Museum des ehemaligen Vernichtungslagers in Kulmhof am Ner

Muzeum byłego Obozu Zagłady w Chełmnie nad Nerem


In Kulmhof am Ner (polnisch: Chełmno nad Nerem) entstand im November 1941 das erste nationalsozialistische Vernichtungslager für die Ermordung von Juden. Am historischen Ort erinnern heute ein Museum und verschiedene Denkmäler an die Opfer.

Geschichte

Kurz nach dem Einmarsch in Polen im September 1939 hatte die deutsche Wehrmacht die Gebiete West- und Zentralpolens unter ihre Gewalt gebracht. Die westlichen Militärbezirke wurden dem Deutschen Reich angegliedert, darunter das »Reichsgau Wartheland«. Im »Warthegau« terrorisierten die deutschen Besatzungsbehörden die polnische und jüdische Bevölkerung von Anfang an mit dem langfristigen Ziel, sie aus diesem Gebiet zu vertreiben und »Volksdeutsche« aus Osteuropa an ihrer Stelle anzusiedeln. Besonders für die jüdische Bevölkerung verschlechterte sich die Lage zusehends: Sie wurden entrechtet, beraubt und in Ghettos gesperrt.
Nach dem Angriff auf die Sowjetunion im Juni 1941 begannen SS-Einsatzgruppen die jüdische Bevölkerung hinter der Front systematisch zu erschießen. Ab September 1941 führten Mitglieder des »SS-Sonderkommando Lange«, benannt nach dem SS-Hauptsturmführer Herbert Lange von der Gestapoleitstelle Posen, auch im Warthegau Massenerschießungen an Juden durch. Im Kreis Konin erschossen sie etwa 3.500 Juden. Zeitgleich vergab Gauleiter Arthur Greiser den Auftrag, in dem kleinen Ort Kulmhof am Ner mit guter Verkehrsanbindung an das etwa 70 Kilometer entfernte Lodz (polnisch: Łódź, deutsch seit 1940: Litzmannstadt) ein Vernichtungslager zu errichten. Hier sollten alle nicht zur Zwangsarbeit herangezogenen Juden des Warthegaus in »Gaswagen« ermordet werden. Mit solchen umgebauten LKW hatte das »Sonderkommando Lange« bereits seit Anfang 1940 tausende Patienten psychiatrischer Anstalten im Warthegau ermordet. Dieselbe Einheit bildete auch den Kern des Lagerpersonals in Kulmhof, das später schlicht als »Sonderkommando« bezeichnet wurde. Es bestand aus 15-20 Mitgliedern der Sicherheitspolizei und etwa 100 Mitgliedern der Schutzpolizei.

Opfergruppen

Ab Anfang Dezember 1941 verschleppte die Ordnungspolizei Juden aus den umliegenden Ortschaften nach Kulmhof, ab Mitte Januar 1942 auch aus dem Ghetto Litzmannstadt. Zeitweise wurden die Opfer mit der Eisenbahn nach Koło (seit 1941 auf Deutsch: Warthbrücken) gebracht, wo sie dann bis zum Weitertransport in Lastfahrzeugen in eine Synagoge eingesperrt wurden.
Im Lager angekommen, mussten sich die Opfer in einem als »Schloss« bezeichneten Gebäude entkleiden und ihre Wertsachen abgeben. Unter Gebrüll und Schlägen trieb das Wachpersonal die Opfer durch einen Kellergang, an dessen Ende ein Gaswagen stand. Waren alle im Wageninneren, wurden die Türen verschlossen und die Motorabgase mit einem Rohr in das Wageninnere geleitet. Nachdem die Opfer qualvoll erstickten, fuhr der Fahrer in das etwa vier Kilometer entfernte »Waldlager«. Dort durchsuchten jüdische Häftlinge des »Arbeitskommandos« die Leichen auf Wertgegenstände und begruben sie anschließend. Später, in der zweiten Hälfte des Jahres 1942 ließ die Lagerleitung die menschlichen Überreste wieder ausgraben und verbrennen.
Zu diesem Zeitpunkt war der Großteil der Juden aus dem Warthegau bereits ermordet. Im März 1943 wurde das Lager aufgelöst und das »Schloss« gesprengt. Im Juni 1944 wurde das Lager jedoch wieder in Betrieb genommen, um alle noch lebenden Juden des Ghettos Litzmannstadt zu ermorden. Erst als die Rote Armee im Januar 1945 näher rückte, verließ das Sonderkommando das Lager. Davor wurden die letzten Häftlinge, die zuvor für die Beseitigung der Spuren eingesetzt wurden, ermordet. Zwei Häftlinge konnten entkommen und überlebten.
Insgesamt wurden etwa 150.000 Juden in Kulmhof ermordet. Dazu gehörten auch viele ins Ghetto Litzmannstadt deportierte Juden aus Deutschland, Österreich, der Tschechoslowakei und Luxemburg. Auch etwa tausend Sinti und Roma, sowjetische Kriegsgefangene, polnische Ordensschwestern, Zivilisten und etwa 80 nichtjüdische Kinder aus dem tschechischen Lidice wurden in Kulmhof ermordet.

