Museum Blindenwerkstatt Otto Weidt

Museum Blindenwerkstatt Otto Weidt


Otto Weidt rettete einige Berliner Juden vor der Verfolgung und der Deportation in der Zeit des Nationalsozialismus. Er beschäftigte sie in seiner als kriegswichtig eingestuften Bürstenbinderwerkstatt. An den Kleinunternehmer und an das Schicksal der Juden, deren Deportation er verhindern beziehungsweise aufschieben konnte, erinnert am historischen Ort das »Museum Blindenwerkstatt Otto Weidt«.

Geschichte

In der Rosenthaler Straße 39 im Stadtteil Berlin-Mitte betrieb Otto Weidt seit 1936 eine kleine Bürstenbinderwerkstatt. Der sehbehinderte Unternehmer beschäftigte hier vor allem Juden, die ebenfalls sehbehindert, blind oder gehörlos waren. Er sorgte für die Vergößerung seines Betriebs, um noch mehr Juden beschäftigen zu können. Da es Besen und Bürsten an die Wehrmacht lieferte gelang es Weidt, sein Unternehmen von der SS als »wehrwichtig« anerkennen zu lassen. Mit dieser Bescheinigung konnte er Juden nach Kriegsausbruch als Zwangsarbeiter weiter beschäftigen. Oft waren die Räume in der Rosenthaler Straße die letzte Zuflucht für verfolgte Juden und ihre Angehörigen. Otto Weidt half ihnen Verstecke zu suchen sowie Nahrungsmittel und falsche Papiere zu beschaffen. Das nötige Geld dafür erhielt er durch den Verkauf von Besen und Bürsten auf dem Schwarzmarkt. Im Februar 1943 gelang es Weidt, im Zuge der »Fabrikaktion« verhaftete jüdische Arbeiter aus dem Sammellager in der Großen Hamburger Straße zurückzuholen, indem er Angehörige der Gestapo bestach. Die vierköpfige Familie Horn versteckte er in einem Raum hinter seiner Werkstatt. Einigen seiner Angestellten, deren Deportation er nicht verhindern konnte, schickte er Verpflegungspakete in die Lager. Für seine jüdische Sekretärin Alice Licht organisierte Weidt ihre Flucht aus einem Außenlager des KZ Groß-Rosen und ein Versteck für sie in der Nähe.
Otto Weidt starb im Dezember 1947 im Alter von 64 Jahren. Die israelische Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem ehrte ihn 1971 als »Gerechten unter den Völkern«.

Opfergruppen

Bei vielen der von ihm geschützten Juden konnte der Unternehmer die Deportation zwar aufschieben, aber nicht verhindern. Viele wurden nach der Deportation in Konzentrations- und Vernichtungslager von den Nationalsozialisten ermordet. Auch die jüdische Familie Horn, der Otto Weidt in dem Raum hinter seiner Werkstatt Unterschlupf gewährte, entging diesem Schicksal nicht. Ihr Versteck wurde von einem Spitzel an die Gestapo verraten. Die Zahl der von Weidt geretteten Juden ist nicht genau bekannt.

