Mahn- und Gedenkstätte Wernigerode

Mahn- und Gedenkstätte Wernigerode


In Wernigerode, am Mittelgebirge Harz gelegen, existierte ab 1941 ein Zwangsarbeitslager, das 1943 in ein Außenlager des Konzentrationslagers Buchenwald umgewandelt wurde. Die Häftlinge mussten in der Produktion und im Stollenbau der Rautal-Werke Zwangsarbeit leisten. An ihr Schicksal erinnert heute am historischen Ort die Mahn- und Gedenkstätte Wernigerode.

Geschichte

1941 entstand bei den Rautal-Werken in Wernigerode ein Arbeitslager für 300 Zwangsarbeiter aus Flandern und Nordfrankreich. Der von der SS als kriegswichtig eingestufte Rüstungsbetrieb produzierte Elektromotoren und Motorenteile. Im Frühjahr 1943 begannen Häftlinge des KZ Buchenwald das Lager am Veckenstedter Weg zu einem Außenlager des KZ Buchenwald umzubauen. Es erhielt von der SS den Tarnnamen »Richard«. In den entstandenen sieben Baracken brachte die SS daraufhin hunderte Häftlinge aus dem KZ Buchenwald unter. Der Höchststand war 1944 mit mehr als 800 Häftlingen erreicht. Unter primitivsten Bedingungen mussten sie in der Produktion für die Rautal-Werke arbeiten. Auch beim Stollenausbau wurden sie eingesetzt, da von der Betriebsleitung geplant war, die Produktion unter Tage zu verlegen. Aufgrund der schweren und gesundheitsgefährdenden Arbeit waren viele der Zwangsarbeiter nach drei Monaten so erschöpft, dass sie zurück in das Stammlager gebracht und durch gesunde Häftlinge aus dem KZ Buchenwald ersetzt wurden. So kamen in ständigem Austausch immer wieder neue Häftlinge zur Zwangsarbeit in die Rautal-Werke. Im November 1944 mussten Zwangsarbeiter aus dem Lager »Richard« ein neues Außenlager im nahe gelegenen Hasserode errichten. Hier war mit der Wernigwerke AG ein neuer Rüstungsbetrieb entstanden, in dem Zwangsarbeiter Teile für die V2-Rakete herstellen mussten. Nach der Fertigstellung des Lagers »Steinerne Renne« wurde das Außenlager in Wernigerode Ende Dezember 1944 aufgelöst und die Häftlinge nach Hasserode überstellt.

Opfergruppen

Unter den Häftlingen im Außenlager »Richard« befanden sich überwiegend Polen, Russen, Tschechen und Südslawen. Sie hatten vor allem unter den schlechten hygienischen Zuständen und der völlig unzureichenden medizinischen Versorgung im Lager zu leiden. Schwerste körperliche Arbeit und der Ausbruch von ansteckenden Krankheiten führten zur völligen Entkräftung der Gefangenen. Geschätzt wird, dass im Außenlager in Wernigerode 18 Häftlinge starben. Dazu zählten sieben Personen, die wegen eines angeblichen Fluchtversuchs gehängt wurden. Auf einem Todesmarsch im April 1945 vom Außenlager in Hasserode in das KZ Leitmeritz starben über 400 Häftlinge, darunter viele Gefangene aus dem aufgelösten Lager »Richard«.

