Mahnmal für die ermordeten Juden Hannovers

Mahnmal für die ermordeten Juden Hannovers


In Hannover erinnert seit 1994 das Mahnmal für die ermordeten Juden Hannovers an die etwa 6.800 Juden der Stadt, die Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung wurden. Auf dem Sockel sind die Namen von etwa 1.900 Hannoveraner Juden eingraviert, die zwischen 1941 und 1945 in die Ghettos und Vernichtungslager im besetzten Osten deportiert wurden.

Geschichte

Juden lebten in Hannover bereits im 13. Jahrhundert. Im Laufe des 19 Jahrhunderts stieg die Zahl der jüdischen Gemeindemitglieder von etwa 1.300 auf 4.500 im Jahr 1900. Im Juni 1933, vier Monate nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten, lebten etwa 4.800 Juden in Hannover, bei insgesamt etwa 444.000 Einwohnern. Die Nationalsozialisten begannen nach der Machtübernahme damit, Juden systematisch vom öffentlichen Leben auszugrenzen und zu diskriminieren. Juden wurden aus ihren Berufen gedrängt, viele schlossen ihre Geschäfte. Während der Novemberpogrome 1938 zerstörten Nationalsozialisten und ihre Sympathisanten die Neue Synagoge. Etwa 480 Juden ohne deutsche Staatsbürgerschaft wurden über die polnische Grenze abgeschoben, etwa 330 jüdische Männer aus Hannover in das Konzentrationslager Buchenwald verschleppt. Ende 1938 waren alle 552 jüdischen Geschäfte, Kanzleien und Arztpraxen geschlossen. Hunderte retteten sich ins Exil. Ab 1941 mussten etwa 1.200 Hannoveraner Juden ihre Wohnungen räumen und in 15 sogenannte Judenhäuser umziehen. Dort mussten sie zusammengedrängt unter katastrophalen Lebensumständen leben, bis sie in das Sammellager in der Israelitischen Gartenbauschule Ahlem gebracht wurden. Von dort deportierten die Nationalsozialisten am 15. Dezember 1941 1001 Juden über den Güterbahnhof Fischerhof in das Ghetto in Riga. Nur 68 Menschen aus diesem Transport überlebten das Ghetto. Bis 1945 folgten weitere Deportationen von Juden in die Ghettos und Vernichtungslager im Osten.

Opfergruppen

Namentlich sind 1.935 Juden aus Hannover bekannt, die von den Nationalsozialisten ermordet wurden oder seit dem Zweiten Weltkrieg als verschollen gelten. Nur wenige überlebten.

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Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begann die staatliche Verfolgung der Gegner des Regimes, von Juden, als »Zigeuner« bezeichneten Roma, Patienten sowie zahlreichen anderen Gruppen. Antisemitismus wurde erstmals Bestandteil der Regierungspolitik eines modernen Staates, die Verfolgung aller Gruppen schrittweise verschärft. Dabei griffen staatliche Verordnungen, Gewalttaten von Anhängern des Regimes und die Hetze der Presse ineinander. Der Terror gegen Juden im November 1938 (»Kristallnacht«) mit etwa hundert Toten bildete den Scheitelpunkt hin zur vollständigen Ausgrenzung und Ermordung der jüdischen Minderheit. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 gerieten weite Teile Europas unter deutsche Herrschaft. Insbesondere im Osten entstand ein vielgliedriges System von Lagern und Mordstätten, in dem die SS bis zu sechs Millionen Juden, unter ihnen etwa 165.000 deutsche Juden, ermordete. Die Zahl der übrigen Deutschen, die in Folge des Krieges ihr Leben verloren, wird auf etwa sieben Millionen geschätzt, darunter fast 3,5 Millionen Zivilisten. Etwa 28 Millionen Einwohner der besetzten Sowjetunion (Soldaten und Zivilbevölkerung) und drei Millionen nichtjüdische Polen kamen gewaltsam zu Tode; an sie wird in Deutschland bis heute kaum erinnert. Deutschland wurde 1945 von den Alliierten besetzt; 1949 entstanden die Deutsche Demokratische Republik (DDR) und die Bundesrepublik Deutschland (BRD) mit sehr unterschiedlichen Gedenkkulturen. In der DDR dominierte die Selbstinterpretation als »antifaschistischer« deutscher Nachfolgestaat. Die Orte der ehemaligen Konzentrationslager (KZ) Buchenwald, Ravensbrück und Sachsenhausen wurden zu »Nationalen Mahn- und Gedenkstätten« und stellten vor allem den kommunistischen Widerstand dar. In der Bundesrepublik dominierte zunächst die Erinnerung an die Opfer der alliierten Bombenangriffe, von Flucht und Vertreibung. Das Gedenken an die nationalsozialistische Verfolgung, den Holocaust oder den Widerstand war einzelnen Gruppen überlassen, Täter und Tatbeteiligungen – außerhalb juristischer Prozesse – kein Gegenstand öffentlicher Diskussion. Das änderte sich ab Mitte der 1960er Jahre, als nach intensiver Debatte die Verjährung für Mord aufgehoben wurde. Gleichzeitig entstanden Erinnerungsstätten an Orten ehemaliger KZ (1965: Dachau und Neuengamme; 1966: Bergen-Belsen) und die Gedenkstätte Deutscher Widerstand 1968 in West-Berlin. Erst in den 1980er Jahren entwickelte sich durch lokale Initiativen eine vielfältige, oft kleinteilige Erinnerungslandschaft. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurden eine gesamtstaatliche Gedenkstättenkonzeption entwickelt und Orte der Erinnerung umfangreich überarbeitet. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin konnte 2005 der Öffentlichkeit übergeben werden. Eine umfangreiche Dokumentation der nationalsozialistischen Verbrechen und ihrer Täter, die Topographie des Terrors, wurde im Mai 2010 eröffnet; das Ausstellungszentrum »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« folgte 2021. Mittlerweile erinnern zentrale Denkmäler in Berlin auch an weitere Opfergruppen: An die ermordeten Sinti und Roma, an die Opfer im Rahmen der NS-»Euthanasie« ermordeten Patienten und an die verfolgten Homosexuellen. Die Opfer des nationalsozialistischen Terrors in den früheren Ostgebieten fielen nach Kriegsende einem doppelten Vergessen anheim. Die Erinnerung blieb für Jahrzehnte auf landsmannschaftliche Verbände in der BRD beschränkt und schloss die Zeit von 1933 bis 1945 meist aus. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs nehmen sich jedoch deutsche, polnische, litauische und russische Initiativen auch dieses Teils der deutschen Vergangenheit an.

Erinnerung

Das Mahnmal für die ermordeten Juden Hannovers konnte am 9. Oktober 1994 am Opernplatz im Zentrum der Stadt eingeweiht werden. Davor gab es jahrelange Diskussionen um das Mahnmal. Die Initiative dazu kam vom Verein Memoriam, es wurde durch private Spenden finanziert. Die Gestaltung des Mahnmals übernahm der italienische Künstler Michelangelo Pistoletto: Eine stilisierte Klammer aus Stein deutet eine Leerstelle an. Auf dem Granitsockel des Mahnmals sind die Namen der 1.935 namentlich bekannten ermordeten Hannoveraner Juden eingraviert. Bei den Opfern, bei denen der Ort ihres Todes nicht bekannt ist, wurde »verschollen« vermerkt.

Öffnungszeiten

Das Mahnmal ist jederzeit zugänglich.

Kontakt

erinnerungskultur@hannover-stadt.de

Opernplatz
30159 Hannover