Das Denkmal Synagogenplatz in Tübingen erinnert an die in der Reichspogromnacht im November 1938 zerstörte Synagoge sowie an das Schicksal der Tübinger Juden. Viele von ihnen sahen sich aufgrund der zunehmenden nationalsozialistischen Verfolgung gezwungen zu emigrieren. Die verbliebenen jüdischen Einwohner Tübingens deportierte die SS in das Ghetto Riga und nach Theresienstadt.
Geschichte
Bereits im Mittelalter hatte es in der württembergischen Stadt Tübingen eine jüdische Gemeinde gegeben. Eine neue jüdische Gemeinde gründete sich hier 1882. Im selben Jahr weihte der Bezirksrabbiner die neu errichtete Synagoge ein. Um diese Zeit lebten bereits über 100 Juden in Tübingen. 1910 zählten zur jüdischen Gemeinde 139 Personen. Ab 1930 wurden die Tübinger Juden zunehmend Opfer von Übergriffen durch Studenten, die der SA angehörten, und anderen nationalsozialistisch gesinnten Einwohnern. Immer öfter wurden jüdische Geschäfte beschmiert. Bereits 1928 wurde bei einem Anschlag eines der großen Fenster der Synagoge zerstört. Aufgrund dieser Entwicklungen lebten 1933 nur noch neunzig Juden in der Stadt. Einige jüdische Familien waren bereits aus Tübingen weggezogen oder emigriert. Nach 1933 folgten diesem Beispiel weitere Familien. Um 1938 lebten nur noch etwa zwanzig Juden in der Stadt. Während der Novemberpogrome 1938 plünderten Mitglieder der NSDAP die Synagoge und steckten sie anschließend in Brand. Bereits wenige Jahre später lebten keine Juden mehr in Tübingen. Alle in der Stadt verbliebenen jüdischen Einwohner hatte die SS bis 1943 deportiert.
Opfergruppen
Etwa 18 Tübinger Juden starben durch die nationalsozialistische Verfolgung. Die SS hatte sie 1941/42 unter anderem in das Rigaer Ghetto und nach Theresienstadt deportiert.
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Deutschland
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begann die staatliche Verfolgung der Gegner des Regimes, von Juden, als »Zigeuner« bezeichneten Roma, Patienten sowie zahlreichen anderen Gruppen. Antisemitismus wurde erstmals Bestandteil der Regierungspolitik eines modernen Staates, die Verfolgung aller Gruppen schrittweise verschärft. Dabei griffen staatliche Verordnungen, Gewalttaten von Anhängern des Regimes und die Hetze der Presse ineinander. Der Terror gegen Juden im November 1938 (»Kristallnacht«) mit etwa hundert Toten bildete den Scheitelpunkt hin zur vollständigen Ausgrenzung und Ermordung der jüdischen Minderheit.
Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 gerieten weite Teile Europas unter deutsche Herrschaft. Insbesondere im Osten entstand ein vielgliedriges System von Lagern und Mordstätten, in dem die SS bis zu sechs Millionen Juden, unter ihnen etwa 165.000 deutsche Juden, ermordete. Die Zahl der übrigen Deutschen, die in Folge des Krieges ihr Leben verloren, wird auf etwa sieben Millionen geschätzt, darunter fast 3,5 Millionen Zivilisten. Etwa 28 Millionen Einwohner der besetzten Sowjetunion (Soldaten und Zivilbevölkerung) und drei Millionen nichtjüdische Polen kamen gewaltsam zu Tode; an sie wird in Deutschland bis heute kaum erinnert.
Deutschland wurde 1945 von den Alliierten besetzt; 1949 entstanden die Deutsche Demokratische Republik (DDR) und die Bundesrepublik Deutschland (BRD) mit sehr unterschiedlichen Gedenkkulturen. In der DDR dominierte die Selbstinterpretation als »antifaschistischer« deutscher Nachfolgestaat. Die Orte der ehemaligen Konzentrationslager (KZ) Buchenwald, Ravensbrück und Sachsenhausen wurden zu »Nationalen Mahn- und Gedenkstätten« und stellten vor allem den kommunistischen Widerstand dar.
In der Bundesrepublik dominierte zunächst die Erinnerung an die Opfer der alliierten Bombenangriffe, von Flucht und Vertreibung. Das Gedenken an die nationalsozialistische Verfolgung, den Holocaust oder den Widerstand war einzelnen Gruppen überlassen, Täter und Tatbeteiligungen – außerhalb juristischer Prozesse – kein Gegenstand öffentlicher Diskussion. Das änderte sich ab Mitte der 1960er Jahre, als nach intensiver Debatte die Verjährung für Mord aufgehoben wurde. Gleichzeitig entstanden Erinnerungsstätten an Orten ehemaliger KZ (1965: Dachau und Neuengamme; 1966: Bergen-Belsen) und die Gedenkstätte Deutscher Widerstand 1968 in West-Berlin. Erst in den 1980er Jahren entwickelte sich durch lokale Initiativen eine vielfältige, oft kleinteilige Erinnerungslandschaft.
Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurden eine gesamtstaatliche Gedenkstättenkonzeption entwickelt und Orte der Erinnerung umfangreich überarbeitet. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin konnte 2005 der Öffentlichkeit übergeben werden. Eine umfangreiche Dokumentation der nationalsozialistischen Verbrechen und ihrer Täter, die Topographie des Terrors, wurde im Mai 2010 eröffnet; das Ausstellungszentrum »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« folgte 2021. Mittlerweile erinnern zentrale Denkmäler in Berlin auch an weitere Opfergruppen: An die ermordeten Sinti und Roma, an die Opfer im Rahmen der NS-»Euthanasie« ermordeten Patienten und an die verfolgten Homosexuellen.
Die Opfer des nationalsozialistischen Terrors in den früheren Ostgebieten fielen nach Kriegsende einem doppelten Vergessen anheim. Die Erinnerung blieb für Jahrzehnte auf landsmannschaftliche Verbände in der BRD beschränkt und schloss die Zeit von 1933 bis 1945 meist aus. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs nehmen sich jedoch deutsche, polnische, litauische und russische Initiativen auch dieses Teils der deutschen Vergangenheit an.
Erinnerung
Bei Baumaßnahmen auf dem ehemaligen Synagogenplatz wurden 1998 die Fundamente der alten Synagoge freigelegt. Daraufhin entstanden Überlegungen, an diesem historischen Ort ein Denkmal zur Erinnerung an die Synagoge und die Tübinger Juden zu errichten. Durch die Initiative der Geschichtswerkstatt Tübingen e.V. und das Engagement von Bürgern der Stadt konnte das Projekt verwirklicht werden. Die Einweihung des Denkmals auf dem Synagogenplatz fand 2000 statt. Ein Stahlkubus mit 101 quadratischen Öffnungen steht seitdem symbolisch für die zerstörte Synagoge. Auf einer Wasserrinne sind die Namen der ermordeten Tübinger Juden zu lesen. Das Denkmal ergänzen Texttafeln. Sie informieren über die Geschichte des Synagogenplatzes und über das Leben der jüdischen Gemeinde in Tübingen.
Angebote
Stadtführungen und Vorträge zur Geschichte der Tübinger Juden, Veranstaltungen mit Zeitzeugen und Historikern, Informationen zum Nationalsozialismus und zur jüdischen Geschichte in der Region, Dia-, Film- und Video-Vorträge