Im Vorort der polnischen Großstadt Posen (polnisch: Poznań) Luboń erinnert seit 1979 das Museum der Märtyrer in Poznań-Żabikowo (polnisch: Muzeum Martyrologiczne w Żabikowie) an die Opfer des dortigen Zwangsarbeiterlagers (1941-1943) und die Häftlinge des Polizeigefängnisses und Arbeitserziehungslagers (1943-1945).
Geschichte
Die Region um Posen gehörte seit der Zerschlagung Polens Ende des 18. Jahrhunderts zu Preußen und wurde nach dem Ersten Weltkrieg wieder polnisch. Nach dem Angriff der deutschen Wehrmacht auf Polen im September 1939 wurde das Gebiet erneut dem Deutschen Reich angegliedert und als »Warthegau« verwaltet. In der Stadt Posen errichtete die deutsche Verwaltung bis zu zwanzig Zwangsarbeitslager, vor allem Juden mussten in den Lagern schwerste körperliche Arbeiten verrichten. Für den Ausbau der Reichsautobahn (RAB) 2 von Frankfurt an der Oder über Posen und Lodz bis nach Warschau errichteten die Deutschen mehrere Zwangsarbeitslager entlang der Strecke, die sogenannten Reichsautobahnlager. Eines dieser Zwangsarbeitslager wurde im Dorf Żabikowo (ab 1939 Poggenburg) bei Luboń (ab 1939 Lobau, ab 1943 Luban), einem Vorort von Posen, errichtet. Etwa 300 jüdische Männer mussten beim Bau der Autobahn als Zwangsarbeiter schwere körperliche Arbeiten ausführen. Arbeitsunfähige und kranke Häftlinge wurden in das Vernichtungslager Kulmhof deportiert. Ab Mitte 1942 brach die deutsche Verwaltung die Bauarbeiten ab, die Lager wurden nach und nach aufgelöst und die Häftlinge in andere Lager verschleppt.
1943 errichtete die Gestapo auf dem Gelände einer ehemaligen Ziegelei in Żabikowo das Polizeigefängnis der Sicherheitspolizei und das »Arbeitserziehungslager (AEL) Posen-Lenzingen«. Hier waren hauptsächlich Polen inhaftiert, viele Häftlinge kamen aus dem 1944 aufgelösten Arbeitserziehungslager Fort VII.
Opfergruppen
Das Museum der Märtyrer in Posen-Żabikowo ist den jüdischen Zwangsarbeitern des Reichsautobahnlagers Poggenburg sowie den Häftlingen des Arbeitserziehungslagers Posen-Lenzingen gewidmet. Wie viele Häftlinge die Lager in Żabikowo durchliefen ist nicht bekannt. Die Häftlinge in Poggenburg stammten vor allem aus Polen, den Niederlanden, Luxemburg und der Sowjetunion. Die Häftlinge des Reichsautobahnlagers (1941 bis 1943) waren ausschließlich polnische Juden.
Mit dem Angriff auf Polen und der Besetzung des Landes durch deutsche Truppen im Westen und durch die Rote Armee im Osten begann im September 1939 der Zweite Weltkrieg. Unmittelbar nach dem Einmarsch setzten in beiden Teilungsgebieten Verfolgung und Terror ein. Deutsche Verbände verübten Massaker an Angehörigen der geistigen Eliten, jüdischen und nichtjüdischen Zivilisten sowie Patienten.
Ab Ende 1939 errichtete die deutsche Verwaltung Ghettos, in denen die jüdische Bevölkerung unter elenden Bedingungen zusammengedrängt wurde. 1941, nach dem Angriff auf die Sowjetunion, geriet auch Ostpolen unter deutsche Herrschaft. SS-Einsatzgruppen ermordeten zunächst systematisch jüdische Männer, später auch Frauen und Kinder. Im Herbst 1941 begannen lokale deutsche Dienststellen im früheren Westpolen mit der Vorbereitung von Massentötungen jüdischer Ghettohäftlinge durch Giftgas. Bis 1945 wurden etwa drei Millionen polnische Juden in den Vernichtungsstätten Kulmhof, Belzec, Treblinka und Sobibor, in Majdanek und Auschwitz ermordet, verhungerten in den Ghettos oder wurden erschossen. 1943 erhoben sich die jüdischen Bewohner des Warschauer Ghettos zu einem Aufstand, den die SS blutig niederschlug.