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Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begann die staatliche Verfolgung der Gegner des Regimes, von Juden, als »Zigeuner« bezeichneten Roma, Patienten sowie zahlreichen anderen Gruppen. Antisemitismus wurde erstmals Bestandteil der Regierungspolitik eines modernen Staates, die Verfolgung aller Gruppen schrittweise verschärft. Dabei griffen staatliche Verordnungen, Gewalttaten von Anhängern des Regimes und die Hetze der Presse ineinander. Der Terror gegen Juden im November 1938 (»Kristallnacht«) mit etwa hundert Toten bildete den Scheitelpunkt hin zur vollständigen Ausgrenzung und Ermordung der jüdischen Minderheit. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 gerieten weite Teile Europas unter deutsche Herrschaft. Insbesondere im Osten entstand ein vielgliedriges System von Lagern und Mordstätten, in dem die SS bis zu sechs Millionen Juden, unter ihnen etwa 165.000 deutsche Juden, ermordete. Die Zahl der übrigen Deutschen, die in Folge des Krieges ihr Leben verloren, wird auf etwa sieben Millionen geschätzt, darunter fast 3,5 Millionen Zivilisten. Etwa 28 Millionen Einwohner der besetzten Sowjetunion (Soldaten und Zivilbevölkerung) und drei Millionen nichtjüdische Polen kamen gewaltsam zu Tode; an sie wird in Deutschland bis heute kaum erinnert. Deutschland wurde 1945 von den Alliierten besetzt; 1949 entstanden die Deutsche Demokratische Republik (DDR) und die Bundesrepublik Deutschland (BRD) mit sehr unterschiedlichen Gedenkkulturen. In der DDR dominierte die Selbstinterpretation als »antifaschistischer« deutscher Nachfolgestaat. Die Orte der ehemaligen Konzentrationslager (KZ) Buchenwald, Ravensbrück und Sachsenhausen wurden zu »Nationalen Mahn- und Gedenkstätten« und stellten vor allem den kommunistischen Widerstand dar. In der Bundesrepublik dominierte zunächst die Erinnerung an die Opfer der alliierten Bombenangriffe, von Flucht und Vertreibung. Das Gedenken an die nationalsozialistische Verfolgung, den Holocaust oder den Widerstand war einzelnen Gruppen überlassen, Täter und Tatbeteiligungen – außerhalb juristischer Prozesse – kein Gegenstand öffentlicher Diskussion. Das änderte sich ab Mitte der 1960er Jahre, als nach intensiver Debatte die Verjährung für Mord aufgehoben wurde. Gleichzeitig entstanden Erinnerungsstätten an Orten ehemaliger KZ (1965: Dachau und Neuengamme; 1966: Bergen-Belsen) und die Gedenkstätte Deutscher Widerstand 1968 in West-Berlin. Erst in den 1980er Jahren entwickelte sich durch lokale Initiativen eine vielfältige, oft kleinteilige Erinnerungslandschaft. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurden eine gesamtstaatliche Gedenkstättenkonzeption entwickelt und Orte der Erinnerung umfangreich überarbeitet. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin konnte 2005 der Öffentlichkeit übergeben werden. Eine umfangreiche Dokumentation der nationalsozialistischen Verbrechen und ihrer Täter, die Topographie des Terrors, wurde im Mai 2010 eröffnet; das Ausstellungszentrum »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« folgte 2021. Mittlerweile erinnern zentrale Denkmäler in Berlin auch an weitere Opfergruppen: An die ermordeten Sinti und Roma, an die Opfer im Rahmen der NS-»Euthanasie« ermordeten Patienten und an die verfolgten Homosexuellen. Die Opfer des nationalsozialistischen Terrors in den früheren Ostgebieten fielen nach Kriegsende einem doppelten Vergessen anheim. Die Erinnerung blieb für Jahrzehnte auf landsmannschaftliche Verbände in der BRD beschränkt und schloss die Zeit von 1933 bis 1945 meist aus. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs nehmen sich jedoch deutsche, polnische, litauische und russische Initiativen auch dieses Teils der deutschen Vergangenheit an.

Erinnerung

Die im Museum gezeigte Ausstellung »Blindes Vertrauen« wurde von Studenten erarbeitet. Unterstützung erhielten sie unter anderem von der Schriftstellerin Inge Deutschkron, einer der überlebenden jüdischen Angestellten Otto Weidts. Seit 2005 ist für das Museum Blindenwerkstatt Otto Weidt die Gedenkstätte Deutscher Widerstand verantwortlich. Nach einer umfassenden Sanierung und Restaurierung können Besucher seit Dezember 2006 die neue Dauerausstellung und den im Original erhalten gebliebenen Raum besichtigen, in dem Weidt 1944 die Familie Horn versteckte.

Angebote

Mehrsprachige Führungen, Stadtteilführungen, Lesungen, Zeitzeugengespräche

Öffnungszeiten

Montags bis sonntags 10.00 bis 20.00

Kontakt

http://www.museum-blindenwerkstatt.de

info@museum-blindenwerkstatt.de

+49 (0)30 285 994 07

Rosenthaler Straße 39
10178 Berlin