Erinnerungszentrum Oradour-sur-Glane

Centre de la mémoire Oradour-sur-Glane village martyr


Das »Centre de la Mémoire Oradour-sur Glane village martyr« in Zentralfrankreich ist dem Gedenken an 642 Kinder, Frauen und Männer gewidmet, die am 10. Juni 1944 von Angehörigen der Waffen-SS in der Gemeinde Oradour ermordet wurden. Das Erinnerungszentrum wurde 1999 durch den französischen Staatspräsidenten Jacques Chirac eröffnet. Die Ruinen des zerstörten Dorfes sind in die Gedenkstätte mit einbezogen.

Geschichte

Seit 1940 befand sich der Norden, ab 1942 auch der Süden Frankreichs unter Besatzung deutscher Truppen, gegen die sich eine breite Widerstandsbewegung gebildet hatte. Am 6. Juni 1944 landeten alliierte Verbände an der französischen Normandieküste, deren Ziele die Befreiung Frankreichs und der Sieg über das nationalsozialistische Deutschland waren. Am 8. Juni 1944, zwei Tage nach der Landung forderte der Oberbefehlshaber West der deutschen Wehrmacht, gegen den französischen Widerstand »mit äußerster Schärfe und ohne Nachsicht« vorzugehen. Dieser Grundsatzbefehl galt auch für die im Land befindlichen SS-Verbände. Er entsprach Anordnungen, nach denen Wehrmacht und SS bisher auch in anderen besetzten Gebieten flächendeckende Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung begangen hatten. Am 9. Juni 1944 erreichten SS-Truppenteile die Stadt Limoges, wo vermutlich am Morgen des 10. Juni die Entscheidung fiel, in das Dorf Oradour-sur-Glane in der Umgebung einzurücken. Nach einer späteren Zeugenaussage war von vornherein geplant, unter dem Vorwand einer »Vergeltungsmaßnahme« den Ort in Brand zu setzen und seine Bewohner zu ermorden. Weshalb dabei die Entscheidung auf Oradour fiel, in dem es keine nennenswerten Widerstandsaktivitäten gegeben hatte, ist bis heute nicht geklärt. Eine Einheit der SS-Division »Das Reich« trieb die Bevölkerung auf dem Marktplatz zusammen. Die Männer des Dorfes wurden in Scheunen und Garagen erschossen, die Frauen und Kinder bei lebendigem Leib in der Kirche verbrannt. Das Dorf wurde anschließend geplündert und angezündet. Insgesamt 642 Menschen kamen um.

Opfergruppen

Insgesamt wurden bei dem Massaker in Oradour-sur-Glane 642 Menschen ermordet. Die Männer wurden erschossen, Frauen und Kinder in der Kirche des Dorfes bei lebendigem Leib verbrannt.

