Museum und Dokumentationszentrum der Deportation und des Widerstands

Museo della deportazione e centro di documentazione della deportazione e della resistenza


Im März 1944 wurden 135 Einwohner von Prato von den deutschen Besatzern nach Mauthausen deportiert, weil sie an einem Generalstreik teilgenommen hatten; nur 20 von ihnen überlebten. Am 6. September 1944, dem Tag der Befreiung von Prato, erhängten Angehörige der auf dem Rückzug befindlichen deutschen Wehrmacht 29 Partisanen in der nahe gelegenen Ortschaft Figline. Im Jahre 2002 wurde dort das Museum und das Dokumentationszentrum der Deportation und des Widerstands eröffnet. Sie sind den Opfern dieser beiden Ereignisse gewidmet und informieren über Verfolgung und Widerstand in der ganzen Region Toskana.

Geschichte

Die Region Toskana mit ihrer Hauptstadt Florenz war seit dem 23. September 1943 Teil des Gebiets der »Italienischen Sozialrepublik« (italienisch: Repubblica Sociale Italiana, RSI), eines faschistischen Puppenstaates unter deutscher Besatzung. In dieser industriereichen Region, in der die Arbeiterbewegung traditionell stark verankert war, bildete sich aktiver Widerstand heraus. In den ersten Märztagen 1944 organisierte das »Komitee für nationale Befreiung« (italienisch: Comitato di Liberazione Nazionale) einen Generalstreik, an dem geschätzte 500.000 Arbeiter in ganz Nord- und Mittelitalien teilnahmen. Dies war der erste Ausdruck einer breiten Opposition gegen das faschistische Regime und die deutsche Besatzung. Die Führung der RSI reagierte mit einer Welle von Razzien, der auch hunderte toskanischer Zivilisten zum Opfer fielen. Der Großteil von ihnen wurde von örtlichen Polizeieinheiten in »Schutzhaft« genommen, auf der Piazza Santa Maria Novella in Florenz in einem Schulgebäude versammelt und der SS übergeben, die sie anschließend deportierte. 135 Bürger der Stadt Prato, die zunächst im mittelalterlichen Castello dell'Imperatore in Prato eingesperrt worden waren, wurden mit einem 597 Personen zählenden Transport in das Konzentrationslager Mauthausen verschleppt; der Großteil von ihnen wurde später in das Nebenlager Ebensee überstellt. Viele Häftlinge kamen aufgrund der katastrophalen Haftbedingungen im Lagerkomplex Mauthausen um.
In der Gegend um Prato war 1944 eine aus rund 250 Männern bestehende Partisaneneinheit unter dem Kommando von Bogardo Buricchi aktiv. In der Nacht vom 5. auf den 6. September 1944 war ein Teil der Brigade nach Prato unterwegs, um an der Befreiung der Stadt teilzunehmen. Angehörige einer Wehrmachtseinheit unter dem Befehl des Majors Karl Laqua entdeckten die Partisanen, nahmen 35 Männer gefangen und erhängten 29 von ihnen im Stadtteil Figline öffentlich.

Opfergruppen

Aus der Region Toskana wurden nach dem Generalstreik Hunderte in Konzentrationslager deportiert. Unter ihnen waren 135 Bürger aus Prato, vorwiegend Textilarbeiter. Insgesamt verhafteten und deportierten lokale Polizeieinheiten und deutsche Besatzungsbehörden 675 Juden und rund 1.000 politische Häftlinge aus der Toskana, darunter 152 Einwohner Pratos, von denen nur 24 überlebten.
Die Brigade Buricchi, der die 29 erhängten Partisanen angehörten, bestand vorwiegend aus jungen Männern aus der Region, es hatten sich aber auch einige geflohene russische Kriegsgefangene der Einheit angeschlossen. Aus Quellen des Militärarchivs in Freiburg geht hervor, dass sich unter den 35 am 6. September 1944 gefangen genommenen Partisanen der Brigade Buricchi auch 7 Russen befanden. Die Identität der 29 ermordeten Männer ist jedoch nicht endgültig festgestellt worden.