Erfahre mehr über Polen

Mit dem Angriff auf Polen und der Besetzung des Landes durch deutsche Truppen im Westen und durch die Rote Armee im Osten begann im September 1939 der Zweite Weltkrieg. Unmittelbar nach dem Einmarsch setzten in beiden Teilungsgebieten Verfolgung und Terror ein. Deutsche Verbände verübten Massaker an Angehörigen der geistigen Eliten, jüdischen und nichtjüdischen Zivilisten sowie Patienten. Ab Ende 1939 errichtete die deutsche Verwaltung Ghettos, in denen die jüdische Bevölkerung unter elenden Bedingungen zusammengedrängt wurde. 1941, nach dem Angriff auf die Sowjetunion, geriet auch Ostpolen unter deutsche Herrschaft. SS-Einsatzgruppen ermordeten zunächst systematisch jüdische Männer, später auch Frauen und Kinder. Im Herbst 1941 begannen lokale deutsche Dienststellen im früheren Westpolen mit der Vorbereitung von Massentötungen jüdischer Ghettohäftlinge durch Giftgas. Bis 1945 wurden etwa drei Millionen polnische Juden in den Vernichtungsstätten Kulmhof, Belzec, Treblinka und Sobibor, in Majdanek und Auschwitz ermordet, verhungerten in den Ghettos oder wurden erschossen. 1943 erhoben sich die jüdischen Bewohner des Warschauer Ghettos zu einem Aufstand, den die SS blutig niederschlug. Polnische Soldaten kämpften auf Seiten der Alliierten an allen Fronten des Weltkriegs. Partisanengruppen, darunter die patriotische »Armia Krajowa« (Heimatarmee), bildeten die größte Widerstandsbewegung im besetzten Europa. Am 1. August 1944 begann der Warschauer Aufstand, die umfangreichste Erhebung von Zivilisten gegen die Deutschen im besetzten Europa. Er scheiterte, auch weil die Rote Armee – bereits am anderen Weichselufer stehend – nicht eingriff. Die Zahl der Toten wird auf bis zu 250.000 geschätzt. Insgesamt kamen etwa drei Millionen nichtjüdische Polen unter deutscher Besatzung gewaltsam zu Tode. Nachdem die Rote Armee bereits im Januar 1944 (ost-)polnischen Boden erreicht hatte, wurden die Truppen der Armia Krajowa vom sowjetischen Geheimdienst entwaffnet, ihre Offiziere erschossen oder verschleppt. Die Millionen Toten der Besatzungszeit, die dauerhafte Annexion Ostpolens durch die Sowjetunion, die Eingliederung ostdeutscher Gebiete und der daraus resultierende Bevölkerungsaustausch verursachten in Polen ein schweres politisches und gesellschaftliches Trauma. In der Erinnerungskultur stand das Gedenken an die Ermordung der europäischen Juden in deutschen Vernichtungslagern auf polnischem Boden zunächst im Hintergrund. So galt Auschwitz – im Ausland längst zum Symbol des Holocaust geworden – über Jahrzehnte vor allem als »Ort polnischen Martyriums«. Veränderungen gibt es allerdings seit Beginn des 21. Jahrhunderts. Dazu mögen auch die heftigen Debatten um den ostpolnischen Ort Jedwabne beigetragen haben. Das Massaker an etwa 340 Juden am 10. Juli 1941, das bis dahin »Gestapo und Hitler-Polizei« zugeschrieben worden war, hatten polnische »Nachbarn« ohne deutschen Zwang verübt. Die Diskussionen im In- und Ausland um eine polnische Mittäterschaft führten 2001 dazu, dass sich Staatspräsident Aleksander Kwaśniewski (*1954) bei den Opfern entschuldigte. Forderungen von Fachleuten, etwa aus dem Institut des Nationalen Gedenkens, sich den schwierigsten Kapiteln der Vergangenheit zu stellen, wurden lauter. Zu diesen zählen auch antijüdische Pogrome 1946/47 und der staatliche Antisemitismus im sozialistischen Nachkriegspolen. Der polnische Staat investiert sehr viel in Erinnerungspolitik, auch in Großprojekte mit internationaler Ausstrahlung. Das Museum des Warschauer Aufstandes wurde bereits 2004 eröffnet. Das POLIN Museum der Geschichte der polnischen Juden eröffnete auf dem Gebiet des ehemaligen Warschauer Ghettos 2013, ein Museum des Warschauer Ghettos soll 2024 folgen. In Danzig gibt es seit 2017 das Museum des Zweiten Weltkrieges. Die ehemaligen deutschen Vernichtungslager Belzec und Sobibor wurden nach der Jahrtausendwende in moderne Gedenkstätten umgewandelt. Auch in der Kultur ist eine immer intensivere Beschäftigung mit dem jüdischen und multikulturellen Erbe Polens zu beobachten.

