Mahn- und Gedenkstätten Wöbbelin

Mahn- und Gedenkstätten Wöbbelin


Für nur wenige Wochen existierte im Frühjahr 1945 in der Nähe der mecklenburgischen Stadt Ludwigslust ein Außenlager des KZ Neuengamme. Der SS diente es als Auffanglager für die Häftlinge mehrerer Todesmärsche aus aufgelösten nord- und mitteldeutschen Konzentrations- und Außenlagern. Mehr als tausend Häftlinge starben innerhalb weniger Wochen aufgrund der katastrophalen Lebensbedingungen im KZ-Außenlager Wöbbelin. Die Mahn- und Gedenkstätte Wöbbelin erinnert an ihr Schicksal.

Geschichte

Ab Mitte Februar 1945 mussten Häftlinge aus dem KZ Neuengamme ein neues Außenlager bei Wöbbelin errichten. Es entstanden mehrere Steinbaracken, die aber aufgrund des Zeitdrucks nicht fertig gestellt werden konnten. Als die ersten Häftlingsgruppen eintrafen waren noch keine Fenster und Türen eingebaut, auch Schlafpritschen fehlten in den Baracken. Als sich die alliierten Truppen bei ihrem Vormarsch 1945 dem deutschen Gebiet näherten, löste die SS mehrere der dort befindlichen Konzentrationslager und Außenlager auf. So sollte verhindert werden, dass Überlebende von den Zuständen in den Lagern berichten konnten. Viele der Häftlinge die im Zuge der Auflösungen nach Wöbbelin verschleppt wurden, stammten aus dem KZ Neuengamme und aus dessen Außenlagern. Aber auch aus Auschwitz kamen Gefangene in das neu errichtete »Auffanglager«. Kurz vor Kriegsende befanden sich mehr als 5.000 Häftlinge in Wöbbelin. Die Essensrationen reichten aufgrund der immer größer werdenden Belegung bei weitem nicht aus. Überlebende berichten von Kannibalismus unter den Insassen. Für das gesamte Lager gab es nur eine Wasserstelle. Da sie unsauberes Wasser lieferte, wurden viele der Häftlinge krank. Die Todeszahl unter den Häftlingen vergrößerte sich von Woche zu Woche. Angesichts der vorrückenden alliierten Truppen plante die Lagerleitung in den letzten Apriltagen 1945 auch das Außenlager Wöbbelin aufzulösen. Ein Teil der Häftlinge wurde am 1. Mai in einen Güterzug getrieben, der allerdings nicht abfuhr. Die 82. US-Luftlandedivision erreichte Wöbbelin einen Tag später und befreite schätzungsweise 3.500 Häftlinge. Den Soldaten bot sich ein schreckliches Bild. Augenzeugenberichten zufolge waren Lebende kaum von den Toten zu unterscheiden. Hunderte Leichen lagen auf dem Gelände, unerträglicher Leichengeruch lag in der Luft.

Opfergruppen

Die nach Wöbbelin verschleppten Häftlinge stammten aus mindestens 16 Nationen. Aufgrund der fehlenden Registrierung gibt es keine genauen Angaben über die Zahl der Toten im KZ-Außenlager Wöbbelin. Geschätzt wird, dass in der Zeit von Mitte Februar bis zur Befreiung am 2. Mai 1945 mehr als 1.000 der Insassen starben. Die Toten begrub ein aus Häftlingen bestehendes »Leichenkommando« in Massengräbern in der näheren Umgebung. Ein Teil der Leichen wurde auf Anweisung der SS in der Sanitärbaracke gestapelt. Nach der Befreiung des Lagers starben trotz eingeleiteter Hilfsmaßnahmen durch das amerikanische Militär noch über 200 Personen an den Folgen der Haft.