Erfahre mehr über Italien

Das Königreich Italien wurde seit 1922 von Benito Mussolini (1883–1945), dem »Duce« (Führer), und seiner faschistischen Partei diktatorisch regiert. Bis Mitte der 1930er Jahre spielte Antisemitismus in der Öffentlichkeit kaum eine Rolle; diskriminierende Maßnahmen wurden erst 1938 eingeführt. Zu diesem Zeitpunkt lebten über 46.000 Juden in Italien. Das italienische Staatsgebiet umfasste damals auch die Halbinsel Istrien sowie einige heute griechische Inseln, darunter Rhodos mit seiner traditionsreichen jüdischen Gemeinde. Die italienische Regierung, enger Verbündeter des Deutschen Reiches, beteiligte sich bis zum Herbst 1943 nicht an Massendeportationen von Juden in deutsche Vernichtungslager. Erst als das Land von Norden her durch die deutsche Wehrmacht besetzt wurde – der Süden war bereits durch amerikanische und britische Truppen befreit –, begann der deutsche SS- und Polizeiapparat, den Plan der systematischen Ermordung der italienischen Juden umzusetzen. Über eine Zwischeninternierung wurden die Menschen durch halb Europa nach Auschwitz deportiert, viele von ihnen unmittelbar danach in die Gaskammern getrieben. Die Zahl der ermordeten oder gewaltsam zu Tode gekommenen Juden aus Italien (ohne die italienisch besetzten Gebiete) beträgt zwischen 7.000 und 8.500 Personen. Zehntausende italienische Juden und jüdische Flüchtlinge konnten sich durch Emigration retten oder versteckten sich mit Hilfe von Nichtjuden. Über 2.000 gerieten nicht mehr in den deutschen Machtbereich, weil sie in Süditalien rechtzeitig durch die Alliierten befreit wurden. Von 1943 bis 1945 kam es in Norditalien zu heftigen Kämpfen zwischen den deutschen Besatzern und italienischen Partisanen der kommunistisch dominierten Widerstandsbewegung »Resistenza«. Die deutschen Truppen reagierten mit grausamen Vergeltungsmaßnahmen und Massakern, zum Beispiel in Marzabotto und den Ardeatinischen Höhlen bei Rom. Insgesamt fanden während des Zweiten Weltkrieges über 400.000 Italiener – Soldaten, Zivilisten und Partisanen – den Tod. Nach Kriegsende wurde der Partisanenkampf zum zentralen Aspekt italienischen Selbstverständnisses und in der Erinnerungskultur zum Mythos der eigenen Befeiung vom Faschismus. Eine Auseinandersetzung mit der weitverbreiteten Unterstützung Mussolinis im eigenen Land unterblieb meist. Die bekannten Gedenkorte, wie das frühere Konzentrationslager Risiera di San Sabba bei Triest oder die Einrichtungen in Marzabotto und den Ardeatinischen Höhlen, sind – wie auch zahlreiche Museen – dem Widerstand gewidmet. Erinnerungsstätten auf dem Gelände früherer Internierungslager für Juden sind dagegen selten und gedenken eher der Retter als der Verfolgten, wie es die Villa Emma in Nonatola zeigt, in der versteckte jüdische Kinder überlebten. Die Ausrichtung auf Menschenrechtserziehung, die auf Gegenwart und Zukunft bezogen ist, stellt das Bindeglied vieler dieser Einrichtungen dar. Mittlerweile rückt die Erinnerung an die deportierten und ermordeten Juden mehr in den Vordergrund. 2013 eröffnete die Memoriale della Shoah di Milano am Mailänder Hauptbahnhof. Die Errichtung eines zentralen Holocaustdenkmals in Rom wurde 2023 beschlossen.

Erinnerung

Das Museum der Deportation und des Widerstands mit dem angeschlossenen Dokumentationszentrum entstanden in unmittelbarer Nähe des Ortes, wo die 29 Partisanen erhängt wurden. Die Eröffnung fand am 10. April 2002 statt. Die Gründung wurde von einigen wenigen Überlebenden aus Prato, vor allem Roberto Castellani initiiert.
Wurde die Einrichtung zunächst von der Gemeinde Prato unterhalten, so unterliegt sie seit Februar 2008 einer Stiftung, die von den Gemeinden der Provinz Prato, der Nationalen Vereinigung der ehemaligen politischen Deportierten in NS-Lager (ANED), der Nationalen Vereinigung der Partisanen Italiens (ANPI) sowie der jüdischen Gemeinde Florenz gegründet wurde. Ziel der Stiftung ist es, durch Forschung und Bildung das Wissen über Verfolgung und Widerstand während des Faschismus und der deutschen Besatzung besonders auf regionaler Ebene zu vertiefen.
Das Museum präsentiert persönliche Zeugnisse und Gegenstände von Deportierten, beispielsweise aus dem Lager Ebensee. Im Dokumentationszentrum wird Material zu Verfolgung und Widerstand insbesondere in der Region Toskana gesammelt. Dieses stammt unter anderem aus dem Bundesarchiv in Berlin und den Gedenkstätten Mauthausen und Ebensee in Österreich. Das Zentrum arbeitet eng mit dem Zeitgeschichte Museum Ebensee zusammen; die beiden Städte Prato und Ebensee verbindet seit 1987 eine Städtepartnerschaft.
An der Burg Castello dell'Imperatore erinnert eine kleine Gedenktafel an die Bürger der Stadt, die zunächst dort eingesperrt und später über Florenz nach Mauthausen deportiert wurden.

Angebote

Bibliothek und Videothek mit Material in englischer und deutscher Sprache und Filmvorführungen, Gruppenführungen auf Anfrage, Projekt »Treno della memoria« (Zug der Erinnerung) mit regelmäßigen Gruppenfahrten zur Gedenkstätte Auschwitz, Partnerschaft mit der Gedenkstätte Ebensee

Öffnungszeiten

Museum:
Oktober bis Mai montags, mittwochs, donnerstags und freitags 9.00 bis 12.30 Uhr, montags, donnerstags, samstags und sonntags 15.00 bis 18.00 Uhr
Juni, Juli und September montags, donnerstags, samstags und sonntags 16.00 bis 19.00 Uhr, mittwochs und freitags 9.30 bis 12.30 Uhr

Kontakt

http://www.museodelladeportazione.it/

info@museodelladeportazione.it

+39 (0)574 470 728

Via di Cantagallo 250
59100 Prato