Mahn- und Gedenkstätte »Isenschnibber Feldscheune«

Mahn- und Gedenkstätte »Isenschnibber Feldscheune«


Am 13. April 1945 ermordeten SS-Leute, Angehörige der Luftwaffe und des Volkssturms in einer Feldscheune in der Nähe von Gardelegen etwa 1.000 KZ-Häftlinge, einen Tag bevor die Stadt von der US-Armee eingenommen wurde. An das Massaker erinnern die Mahn- und Gedenkstätte »Isenschnibber Feldscheune« und der Friedhof, auf dem die Ermordeten bestattet wurden.

Geschichte

Zwischen dem 9. und 11. April 1945 erreichten mehrere Transporte mit etwa 3.000 Häftlingen aus verschiedenen Außenlagern des Konzentrationslagers Mittelbau-Dora, sowie dem Lager Hannover-Stöcken den Kreis Gardelegen in der Altmark. An den Bahnstationen Mieste und Letzlingen mussten die Züge halten, da das Streckennetz zerstört war und die Alliierten sich von mehreren Seiten näherten. Nach der Ankunft in Mieste wurden mindestens 25 Häftlinge erschossen, zusammen mit etwa 60 weiteren Toten wurden sie neben den Bahngleisen begraben. Am 11. und 12. April 1945 ließ die SS-Begleitmannschaft unter Führung der örtlichen NSDAP die geschwächten Häftlinge in die Stadt Gardelegen marschieren, bewacht von SS-Männern, Wehrmachtssoldaten und Volkssturm-Angehörigen. Entflohene Häftlinge wurden gejagt und erschossen. Die Gefangenen wurden in einer Reit- und Fahrschule der Wehrmacht untergebracht. Noch am Abend des 12. April beschlossen NSDAP-Kreisleiter Thiele und sein Stab, SS-Leute und Offiziere der Wehrmacht, die Ermordung der KZ-Häftlinge. Am Nachmittag des 13. April trieben Angehörige von SS, Wehrmacht und Reichsarbeitsdienst die Häftlinge zu einer gemauerten Feldscheune des Gutshofes Isenschnibbe. Sie sperrten die Häftlinge in die Scheune und setzten sie in Brand. Immer wieder gelang es den Häftlingen das Feuer zu löschen, das von den Tätern mehrmals neu entfacht wurde, zusätzlich schossen diese mit Maschinengewehren und Panzerfäusten in die Scheune und warfen Handgranaten in das Gebäude. Das Massaker dauerte bis in die Nacht. Am Morgen des nächsten Tages beseitigten Angehörige von Volkssturm, Feuerwehr und Technischer Nothilfe die Spuren des Massenmords. Sie begruben etwa die Hälfte der über tausend Opfer. Am Abend des 14. April nahmen Truppen der US-Armee Gardelegen ein. Einen Tag später fanden sie die verkohlten Leichen von etwa 440 Menschen in der Scheune. Sie ließen die Bevölkerung von Gardelegen über 570 Tote aus den Massengräbern bergen.

Opfergruppen

Insgesamt ermordeten Nationalsozialisten, SS-Leute und Wehrmachtsangehörige schätzungsweise 1.700 Menschen zwischen dem 9. und 14. April 1945 im Kreisgebiet Gardelegen. Viele starben während der unmenschlichen Transporte, mehrere Hundert Menschen wurden nach Fluchtversuchen von Soldaten oder SS-Leuten in der Umgebung erschossen. Etwa 1.016 Menschen ermordeten SS-, Wehrmachts- und Volkssturmangehörige bei dem Massaker in der Isenschnibber Feldscheune. Nur zwölf Menschen überlebten. Alle Opfer waren Häftlinge aus KZ-Außenlagern. Über ihre genaue Herkunft ist nichts bekannt.