Erfahre mehr über Deutschland

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begann die staatliche Verfolgung der Gegner des Regimes, von Juden, als »Zigeuner« bezeichneten Roma, Patienten sowie zahlreichen anderen Gruppen. Antisemitismus wurde erstmals Bestandteil der Regierungspolitik eines modernen Staates, die Verfolgung aller Gruppen schrittweise verschärft. Dabei griffen staatliche Verordnungen, Gewalttaten von Anhängern des Regimes und die Hetze der Presse ineinander. Der Terror gegen Juden im November 1938 (»Kristallnacht«) mit etwa hundert Toten bildete den Scheitelpunkt hin zur vollständigen Ausgrenzung und Ermordung der jüdischen Minderheit. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 gerieten weite Teile Europas unter deutsche Herrschaft. Insbesondere im Osten entstand ein vielgliedriges System von Lagern und Mordstätten, in dem die SS bis zu sechs Millionen Juden, unter ihnen etwa 165.000 deutsche Juden, ermordete. Die Zahl der übrigen Deutschen, die in Folge des Krieges ihr Leben verloren, wird auf etwa sieben Millionen geschätzt, darunter fast 3,5 Millionen Zivilisten. Etwa 28 Millionen Einwohner der besetzten Sowjetunion (Soldaten und Zivilbevölkerung) und drei Millionen nichtjüdische Polen kamen gewaltsam zu Tode; an sie wird in Deutschland bis heute kaum erinnert. Deutschland wurde 1945 von den Alliierten besetzt; 1949 entstanden die Deutsche Demokratische Republik (DDR) und die Bundesrepublik Deutschland (BRD) mit sehr unterschiedlichen Gedenkkulturen. In der DDR dominierte die Selbstinterpretation als »antifaschistischer« deutscher Nachfolgestaat. Die Orte der ehemaligen Konzentrationslager (KZ) Buchenwald, Ravensbrück und Sachsenhausen wurden zu »Nationalen Mahn- und Gedenkstätten« und stellten vor allem den kommunistischen Widerstand dar. In der Bundesrepublik dominierte zunächst die Erinnerung an die Opfer der alliierten Bombenangriffe, von Flucht und Vertreibung. Das Gedenken an die nationalsozialistische Verfolgung, den Holocaust oder den Widerstand war einzelnen Gruppen überlassen, Täter und Tatbeteiligungen – außerhalb juristischer Prozesse – kein Gegenstand öffentlicher Diskussion. Das änderte sich ab Mitte der 1960er Jahre, als nach intensiver Debatte die Verjährung für Mord aufgehoben wurde. Gleichzeitig entstanden Erinnerungsstätten an Orten ehemaliger KZ (1965: Dachau und Neuengamme; 1966: Bergen-Belsen) und die Gedenkstätte Deutscher Widerstand 1968 in West-Berlin. Erst in den 1980er Jahren entwickelte sich durch lokale Initiativen eine vielfältige, oft kleinteilige Erinnerungslandschaft. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurden eine gesamtstaatliche Gedenkstättenkonzeption entwickelt und Orte der Erinnerung umfangreich überarbeitet. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin konnte 2005 der Öffentlichkeit übergeben werden. Eine umfangreiche Dokumentation der nationalsozialistischen Verbrechen und ihrer Täter, die Topographie des Terrors, wurde im Mai 2010 eröffnet; das Ausstellungszentrum »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« folgte 2021. Mittlerweile erinnern zentrale Denkmäler in Berlin auch an weitere Opfergruppen: An die ermordeten Sinti und Roma, an die Opfer im Rahmen der NS-»Euthanasie« ermordeten Patienten und an die verfolgten Homosexuellen. Die Opfer des nationalsozialistischen Terrors in den früheren Ostgebieten fielen nach Kriegsende einem doppelten Vergessen anheim. Die Erinnerung blieb für Jahrzehnte auf landsmannschaftliche Verbände in der BRD beschränkt und schloss die Zeit von 1933 bis 1945 meist aus. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs nehmen sich jedoch deutsche, polnische, litauische und russische Initiativen auch dieses Teils der deutschen Vergangenheit an.

Erinnerung

Alle Gebäude des Lagerkomplexes wurden kurz nach Kriegsende abgerissen. Seit 1960 ist unweit der Häftlingsgräber ein Sandsteinrelief des Künstlers Jo Jastram zu sehen. 1965 eröffnete im Theodor-Körner-Museum des Ortes eine Ausstellung über das Lager in Wöbbelin. Sie wurde 1995 neu konzipiert. Ebenfalls seit 1965 wies an einer Straße in der Nähe des ehemaligen Lagergeländes ein Feldstein mit der Aufschrift »KZ 1945« auf das Lager hin. Dieser Stein befindet sich inzwischen auf dem ehemaligen Lagergelände selbst.
Im Februar 2002 wurden die Gedenkstätte und das Sandsteinrelief von Rechtsradikalen beschädigt und geschändet. Die Rekonstruktion des Kunstwerks erfolgte noch im selben Jahr. Auf dem ehemaligen Lagergelände selbst fand 2005 die Einweihung einer Gedenkanlage mit einigen Namen und Informationen zu den hier verstorbenen Häftlingen statt. Bereits im Jahr zuvor errichteten Jugendliche im Rahmen eines Workcamps Skulpturen an diesem Ort.

Angebote

Dokumentationsausstellung im Theodor-Körner-Museum, Organisation von internationalen Jugendbegegnungen und Seminaren

Öffnungszeiten

April bis Oktober Dienstag bis Freitag 12.00 bis 16.00, Sonntag 11.00 bis 16.00, November bis März Dienstag bis Freitag 11.00 bis 16.00, Sonntag 11.00 bis 16.00
Montags und samstags geschlossen.

Kontakt

https://www.gedenkstaetten-woebbelin.de/cms/

info@gedenkstaetten-woebbelin.de

+49 (0)38753 807 92

Ludwigsluster Straße 1a
19288 Wöbbelin