Steglitzer Spiegelwand - Denkzeichen Ehemalige Synagoge Haus Wolfenstein
Steglitzer Spiegelwand - Denkzeichen Ehemalige Synagoge Haus Wolfenstein
Auf dem Hermann-Ehlers-Platz in Berlin-Steglitz weist eine mit Spiegeln verkleidete Gedenkwand auf die ehemalige Synagoge im Hinterhof eines benachbarten Hauses hin und erinnert an die Deportationen Berliner Juden.
Geschichte
1897 hatte der jüdische Textilkaufmann Moses Wolfenstein im Hinterhof seines Wohn- und Geschäftshauses in Steglitz, heute ein Stadtteil im Südwesten Berlins, eine Remise zu einer Synagoge umbauen lassen. Hier fand der bereits 1878 gegründete »Religiöse Verein Jüdischer Glaubensgenossen in Steglitz« ein neues Zuhause. In der Vereinssynagoge fanden Gottesdienste, Hochzeiten, Beschneidungen, religiöse und kulturelle Veranstaltungen sowie Religionsunterricht für jüdische Kinder statt. In der »Reichspogromnacht« 1938 verwüsteten und plünderten SA-Angehörige die Synagoge. Um benachbarte Häuser nicht zu gefährden, wurde das Gebäude jedoch nicht in Brand gesetzt.
Ab 1941 wurden Deportationen durch die SS und die damit verbundene Enteignung der jüdischen Bevölkerung zur behördlichen Routine in der Reichshauptstadt. Bereits vor der Wannseekonferenz im Januar 1942 hatte es neun Großtransporte in neu eingerichtete Ghettos im Osten mit etwa 10.000 Deportierten gegeben. Die Deportationen gingen noch bis zum Frühjahr 1945 weiter, es fuhren etwa 170 weitere Transporte aus Berlin ab. Nur etwa 8.000 Berliner Juden gelang es, in Berlin und Umgebung zu überleben.
Opfergruppen
Schätzungsweise 50.000 Juden starben nach Deportationen aus Berlin. Viele Transporte endeten in den Ghettos Theresienstadt, Minsk, Riga, Kaunas und Lodz. Ab Juli 1942 fuhren mehrere Transporte mit Berliner Juden direkt nach Auschwitz-Birkenau oder in andere Vernichtungslager.
In Berlin-Steglitz lebten 1933 noch mehr als 3.000 Juden, 1945 waren es nur noch 150.
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Deutschland
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begann die staatliche Verfolgung der Gegner des Regimes, von Juden, als »Zigeuner« bezeichneten Roma, Patienten sowie zahlreichen anderen Gruppen. Antisemitismus wurde erstmals Bestandteil der Regierungspolitik eines modernen Staates, die Verfolgung aller Gruppen schrittweise verschärft. Dabei griffen staatliche Verordnungen, Gewalttaten von Anhängern des Regimes und die Hetze der Presse ineinander. Der Terror gegen Juden im November 1938 (»Kristallnacht«) mit etwa hundert Toten bildete den Scheitelpunkt hin zur vollständigen Ausgrenzung und Ermordung der jüdischen Minderheit.
Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 gerieten weite Teile Europas unter deutsche Herrschaft. Insbesondere im Osten entstand ein vielgliedriges System von Lagern und Mordstätten, in dem die SS bis zu sechs Millionen Juden, unter ihnen etwa 165.000 deutsche Juden, ermordete. Die Zahl der übrigen Deutschen, die in Folge des Krieges ihr Leben verloren, wird auf etwa sieben Millionen geschätzt, darunter fast 3,5 Millionen Zivilisten. Etwa 28 Millionen Einwohner der besetzten Sowjetunion (Soldaten und Zivilbevölkerung) und drei Millionen nichtjüdische Polen kamen gewaltsam zu Tode; an sie wird in Deutschland bis heute kaum erinnert.