Erfahre mehr über Deutschland

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begann die staatliche Verfolgung der Gegner des Regimes, von Juden, als »Zigeuner« bezeichneten Roma, Patienten sowie zahlreichen anderen Gruppen. Antisemitismus wurde erstmals Bestandteil der Regierungspolitik eines modernen Staates, die Verfolgung aller Gruppen schrittweise verschärft. Dabei griffen staatliche Verordnungen, Gewalttaten von Anhängern des Regimes und die Hetze der Presse ineinander. Der Terror gegen Juden im November 1938 (»Kristallnacht«) mit etwa hundert Toten bildete den Scheitelpunkt hin zur vollständigen Ausgrenzung und Ermordung der jüdischen Minderheit. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 gerieten weite Teile Europas unter deutsche Herrschaft. Insbesondere im Osten entstand ein vielgliedriges System von Lagern und Mordstätten, in dem die SS bis zu sechs Millionen Juden, unter ihnen etwa 165.000 deutsche Juden, ermordete. Die Zahl der übrigen Deutschen, die in Folge des Krieges ihr Leben verloren, wird auf etwa sieben Millionen geschätzt, darunter fast 3,5 Millionen Zivilisten. Etwa 28 Millionen Einwohner der besetzten Sowjetunion (Soldaten und Zivilbevölkerung) und drei Millionen nichtjüdische Polen kamen gewaltsam zu Tode; an sie wird in Deutschland bis heute kaum erinnert. Deutschland wurde 1945 von den Alliierten besetzt; 1949 entstanden die Deutsche Demokratische Republik (DDR) und die Bundesrepublik Deutschland (BRD) mit sehr unterschiedlichen Gedenkkulturen. In der DDR dominierte die Selbstinterpretation als »antifaschistischer« deutscher Nachfolgestaat. Die Orte der ehemaligen Konzentrationslager (KZ) Buchenwald, Ravensbrück und Sachsenhausen wurden zu »Nationalen Mahn- und Gedenkstätten« und stellten vor allem den kommunistischen Widerstand dar. In der Bundesrepublik dominierte zunächst die Erinnerung an die Opfer der alliierten Bombenangriffe, von Flucht und Vertreibung. Das Gedenken an die nationalsozialistische Verfolgung, den Holocaust oder den Widerstand war einzelnen Gruppen überlassen, Täter und Tatbeteiligungen – außerhalb juristischer Prozesse – kein Gegenstand öffentlicher Diskussion. Das änderte sich ab Mitte der 1960er Jahre, als nach intensiver Debatte die Verjährung für Mord aufgehoben wurde. Gleichzeitig entstanden Erinnerungsstätten an Orten ehemaliger KZ (1965: Dachau und Neuengamme; 1966: Bergen-Belsen) und die Gedenkstätte Deutscher Widerstand 1968 in West-Berlin. Erst in den 1980er Jahren entwickelte sich durch lokale Initiativen eine vielfältige, oft kleinteilige Erinnerungslandschaft. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurden eine gesamtstaatliche Gedenkstättenkonzeption entwickelt und Orte der Erinnerung umfangreich überarbeitet. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin konnte 2005 der Öffentlichkeit übergeben werden. Eine umfangreiche Dokumentation der nationalsozialistischen Verbrechen und ihrer Täter, die Topographie des Terrors, wurde im Mai 2010 eröffnet; das Ausstellungszentrum »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« folgte 2021. Mittlerweile erinnern zentrale Denkmäler in Berlin auch an weitere Opfergruppen: An die ermordeten Sinti und Roma, an die Opfer im Rahmen der NS-»Euthanasie« ermordeten Patienten und an die verfolgten Homosexuellen. Die Opfer des nationalsozialistischen Terrors in den früheren Ostgebieten fielen nach Kriegsende einem doppelten Vergessen anheim. Die Erinnerung blieb für Jahrzehnte auf landsmannschaftliche Verbände in der BRD beschränkt und schloss die Zeit von 1933 bis 1945 meist aus. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs nehmen sich jedoch deutsche, polnische, litauische und russische Initiativen auch dieses Teils der deutschen Vergangenheit an.

Erinnerung

Als US-Truppen Gardelegen am 14. April 1945, etwa 24 Stunden nach Beginn des Massakers, einnahmen, fanden sie mehrere Hundert Leichen in der noch schwelenden Scheune vor. Das LIFE-Magazin veröffentlichte am 7. Mai 1945 Fotos vom Tatort der Mordaktion unter dem Titel »The Holocaust of Gardelegen«. Unter Aufsicht der US-Armee mussten Männer aus Gardelegen die über 570 Leichen aus Massengräbern exhumieren. Die Toten wurden in 1.016 Einzelgräbern auf einem Sonderfriedhof bestattet. Die US-Armee weihte den Friedhof am 25. April 1945 als Militärfriedhof. Der Kommandant der US-Truppen in Gardelegen ließ eine Tafel, die zur Erinnerung mahnte, in englischer und deutscher Sprache anbringen. Am 1. Juli 1945 fiel Gardelegen an die sowjetische Besatzungszone, die von den US-Truppen aufgestellte Tafel wurde später entfernt. 1950 begann der Bau einer Gedenkstätte, 1953 wurden Überreste der Feldscheune als Gedenkmauer eingeweiht. Eine Ausstellung im Stadtmuseum Gardelegen eröffnete 1963. Die Mahn- und Gedenkstätte »Isenschnibber Feldscheune« wurde 1973 um eine Bronzeplastik von Jochen Sendler, die einen Häftling darstellt, ergänzt. Die Stadt ließ 1990 eine Kopie der amerikanischen Gedenktafel von 1945 wieder aufstellen. Die Ausstellung aus dem Jahr 1963 wurde geschlossen.

Angebote

Führungen können beim Stadtmuseum Gardelegen gebucht werden.

Öffnungszeiten

jederzeit zugänglich

Kontakt

https://gedenkstaette-gardelegen.sachsen-anhalt.de/

info-isenschnibbe@erinnern.org

+49 (0)3907 775 908 12

An der Gedenkstätte 1
39638 Gardelegen