Erfahre mehr über Deutschland

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begann die staatliche Verfolgung der Gegner des Regimes, von Juden, als »Zigeuner« bezeichneten Roma, Patienten sowie zahlreichen anderen Gruppen. Antisemitismus wurde erstmals Bestandteil der Regierungspolitik eines modernen Staates, die Verfolgung aller Gruppen schrittweise verschärft. Dabei griffen staatliche Verordnungen, Gewalttaten von Anhängern des Regimes und die Hetze der Presse ineinander. Der Terror gegen Juden im November 1938 (»Kristallnacht«) mit etwa hundert Toten bildete den Scheitelpunkt hin zur vollständigen Ausgrenzung und Ermordung der jüdischen Minderheit. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 gerieten weite Teile Europas unter deutsche Herrschaft. Insbesondere im Osten entstand ein vielgliedriges System von Lagern und Mordstätten, in dem die SS bis zu sechs Millionen Juden, unter ihnen etwa 165.000 deutsche Juden, ermordete. Die Zahl der übrigen Deutschen, die in Folge des Krieges ihr Leben verloren, wird auf etwa sieben Millionen geschätzt, darunter fast 3,5 Millionen Zivilisten. Etwa 28 Millionen Einwohner der besetzten Sowjetunion (Soldaten und Zivilbevölkerung) und drei Millionen nichtjüdische Polen kamen gewaltsam zu Tode; an sie wird in Deutschland bis heute kaum erinnert. Deutschland wurde 1945 von den Alliierten besetzt; 1949 entstanden die Deutsche Demokratische Republik (DDR) und die Bundesrepublik Deutschland (BRD) mit sehr unterschiedlichen Gedenkkulturen. In der DDR dominierte die Selbstinterpretation als »antifaschistischer« deutscher Nachfolgestaat. Die Orte der ehemaligen Konzentrationslager (KZ) Buchenwald, Ravensbrück und Sachsenhausen wurden zu »Nationalen Mahn- und Gedenkstätten« und stellten vor allem den kommunistischen Widerstand dar. In der Bundesrepublik dominierte zunächst die Erinnerung an die Opfer der alliierten Bombenangriffe, von Flucht und Vertreibung. Das Gedenken an die nationalsozialistische Verfolgung, den Holocaust oder den Widerstand war einzelnen Gruppen überlassen, Täter und Tatbeteiligungen – außerhalb juristischer Prozesse – kein Gegenstand öffentlicher Diskussion. Das änderte sich ab Mitte der 1960er Jahre, als nach intensiver Debatte die Verjährung für Mord aufgehoben wurde. Gleichzeitig entstanden Erinnerungsstätten an Orten ehemaliger KZ (1965: Dachau und Neuengamme; 1966: Bergen-Belsen) und die Gedenkstätte Deutscher Widerstand 1968 in West-Berlin. Erst in den 1980er Jahren entwickelte sich durch lokale Initiativen eine vielfältige, oft kleinteilige Erinnerungslandschaft. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurden eine gesamtstaatliche Gedenkstättenkonzeption entwickelt und Orte der Erinnerung umfangreich überarbeitet. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin konnte 2005 der Öffentlichkeit übergeben werden. Eine umfangreiche Dokumentation der nationalsozialistischen Verbrechen und ihrer Täter, die Topographie des Terrors, wurde im Mai 2010 eröffnet; das Ausstellungszentrum »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« folgte 2021. Mittlerweile erinnern zentrale Denkmäler in Berlin auch an weitere Opfergruppen: An die ermordeten Sinti und Roma, an die Opfer im Rahmen der NS-»Euthanasie« ermordeten Patienten und an die verfolgten Homosexuellen. Die Opfer des nationalsozialistischen Terrors in den früheren Ostgebieten fielen nach Kriegsende einem doppelten Vergessen anheim. Die Erinnerung blieb für Jahrzehnte auf landsmannschaftliche Verbände in der BRD beschränkt und schloss die Zeit von 1933 bis 1945 meist aus. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs nehmen sich jedoch deutsche, polnische, litauische und russische Initiativen auch dieses Teils der deutschen Vergangenheit an.

Erinnerung

1974 begann auf Anregung ehemaliger Zwangsarbeiter und Häftlinge auf dem ehemaligen Lagergelände der Umbau zur Gedenkstätte. 1990 haben die Verantwortlichen das Gedenkstättenkonzept inhaltlich überarbeitet. Das neue Konzept sah vor allem eine stärkere Einbindung des historischen Geländes in die Gedenkstätte vor, da die Häftlingsbaracken des ehemaligen Außenlagers weitestgehend erhalten blieben. Durch die Unterstützung der thüringischen Landesregierung und des ehemaligen Landkreises Wernigerode konnte Ende 1994 die neu rekonstruierte Mahn- und Gedenkstätte mit einer neuen Ausstellung eingeweiht werden. Auf dem ehemaligen Appellplatz wurde zur Erinnerung an die Zwangsarbeiter ein Gedenkweg angelegt.

Angebote

Dauerausstellung sowie Wechselausstellungen, Nutzung der Handbibliothek und des Archivs, Führungen, Bildungsangebote, Projekttage zu ausgewählten Themen

Öffnungszeiten

Von April bis Oktober montags bis freitags 9.00 bis 17.00
Von November bis März montags bis freitags 9.00 bis 15.00
Außerhalb der Öffnungszeiten nach telefonischer Absprache

Montags bis freitags 8.00 bis 15.00, außerthalb der Öffnungszeiten nach telefonischer Absprache

Kontakt

http://www.kreis-hz.de/

gedenkstaette.wernigerode@kreis-hz.de

+49 (0) 3943 632 109

Veckenstedter Weg 43
38855 Wernigerode