Erinnerung

Im Juni 1945 begann eine polnische Untersuchungskommission mit der Erforschung der Geschehnisse in Kulmhof am Ner. Erst 1957 entstand jedoch ein erstes kleines Erinnerungszeichen auf dem ehemaligen Lagergelände: Von den jüdischen Gemeinden aus Lodz und Włocławek gestiftet, wurde neben den Ruinen des »Schlosses« ein Obelisk aufgestellt.
Heute sind Erinnerungszeichen vor allem auf dem ehemaligen Gelände des »Waldlagers« neben der Straße Richtung Koło zu finden. 1964 errichtete die Volksrepublik Polen ein monumentales Denkmal dort. Wie bei anderen Denkmälern, die an zentralen Orten des Holocaust in Polen entstanden, fehlte damals der Hinweis darauf, dass es sich bei den Opfern zum größten Teil um Juden handelte.
Mit den politischen Veränderungen in Polen Ende der 1980er Jahre änderte sich auch der Umgang mit der Erinnerung an die jüdischen Opfer. 1986 begannen archäologische Untersuchungen auf dem ehemaligen Lagergelände, 1990 wurde vor Ort ein kleines Museum eröffnet. Gleichzeitig entstanden erste Gedenkzeichen, die ausdrücklich an jüdische Opfer erinnerten. Mittlerweile erinnern etliche Gedenksteine an jüdische Gemeinden, deren Mitglieder in großer Zahl in Kulmhof ermordet wurden. Ein 1995 privat gestifteter Gedenkstein erinnert an jüdische Opfer aus dem deutschen Sprachraum. Ebenso gibt es Gedenkzeichen für nichtjüdische Opfer des Vernichtungslagers, wie beispielsweise für polnische Widerstandskämpfer.
Nach 1990 gehörte die Gedenkstätte zum Regionalmuseum Konin. seit 2013 zum Museum der Märtyrer in Posen-Żabikowo.

Angebote

Forschungsaktivitäten

Öffnungszeiten

April bis September Dienstag bis Sonntag 09.00 bis 17.00, Oktober bis März Dienstag bis Sonntag 9.00 bis 15.00, Montags geschlossen.
Besuch des Museums außerhalb der Öffnungszeiten nach Vereinbarung.

Kontakt

https://chelmno-muzeum.eu/

muzeum@chelmno-muzeum.eu

+48 (0)63 271 94 47