Erinnerung an die ermordeten Juden von Orscha

Память убитых евреев Орши / Памяць забітых яўрэяў Оршы


In der belarussischen Industriestadt Orscha erinnert ein Denkmal an die ermordeten jüdischen Kinder der Stadt und eine Gedenkanlage aus der Sowjetzeit an die Opfer der Massenerschießungen von 1941.

Geschichte

Orscha, an der Mündung der Orschiza in den Dnepr nahe der russischen Grenze gelegen, wurde 1067 das erste Mal namentlich erwähnt. Juden lebten dort ab dem 16. Jahrhundert und stellten Ende des 19. Jahrhunderts über die Hälfe der Einwohner. Am Vorabend des Zweiten Weltkrieges lebten etwa 8.000 Juden in der Stadt.
Die deutsche Wehrmacht besetzte die Stadt am 16. Juli 1941. Etwa einem Drittel der Juden gelang es zuvor in den Osten zu fliehen, zudem wurden viele jüdische Männer in die Rote Armee eingezogen. Die in der Stadt verbleibenden Juden der Stadt mussten Kennzeichnung tragen, ihre Wertsachen aushändigen und Zwangsarbeit leisten.
Ende August ermordete das Einsatzkommando 8 der Einsatzgruppe B 43 Juden im Wald in der Nähe des Dorfes Ponisowje. Die übrigen Juden aus Orscha wurden in der heutigen Friedrich-Engels-Straße im westlichen Teil der Stadt zusammengepfercht. In etwa 25 mit Stacheldraht umzäunten Häusern mussten etwa 2.000 Personen auf engstem Raum leben. Verursacht durch den Hunger und die miserablen Lebensbedingungen verbreitete sich im Ghetto in den folgenden Monaten eine Typhusepidemie, die viele dahinraffte. Dazu litten die Ghettoeinwohner unter der Willkür deutscher und einheimischer Polizisten.
Im September 1941 trieben Mitglieder des Einsatzkommandos 8 hunderte Juden zu einer Grube an Mündung der Orscha in den Dnepr und erschossen sie dort.
Am 25. November 1941 übernahm der SD unter Obersturmführer Reschke das Kommando über das Ghetto. Am 26./27. November wurde das Ghetto aufgelöst und seine Einwohner bis auf 30 Facharbeiter ermordet. Die Juden wurden von deutschen und belarussischen Polizisten zum jüdischen Friedhof getrieben, wo Mitglieder des Einsatzkommandos 8 sie erschossen.
Anfang Oktober 1943 traf das Sonderkommando 1005 in Orscha ein, dessen Aufgabe darin bestand, durch die Öffnung der Massengräber und die Verbrennung der Leichen die Spuren der Massenerschießungen zu beseitigen.

Opfergruppen

Ende August erschossen Mitglieder des Einsatzkommandos 8 der Einsatzgruppe B 43 Juden, denen sie Sabotage und kommunistische Aktivitäten vorwarfen.
Etwa einen Monat spáter erschoss das Einsatzkommando 8 etwa 800 Judenin Orscha. 2.000 Juden kamen in das Ghetto, viele kamen dort an Hunger und Krankheiten um.
Am 26. und 27. November 1941 erschossen Mitglieder des Einsatzkommandos 8 alle Juden des Ghettos.
In den Tagen danach wurden alle Kinder aus christilich-jüdischen »Mischehen« ermordet.
Nach Angaben der sowjetischen Außerordentlichen Kommission, die nach der Befreiung von Orscha die Besatzungsverbrechen untersuchte, wurden in Orscha insgesamt etwa 6.000 Juden ermordet.

