Auf dem Gelände des ehemaligen Warschauer Ghettos erzählt seit 2013 das Museum für die Geschichte der polnischen Juden von der fast tausendjährigen Präsenz der Juden in Polen.
Im Mittelalter galt Polen als das toleranteste Land Europas, auch gezielte Einladungen der polnischen Könige zogen viele Juden an. Vor allem im Handel und in den Städten spielten Juden eine wichtige Rolle. Zwar gab es auch in Polen immer wieder antijüdische Ausschreitungen, dennoch konnte jüdisches Leben gedeihen und im 16. Jahrhundert eine Blütezeit erreichen. Nachdem 1492 die Juden aus Spanien und anderen Ländern vertrieben worden waren, war Polen die Heimat der größten jüdischen Gemeinde der Welt. Es wird geschätzt, dass zu diesem Zeitpunkt etwa drei Viertel aller Juden in Polen lebten. Innerhalb des Judentums entwickelten sich in Polen eigene religiöse Strömungen, besonders einflussreich war der Chassidismus.
Nachdem gegen Ende des 18. Jahrhunderts Österreich, Preußen und das Russland Polen untereinander aufgeteilt hatten, entwickelten sich die Lebensbedingungen für Juden in den drei Landesteilen sehr unterschiedlich weiter. Insbesondere im Russischen Reich gab es zunehmend starke antisemitische Strömungen, die Anfang des 20. Jahrhunderts in blutigen Pogromen gipfelten.
Als Polen nach dem Ersten Weltkrieg seine Eigenständigkeit wiedererlangte, war das Land erneut Heimat der weltweit größten jüdischen Gemeinde. Während im Osten des Landes viele Juden im Shtetl lebten, entwickelte sich in Städten wie Warschau und Krakau eine bürgerliche Mittelschicht. Diese vielfältige jüdische Welt ist im Holocaust fast vollständig ausgelöscht worden: Die Nationalsozialisten ermordeten zwischen 1939 und 1945 etwa 90 Prozent der über drei Millionen polnischen Juden.
Nach dem Krieg verließen viele Überlebende das Land, das nunmehr zum sowjetischen Machtbereich gehörte. 1968 startete die kommunistische Regierung eine antisemitische Kampagne, die abermals zu einer großen Auswanderungswelle von Juden führte. Erst seit der Demokratisierung des Landes nach 1989 kann jüdisches Leben in Polen wieder aufblühen. Die Zahl der heute in Polen lebenden Juden wird auf einige Zehntausend geschätzt.
Das Museum ist der Geschichte und der Kultur der Juden in Polen gewidmet, der Holocaust ist nur ein Teil der Gesamtdarstellung. In Polen kamen insgesamt etwa drei Millionen Juden ums Leben. Etwa 450.000 Juden aus Warschau wurden in Vernichtungslagern ermordet oder fielen Zwangsarbeit, Hunger und Krankheit im Ghetto zum Opfer.
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Viele Überlebende polnische Juden verließen das Land nach dem Krieg. Ein Grund dafür war die antisemitische Stimmung in Teilen der Bevölkerung und wiederholte Pogrome gegen Juden in der unmittelbaren Nachkriegszeit, wie beispielsweise in Kielce 1946. Die meisten wanderten in die USA oder nach Israel aus.
Die Erinnerung an die über drei Millionen jüdischen Opfer aus Polen war in der Zeit der kommunistischen Diktatur weitgehend tabuisiert. Erst mit der Wende ab 1989 rückte die Erinnerung an die polnischen Juden wieder in den Blickpunkt.
1995 regte das unmittelbar nach dem Krieg gegründete Jüdische Historische Institut Warschau die Einrichtung eines Museums über die Geschichte der polnischen Juden an. Dank staatlicher und privater Unterstützung durch Spenden konnte das Museum gegründet und eine Sammlung aufgebaut werden. Der Grundstein für einen Neubau wurde 2009 auf einem Grundstück im ehemaligen Warschauer Ghetto gelegt. Das spektakuläre Gebäude, dessen Entwurf von finnischen Architekten Rainer Mahlamäki stammt, befindet sich in direkter Nachbarschaft zum Denkmal für die Ghettohelden aus dem Jahr 1948. Das Museum wurde 2013 am 70. Jahrestag des Aufstands im Warschauer Ghetto feierlich eröffnet, die Eröffnung der Dauerausstellung erfolgte ein Jahr später. Die Dauerausstellung zeigt die tausendjährige Geschichte von Juden in Polen und ihren Beitrag zur wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung des geprägten Landes, es zeigt aber auch, wie multikulturell geprägt Polen bis zum Zweiten Weltkrieg gewesen ist. Das Museum will ein lebendiger Ort sein und mit Veranstaltungen, Konzerten und einem breiten pädagogischen Angebot Akzente setzen. Ein Höhepunkt des Museums ist das nach den Techniken des 17. Jahrhunderts rekonstruierte Dach der Holzsynagoge von Gwoździec.
2014 erhielt das Museum den Beinamen POLIN, der auf die hebräische und jiddische Bezeichnung Polens anspielt.
Führungen, pädagogische Angebote, Publikationen, Veranstaltungen
Donnerstags und freitags 10.00 bis 16.00
Samstags und sonntags 10.00 bis 18.00
Montags, dienstags und mittwochs geschlossen
polin@polin.pl
+48 (0)22 4710300
ul. Anielewicza 6
00-157 Warszawa