Deutschland wurde 1945 von den Alliierten besetzt; 1949 entstanden die Deutsche Demokratische Republik (DDR) und die Bundesrepublik Deutschland (BRD) mit sehr unterschiedlichen Gedenkkulturen. In der DDR dominierte die Selbstinterpretation als »antifaschistischer« deutscher Nachfolgestaat. Die Orte der ehemaligen Konzentrationslager (KZ) Buchenwald, Ravensbrück und Sachsenhausen wurden zu »Nationalen Mahn- und Gedenkstätten« und stellten vor allem den kommunistischen Widerstand dar.
In der Bundesrepublik dominierte zunächst die Erinnerung an die Opfer der alliierten Bombenangriffe, von Flucht und Vertreibung. Das Gedenken an die nationalsozialistische Verfolgung, den Holocaust oder den Widerstand war einzelnen Gruppen überlassen, Täter und Tatbeteiligungen – außerhalb juristischer Prozesse – kein Gegenstand öffentlicher Diskussion. Das änderte sich ab Mitte der 1960er Jahre, als nach intensiver Debatte die Verjährung für Mord aufgehoben wurde. Gleichzeitig entstanden Erinnerungsstätten an Orten ehemaliger KZ (1965: Dachau und Neuengamme; 1966: Bergen-Belsen) und die Gedenkstätte Deutscher Widerstand 1968 in West-Berlin. Erst in den 1980er Jahren entwickelte sich durch lokale Initiativen eine vielfältige, oft kleinteilige Erinnerungslandschaft.
Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurden eine gesamtstaatliche Gedenkstättenkonzeption entwickelt und Orte der Erinnerung umfangreich überarbeitet. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin konnte 2005 der Öffentlichkeit übergeben werden. Eine umfangreiche Dokumentation der nationalsozialistischen Verbrechen und ihrer Täter, die Topographie des Terrors, wurde im Mai 2010 eröffnet; das Ausstellungszentrum »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« folgte 2021. Mittlerweile erinnern zentrale Denkmäler in Berlin auch an weitere Opfergruppen: An die ermordeten Sinti und Roma, an die Opfer im Rahmen der NS-»Euthanasie« ermordeten Patienten und an die verfolgten Homosexuellen.
Die Opfer des nationalsozialistischen Terrors in den früheren Ostgebieten fielen nach Kriegsende einem doppelten Vergessen anheim. Die Erinnerung blieb für Jahrzehnte auf landsmannschaftliche Verbände in der BRD beschränkt und schloss die Zeit von 1933 bis 1945 meist aus. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs nehmen sich jedoch deutsche, polnische, litauische und russische Initiativen auch dieses Teils der deutschen Vergangenheit an.
Erinnerung
Seit Ende der 1980er Jahren bemühte sich die Initiative Haus Wolfenstein e.V. um den Erwerb und die Sanierung des ehemaligen Synagogengebäudes, das zu diesem Zeitpunkt mittlerweile vom Verfall bedroht war. Das Ziel der Initiative, hier eine Begegnungs- und Erinnerungsstätte einzurichten, konnte nicht verwirklicht werden. Nach einer lange andauernden und heftig geführten politischen Auseinandersetzung wurde schließlich 1995 die Steglitzer Spiegelwand auf dem Hermann-Ehlers-Platz gegenüber dem Steglitzer Kreisel eingeweiht. Die Architekten Wolfgang Göschel und Joachim von Rosenberg entwarfen das Denkmal unter Mitarbeit des Berliner Historikers Hans-Norbert Burkert. Auf ihr sind Auszüge aus erhalten gebliebenen Berliner Deportationslisten abgedruckt. Insgesamt sind auf der Wand 1.723 Namen aufgeführt, darunter befinden sich die Namen von 229 Deportierten aus Steglitz. Auf den beiden Seiten der Gedenkwand informieren Informationstafeln über die Geschichte der Steglitzer Juden und über die ehemalige Synagoge. Sie ist mittlerweile umgebaut worden und befindet sich im Hinterhof des Hauses mit der Adresse Düppelstraße 41.