Erfahre mehr über Belarus

Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 und dem Einmarsch der Roten Armee in Ostpolen kam der Nordosten des Landes zu Belarus als Teil der Sowjetunion. Im Sommer 1941 wurde dann ganz Belarus von deutschen Truppen erobert. Während der folgenden drei Jahre kam jeder vierte oder gar jeder dritte Einwohner gewaltsam ums Leben. Fast alle Städte des Landes wurden völlig zerstört. Wehrmacht oder SS brannten etwa 620 Dörfer, darunter Chatyn, systematisch samt ihren Einwohnern nieder. Malyj Trostenez, nahe der belarussichen Hauptstadt Minsk, war die größte Vernichtungsstätte auf dem Gebiet der besetzten Sowjetunion. Heute nimmt man an, dass mindestens 60.000 deutsche und einheimische Juden dort ermordet wurden. Für Minsk wird die Zahl der getöteten Juden auf bis zu 85.000 geschätzt, für das gesamte Gebiet auf 230.000. Belarus bildete von 1941 an mit über tausend aktiven Gruppen ein Hauptgebiet des sowjetischen Partisanenkampfes gegen die deutschen Besatzer. Ab Ende 1943 wurde das Land von der Roten Armee zurückerobert und galt im Sommer 1944 als vollständig von der deutschen Besatzung befreit. Das Land war weitestgehend verwüstet, das gesellschaftliche Gefüge erschüttert und die Menschen traumatisiert. Belarus gehörte ab 1944 wieder zur Sowjetunion. Ein großer Teil der 1939 einverleibten polnischen Gebiete blieben Teil des Landes. In der staatlichen Erinnerungs- und Denkmalkultur des Landes dominierten nach Kriegsende der Tag der Befreiung des Landes am 3. Juli 1944 und der Tag des Sieges am 9. Mai 1945 als Ende eines »heldenhaften« Kampfes im Großen Vaterländischen Krieg. Von zentraler Bedeutung war stets auch die Erinnerung an den Partisanenkrieg. Im sowjetischen Staatsverband verzichtete man auf eine eigenständige Nennung des Massenmords an den Juden. Daher stellt ein Obelisk in der Erschießungsgrube am ehemaligen Minsker Ghetto, der »Jama«, eine Besonderheit auf dem Gebiet der damaligen Sowjetunion dar. Er wurde bereits 1946 errichtet und blieb für Jahrzehnte das einzige Denkmal mit einer jiddischen Aufschrift und direkter Nennung der ermordeten Juden. Ungewöhnlich ist auch die Erinnerungsstätte in Chatyn, wo im März 1943 153 Menschen bei lebendigem Leib verbrannt worden waren. 1969 entstanden, zeichnet sie sich durch Schlichtheit aus und verzichtet auf die sonst übliche Monumentalität, es stehen die menschliche Dimension des Grauens und das Leid der Opfer im Vordergrund. Mit der Schaffung eines unabhängigen belarussischen Staates 1991 begann die Suche nach einer eigenen nationalen Identität. Hierbei spielen die Opferzahlen – insbesondere während des Zweiten Weltkrieges – eine entscheidende Rolle. Bewusst wird allerdings eine Unterscheidung zwischen dem Gebietstand vor und nach 1939 vermieden. Die Verbrechen der Stalinzeit, aber auch der Holocaust rückten ebenso in das Blickfeld, wurden aber aufgrund der vorhandenen Regierungsform nicht weitergehend öffentlich gemacht. Das staatliche Gedenken, das seinen Ausdruck auch im 2014 eröffneten, monumentalen Neubau des Museums der Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges findet, bleibt vom Kampf in den Jahren 1941 bis 1944 geprägt. Zugleich hat jedoch der Verband der jüdischen Gemeinden in Belarus inzwischen eine Reihe von Denkmälern für die Opfer des Massenmordes errichten lassen. Seit Anfang der 1990er Jahre haben mehrere deutsche Städte Stelen im Gedenken an die dorthin deportierten und getöteten Juden in Minsk errichtet; das Berliner Erinnerungszeichen wurde – vom Land Berlin und der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas finanziert – am 25. Juni 2009 feierlich eingeweiht. Auch eine würdige Gestaltung des Areals von Malyj Trostenez geht voran: seit 2015 erinnert eine Gedenkanlage an die Opfer. Ein zweiter Bauabschnitt wurde 2018 im Beisein der Staatspräsidenten Deutschlands, Österreichs und von Belarus eröffnet. An der Realisierung beteiligte sich auch die Bundesrepublik finanziell, wie auch an der Renovierung der Geschichtswerkstatt, die sich in einem historischen Gebäude auf dem Gebiet des ehemaligen Minsker Ghettos um die Dokumentation von Opferschicksalen kümmert.

Erinnerung

Die Rote Armee eroberte Orscha am 27. Juni 1944 zurück. Nur wenige Juden aus der Stadt hatten den Holocaust überlebt. Einigen war es gelungen sich bei Einwohnern zu verstecken oder über die Frontlinien zu gelangen und ins Landesinnere der Sowjetunion zu fliehen. Wiederum andere hatten sich der Roten Armee oder Partisaneneinheiten angeschlossen. Nach dem Ende des Krieges kehrten einige Juden nach Orscha zurück, so dass die Stadt 1970 wieder an die 1.000 Juden zählte. Nach dem Ende der Sowjetunion wanderten viele Juden aus Orscha ins Ausland aus.
Das Denkmal an der Stelle der Massenerschießungen vom 26. und 27. November 1941 auf dem jüdischen Friedhof errichtete die jüdische Gemeinde 1968. Der Gedenkstein und der Obelisk sind von einem weißen, ein Meter hohen Zaun umgeben. Die russische Inschrift auf dem Obelisken lautet: »Hier liegen sowjetische Bürger begraben, umgekommen durch die Hände der deutsch-faschistischen Eindringlinge«.
In einem Wäldchen direkt beim Friedhof befand sich ein weiterer Gedenkstein. Er wurde 2014 von der Union der Belarussischen Jüdischen Gemeinschaftsorganisationen gemeinsam mit der jüdischen Gemeinde aus Orscha durch ein neues Denkmal ersetzt. Es erinnert auf Belarussisch, Englisch und Hebräisch an die im November 1941 ermordeten jüdischen Kinder aus Orscha.
2005 erhielt die jüdische Gemeinde in Orscha das Gebäude ihrer Synagoge aus Vorkriegszeiten zurück. Sie kümmert sich heute auch um den Erhalt und die Pflege des jüdischen Friedhofs an der Friedrich-Engels-Straße und setzt sich für die Restaurierung von Denkmälern in der Umgebung Orschas ein.

Öffnungszeiten

Die Denkmäler sind jederzeit zugänglich.

Kontakt

Friedrich Engels Ulitsa
211030 Orscha