Polnische Soldaten kämpften auf Seiten der Alliierten an allen Fronten des Weltkriegs. Partisanengruppen, darunter die patriotische »Armia Krajowa« (Heimatarmee), bildeten die größte Widerstandsbewegung im besetzten Europa. Am 1. August 1944 begann der Warschauer Aufstand, die umfangreichste Erhebung von Zivilisten gegen die Deutschen im besetzten Europa. Er scheiterte, auch weil die Rote Armee – bereits am anderen Weichselufer stehend – nicht eingriff. Die Zahl der Toten wird auf bis zu 250.000 geschätzt. Insgesamt kamen etwa drei Millionen nichtjüdische Polen unter deutscher Besatzung gewaltsam zu Tode.
Nachdem die Rote Armee bereits im Januar 1944 (ost-)polnischen Boden erreicht hatte, wurden die Truppen der Armia Krajowa vom sowjetischen Geheimdienst entwaffnet, ihre Offiziere erschossen oder verschleppt. Die Millionen Toten der Besatzungszeit, die dauerhafte Annexion Ostpolens durch die Sowjetunion, die Eingliederung ostdeutscher Gebiete und der daraus resultierende Bevölkerungsaustausch verursachten in Polen ein schweres politisches und gesellschaftliches Trauma.
In der Erinnerungskultur stand das Gedenken an die Ermordung der europäischen Juden in deutschen Vernichtungslagern auf polnischem Boden zunächst im Hintergrund. So galt Auschwitz – im Ausland längst zum Symbol des Holocaust geworden – über Jahrzehnte vor allem als »Ort polnischen Martyriums«. Veränderungen gibt es allerdings seit Beginn des 21. Jahrhunderts. Dazu mögen auch die heftigen Debatten um den ostpolnischen Ort Jedwabne beigetragen haben. Das Massaker an etwa 340 Juden am 10. Juli 1941, das bis dahin »Gestapo und Hitler-Polizei« zugeschrieben worden war, hatten polnische »Nachbarn« ohne deutschen Zwang verübt. Die Diskussionen im In- und Ausland um eine polnische Mittäterschaft führten 2001 dazu, dass sich Staatspräsident Aleksander Kwaśniewski (*1954) bei den Opfern entschuldigte. Forderungen von Fachleuten, etwa aus dem Institut des Nationalen Gedenkens, sich den schwierigsten Kapiteln der Vergangenheit zu stellen, wurden lauter. Zu diesen zählen auch antijüdische Pogrome 1946/47 und der staatliche Antisemitismus im sozialistischen Nachkriegspolen.
Der polnische Staat investiert sehr viel in Erinnerungspolitik, auch in Großprojekte mit internationaler Ausstrahlung. Das Museum des Warschauer Aufstandes wurde bereits 2004 eröffnet. Das POLIN Museum der Geschichte der polnischen Juden eröffnete auf dem Gebiet des ehemaligen Warschauer Ghettos 2013, ein Museum des Warschauer Ghettos soll 2024 folgen. In Danzig gibt es seit 2017 das Museum des Zweiten Weltkrieges. Die ehemaligen deutschen Vernichtungslager Belzec und Sobibor wurden nach der Jahrtausendwende in moderne Gedenkstätten umgewandelt. Auch in der Kultur ist eine immer intensivere Beschäftigung mit dem jüdischen und multikulturellen Erbe Polens zu beobachten.
Erinnerung
Nach dem Krieg diente das Lagergelände von 1945 bis 1948 als Internierungslager für Deutsche. Am 4. November 1956 wurde das Denkmal mit dem Titel »Nigdy Wojny« (deutsch: »Nie mehr Krieg«) des Künstlers Józef Gosławski eingeweiht. Das Museum wurde 1979 eröffnet. Auf dem etwa drei Hektar großen ehemaligen Lagergelände befinden sich neben einigen baulichen Überresten des Lagers weitere Denkmäler zur Erinnerung an die aus verschiedenen Ländern stammenden Häftlinge.
Angebote
Führungen, Pädagogische Angebote, Veranstaltungen, Archiv, Sonderausstellungen
Öffnungszeiten
Dienstag bis Freitag 9.00 bis 15.00, Samstag und Sonntag 10.00 bis 14.00
Montags geschlossen
Kontakt
http://www.zabikowo.eu
muzeum@zabikowo.eu
+48 (0)61 813 068 1
ul. Niezlomnych 2
62-031 Poznań