Massengrab der ermordeten Juden von Schwestnau

Žudynių vieta Inkaklių miške


Fast alle 500 Juden der litauischen Kleinstadt Schwestnau wurden im September 1941 ermordet. Sie liegen in einem Massengrab in einem Wald unweit der Stadt.

Geschichte

Die litauische Kleinstadt Schwestnau (litauisch: Švėkšna, deutsch auch: Schwekschnen) befand sich jahrhundertelang im preußisch-litauischen Grenzgebiet. Vor dem Ersten Weltkrieg lag die Stadt in Litauen, das wiederum Teil des Russischen Zarenreichs war. Die nächstgelegene Stadt, das ostpreußische Heydekrug (litauisch: Šilutė), war auf der anderen Seite der mehr oder weniger durchlässigen Grenze zum Deutschen Kaiserreich.
Litauen ging aus dem Ersten Weltkrieg als unabhängiger Staat hervor. 1923 besetzte Litauen das sogenannte Memelgebiet (litauisch: Klaipėdos kraštas), einschließlich der Städte Memel (litauisch: Klaipėda) und Heydekrug. Anfang 1939 musste Litauen das Memelgebiet auf massiven Druck aus Berlin wieder an das Deutsche Reich abtreten. Viele Juden flohen daraufhin in nahegelegene litauische Städte wie Schwestnau.
1940 wurde Litauen – gemäß einem deutsch-sowjetischen Geheimvertrag – von der Roten Armee besetzt und der Sowjetunion angegliedert. Als am 22. Juni 1941 die deutsche Wehrmacht die Sowjetunion angriff, wurde Schwestnau sofort besetzt. Zu diesem Zeitpunkt waren etwa ein Viertel der ungefähr 2.000 Einwohner Juden. Am 27. Juni erschien eine Gruppe von SS-Leuten aus Heydekrug und nahm zahlreiche jüdische Männer fest, die zur Zwangsarbeit nach Heydekrug geschickt wurden. Alle anderen Juden mussten in ein Ghetto umziehen. Im September 1941 wurden sie in den nahegelegenen Wald von Inkakliai geführt und dort – vermutlich von litauischen Helfern der SS – erschossen.

Opfergruppen

Fast alle 500 Juden aus Schwestnau wurden im September 1941 ermordet. Nur einzelne Juden, die im Juni 1941 zur Zwangsarbeit verschleppt wurden, erhielten eine Chance zum Überleben.

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Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges erlangte Litauen 1918 seine Unabhängigkeit vom Russischen Reich. Im Juni 1940 wurde das Land gemäß einem deutsch-sowjetischen Vertrag – dem so genannten Hitler-Stalin-Pakt – von der Roten Armee besetzt. Viele katholische Litauer machten pauschal Juden für den Verlust der Eigenstaatlichkeit und den sowjetischen Terror verantwortlich. Nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 überrollte die Wehrmacht das Land binnen kurzem. Bereits zwei Tage später führten deutsche Einheiten im grenznahen Garsden die erste Massenerschießung von Juden in diesem Feldzug durch. Litauische Nationalisten erschlugen in den ersten Kriegstagen hunderte Juden. Anschließend überfiel das deutsch-litauische »Rollkommando Hamann« Tag für Tag Ortschaften in Litauen und erschoss bis Ende 1941 beinahe sämtliche Juden auf dem Land und in Kleinstädten. Litauische SS-Einheiten und Polizeibataillone waren auch an Mordaktionen insbesondere auf belarussischem Gebiet beteiligt. Die Zahl der bis Sommer 1944 ermordeten litauischen Juden liegt zwischen 140.000 und 150.000 – fast 99 Prozent der jüdischen Bevölkerung des Landes in der Zwischenkriegszeit. Hinzu kommen etwa 70.000 jüdische Opfer aus dem Wilna-Gebiet, das nach der Zerschlagung PolensW im Herbst 1939 an Litauen zurückgegeben worden war. Der Terror richtete sich ab Sommer 1941 auch gegen meist kommunistische Kritiker und andere Minderheiten. Verschleppungen von Zwangsarbeitern in das Deutsche Reich setzten ein. Insgesamt etwa 170.000 nichtjüdische litauische Zivilisten fanden den Tod. Mit der Rückeroberung durch die Rote Armee 1944 wurde das Land erneut Teil der Sowjetunion. Tausende Litauer emigrierten, Tausende andere kämpften noch bis Ende der 1950er Jahre als Partisanen (»Waldbrüder«) gegen die sowjetische Besatzung. Insgesamt verschleppte der sowjetische Geheimdienst NKWD etwa 500.000 Litauer in das Innere der Sowjetunion. Das offizielle Litauen der Sowjetzeit gedachte vor allem der Helden des »Großen Vaterländischen Kriegs« und der prosowjetischen litauischen Patrioten, aber auch der ermordeten »friedliebenden Sowjetbürger und Kommunisten«. An einem der wichtigsten Orte des Massenmordes, dem IX. Fort in Kaunas, wurde 1958 ein Museum eingerichtet und 1984 ein monumentales Denkmalensemble aus Beton eröffnet. Seine Unabhängigkeit von Moskau erkämpfte sich das Land 1990/91 auch gegen russische Panzer mit 14 Toten. Anschließend wurden viele Monumente aus sowjetischer Zeit abgebaut, die jahrzehntelange Besatzung und der Widerstand rückten ins Zentrum der nationalen Erinnerung. Die Annexion Litauens durch die Sowjetunion 1940/41 und 1944 bis 1990 sowie die deutsche Besetzung wurden gleichgesetzt; wie in Lettland und Estland Okkupationsmuseen eingerichtet, deren inhaltlicher Schwerpunkt die Jahre des sowjetischen Terrors ist. Erst in den 1990er Jahren kam es zu einer breiten Diskussion über die litauische Beteiligung am Holocaust und 1998 zur Gründung einer Internationalen Kommission zur Bewertung der Verbrechen während des nationalsozialistischen und des sowjetischen Besatzungsregimes. Mittlerweile ist die litauische Erinnerungskultur immer vielfältiger. Eines der wichtigsten Institutionen ist das Jüdische Museum »Gaon von Wilna«. Am ehemaligen Massenerschießungsort Ponary (Paneriai) soll neben den Denkmälern auch ein Museumsbau entstehen. Bereits seit 2014 gibt es eine neue Dauerausstellung im Fort IX, während das Internetprojekt »Holocaust Atlas of Lithuania« detaillierte Informationen über die Orte der Massenerschießungen im ganzen Land anbietet.

Erinnerung

Seit 1941 leben keine Juden mehr in Schwestnau. Während die große katholische und die zweihundert Jahre alte lutherische Kirche in gutem Zustand sind, ist die Synagoge am Marktplatz verlassen und stark baufällig. Mittlerweile befindet sie sich unter Denkmalschutz. Auch der jüdische Friedhof ist noch erhalten geblieben.
Kurz nach dem Krieg wurde das Massengrab im Wald von Inkakliai mit Steinen gekennzeichnet und eingezäunt. Auf den umliegenden Landstraßen gibt es Wegweiser, die auf den Ort des Verbrechens hinweisen.

Öffnungszeiten

Das Massengrab im Wald von Inkakliai ist jederzeit zugänglich. Die Synagoge ist geschlossen.

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