orléans, den Gemeinden Pithiviers, Beaune-la-Rolande und Jargeau, der Fondation pour la Mémoire de la Shoah, dem Département Loiret, den französischen Ministerien für Kultur und für Verteidigung sowie der Stadt Paris finanziert.

Angebote

Dauerausstellung, Archiv, Veranstaltungen

Öffnungszeiten

Dienstags 14.00 bis 20.00, Mittwochs bis Freitags, sowie Sonntags 14.00 bis 18.00, Samstags geschlossen, Montags nur auf Anfrage, Gruppenbesuche Montags bis Freitags 9.00 bis 18.00 auf Anfrage möglich

Kontakt

http://www.cercil.fr/

cercil@cercil.eu

+33 (0)2 384 203 91

45 rue du Bourdon-Blanc
F-45000 Orléans