Erfahre mehr über Frankreich

Frankreich geriet nach der Niederlage seiner Armee im Juni 1940 unter deutschen Einfluss. Der Norden fiel unter deutsche Militärverwaltung, der Süden blieb zunächst unbesetzt. Im südfranzösischen Kurort Vichy wurde eine von Deutschland abhängige Regierung gebildet. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs lebten etwa 300.000 Juden in Frankreich. Ihre genaue Zahl ist nicht bekannt, da die Religionszugehörigkeit in Frankreich nicht registriert wurde. Ende 1940 wurden im Norden die ersten antijüdischen Verordnungen erlassen. Der Politik der Zwangsregistrierung, Ausgrenzung und Beraubung folgten systematische Festnahmen durch die französische Gendarmerie. Vor allem Juden ohne französischen Pass gerieten ins Visier des deutschen SS- und Polizeiapparates sowie der einheimischen Behörden. Mit dem Anwachsen des französischen Widerstandes ging der deutsche Militärbefehlshaber General Otto von Stülpnagel (1878–1948) dazu über, als Abschreckung Unbeteiligte erschießen und insbesondere Juden festnehmen zu lassen. Diese Verhafteten gehörten zu den ersten, die ab März 1942 in die Vernichtungslager im besetzten Polen verschleppt wurden. Etwa 75.000 Menschen wurden in über siebzig Transporten verschleppt und ermordet. Die Mehrzahl der französischen Juden überlebte, zumeist in Verstecken im südlichen Landesteil. Krieg und Verfolgung fielen in Frankreich etwa 600.000 Menschen zum Opfer, unter ihnen 270.000 Zivilisten. Während andere Opfergruppen bis heute wenig differenziert behandelt werden, hat sich seit Ende der 1980er Jahre die Forschung zu Patienten, die in Heimen und Kliniken zu Tode kamen, verstärkt. Heute wird von bis zu 50.000 Opfern ausgegangen. In beiden Landesteilen hatte es während der Besetzung Verfolgung, Kollaboration und Widerstand gegeben. Insbesondere die Erinnerung an den Kampf der »Résistance« als Ausdruck französischer Vaterlandsliebe und das Leid der »Deportation« boten nach dem Krieg die Möglichkeit, Gegensätze zwischen Konservativen (Gaullisten) und nach Moskau ausgerichteten Kommunisten zu überbrücken. Dem entsprechen die Widmungen zahlreicher Museen und Gedenkstätten – wie das »Mémorial des Martyrs de la Déportation« (Denkmal für die Märtyrer der Deportation) in Paris aus dem Jahr 1956 und das 2005 in der KZ-Gedenkstätte Natzweiler eröffnete »Centre Européen du Résistant Déporté« (Europäisches Zentrum des deportierten Widerstandskämpfers). Ab Anfang der 1990er Jahre entstanden Einrichtungen wie das Maison d’Izieu (Haus von Izieu) bei Lyon, wo an 44 verschleppte jüdische Kinder erinnert wird, die Nationale Gedenkstätte im ehemaligen Lager Gurs sowie ein Erinnerungszentrum in Oradour sur Glane – einer Ortschaft, die die SS 1944 zerstört hatte. Die zentrale Gedenkstätte für die Opfer des Holocaust ist die 2005 eröffnete »Mémorial de la Shoah« im Zentrum der Hauptstadt. Mittlerweile haben mehrere französische Staatspräsidenten die Mitverantwortung des Landes für den Holocaust in Frankreich anerkannt. Die 1988 eröffnete und 2002 erweiterte Gedenkstätte in Caen, die an die Landung der Westalliierten in der Normandie 1944 erinnert, ist die meistbesuchte Gedenkstätte außerhalb von Paris. Hier finden die jährlichen nationalen Gedenkfeiern an den Sieg über das nationalsozialistische Deutschland statt. Zudem gibt es zahlreiche regionale Museen, in denen die Auseinandersetzung mit Verfolgung, Widerstand und Deportation im Mittelpunkt steht.

Erinnerung

Der Gedenkort Oradour umfasst mehrere Teile: das als Ruine konservierte alte Dorf, zwei Denkmäler – ein mit staatlichen Mitteln errichtetes und ein auf Initiative der Hinterbliebenen entstandenes – sowie das Erinnerungszentrum.
Das Gebäude des Erinnerungszentrums, 1999 seiner Bestimmung übergeben, entstand nach Plänen des Gestalters Yves Devraine, der zuvor schon die Gedenkstätte in Caen entwarf, und der Architekten Jean-Louis Marty und Antonio Carrilero. Der Bau aus Glas, Beton und Stahl ist zur Hälfte in die Erde versenkt und liegt zwischen dem als Ruine konservierten, alten Dorf und der nach 1945 neu gebauten Siedlung. Die im Rohzustand belassenen Beton- und Stahlteile sollen die Brutalität des Überfalls symbolisieren. Das Gebäude umfasst Räume für eine Dauerausstellung, Bibliothek und Archiv. Die Kuratoren der historischen Präsentation legten Wert darauf, das Verbrechen in Oradour in den Zusammenhang mit den deutschen Verbrechen in Europa zu stellen und auch nach den Hintergründen für den Aufstieg des Nationalsozialismus in Deutschland zu fragen.

Angebote

Dokumentationszentrum über den Zweiten Weltkrieg, Archiv (für Studierende und Forscher nach Vereinbarung geöffnet), Veröffentlichungen, Pädagogische Abteilung

Öffnungszeiten

Jährlich von 1. Februar bis 28. Februar von 9.00 bis 17.00, von 1. März bis 14. Mai 9.00 bis 18.00, von 15. Mai bis 15. September 9.00 bis 19.00, von 16. September bis 31. Oktober 9.00 bis 18.00, von 1. November bis 15. Dezember 9.00 bis 17.00.

Kontakt

http://www.oradour.org

oradour@oradour.org

+33 (0)5 554 304 30


87520 Oradour-sur-Glane