Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim

Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim


Ab Frühjahr 1940 diente das im oberösterreichischen Alkoven gelegene Schloss Hartheim als »Euthanasietötungsanstalt«. Etwa 30.000 Menschen wurden in der Gaskammer der Anstalt zwischen 1940 und 1944 ermordet. 1969 entstanden im Schloss Gedenkräume für die Opfer. Der »Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim« eröffnete 2003.

Geschichte

Bis 1938 war in Schloss Hartheim ein Pflegeheim für bis zu 200 geistig und körperlich behinderte Menschen untergebracht. 1939 musste der Eigentümer, der Oberösterreichische Landeswohltätigkeitsverein, die Einrichtung an die NS-Behörden abtreten. Mitarbeiter der »Aktion T4« richteten dort im Frühjahr 1940 eine »Euthanasietötungsanstalt« ein. Die »Aktion T4«, die von Berlin aus zentral organisiert war, hatte die Tötung geistig Behinderter zum Ziel.
In Hartheim begannen die Tötungen im Rahmen von T4 im Mai 1940. Unter Leitung des Linzer Psychiaters Dr. Rudolf Lonauer wirkten in der Anstalt Ärzte, Pflegepersonal, Kriminalbeamte und SS-Angehörige an der Ermordung »lebensunwerten Lebens« mit. Zu den ersten Opfern gehörten die früheren Patienten des bis 1938 im Schloss beherbergten Pflegeheims. Ab Mai 1940 transportierten Mitarbeiter von T4 tausende Patienten aus Pflegeanstalten in Österreich und Bayern nach Hartheim. Die Menschen, insgesamt etwa 18.200, wurden in der Gaskammer der Anstalt mit Kohlenmonoxid erstickt. Im August 1941 veranlasste die NS-Führung offiziell den Abbruch der Aktion, nicht zuletzt wegen öffentlicher Proteste von Kirchen und betroffenen Familien.
Die Tötungen in Hartheim gingen jedoch weiter: Mindestens 8.000 arbeitsunfähige oder missliebige Häftlinge aus den Konzentrationslagern Dachau, Mauthausen und Gusen wurden in Hartheim ermordet (»Aktion 14f13«). In einer weiteren »Aktion« ermordete das Anstaltspersonal Zwangsarbeiter aus Osteuropa, die als arbeitsunfähig galten.
1944/45, gegen Ende des Krieges, wurden die Vernichtungsanlagen in Schloss Hartheim abgebaut und Spuren der Tötungen beseitigt.

Opfergruppen

Über 18.200 Patienten aus Pflegeanstalten wurden zwischen Mai 1940 und August 1941 in Schloss Hartheim bei der »Aktion T4« ermordet.
Außerdem tötete das Anstaltspersonal zwischen 1941 und 1944 8.000 bis 10.000 Häftlinge aus den Konzentrationslagern Dachau, Mauthausen und Gusen sowie als »arbeitsunfähig« eingestufte osteuropäische Zwangsarbeiter.


Erfahre mehr über Österreich

Am 12. März 1938 rückte die deutsche Wehrmacht unter dem Jubel zahlreicher Einwohner in die Republik Österreich ein. Am folgenden Tag wurde der »Anschluss« des Landes an das Deutsche Reich proklamiert, das fortan »Ostmark« hieß. Einheimische Nationalsozialisten begannen umgehend mit der Verfolgung der jüdischen Minderheit und von Regimegegnern. Ab Mai 1938 besaßen die deutschen antijüdischen Gesetze auch im eingegliederten Österreich Gültigkeit. Bis Ende 1939 gelang über 126.000 Juden, meist aus Wien, die Flucht. Bereits im Herbst 1939 begannen erste Deportationen österreichischer Juden in das besetzte Polen. Bis 1945 verschleppte die SS fast 48.600 Juden aus Österreich und 16.600 weitere, die in anderen Ländern Zuflucht gefunden hatten, in den besetzten Osten, wo sie fast ausnahmslos ermordet wurden. Über 40.000 nichtjüdische Zivilisten fanden den Tod, darunter über 8.000 aus dem Burgenland verschleppte Sinti und Roma. 1945 teilten die Alliierten das Land in vier Besatzungszonen auf. Die sowjetische Besatzungsmacht errichtete ein »Befreiungsdenkmal« in Wien. Die Vertreter der provisorischen Allparteienregierung Österreichs aus Sozialisten, Kommunisten und Volkspartei nutzten dessen Übergabe am 19. August 1945, um Österreich als »das erste freie Land, das der Hitlerischen Aggression zum Opfer gefallen ist«, zu bezeichnen. Diese Haltung fand für Jahrzehnte breiten Widerhall in Politik und Bevölkerung. In den 1960er Jahren begannen allerdings heftige Auseinandersetzungen über die Beteiligung von Österreichern am Nationalsozialismus. Sie fanden bei einer Demonstration im März 1965 ihren Tiefpunkt, als ein rechtsextremer Student dem ehemaligen KZ-Häftling Ernst Kirchweger (*1898) tödliche Verletzungen zufügte. Kirchweger war das erste politische Todesopfer in Österreich nach 1945. In der Folgezeit wurden in der österreichischen Öffentlichkeit vermehrt Stimmen laut, die vor einer Verharmlosung der Jahre 1938 bis 1945 warnten. Mehrfach erschütterten Skandale um politisch Verantwortliche und deren Vergangenheit das Land, so während der »Waldheim-Debatte« zwischen 1986 und 1992. Der Vorwurf, der österreichische Bundespräsident und ehemalige UNO-Generalsekretär Kurt Waldheim (1918–2007) sei an Kriegsverbrechen auf dem Balkan beteiligt gewesen, spaltete das Land. Waldheim konterte, er habe »wie hunderttausend andere Österreicher« lediglich seine Pflicht getan. Erst Anfang der 1990er gestand der damalige Bundeskanzler Franz Vranitzky (*1937) eine österreichische Mitschuld am Holocaust ein. Bereits 1963 nahm das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands seine Arbeit auf, das die Geschichte des Holocaust und den Rechtsextremismus in Österreich untersucht sowie eine kleine Ausstellung zeigt. Die 1970 in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen eröffnete Dauerausstellung blieb für lange Zeit fast die einzige zur Geschichte des Nationalsozialismus in Österreich. 1983 beschloss der Wiener Gemeinderat, ein »Mahnmal gegen Krieg und Faschismus« zu errichten. Das durch den Bildhauer Alfred Hrdlicka (*1928) entworfene Erinnerungszeichen wurde 1991 eingeweiht, das »Mahnmal für die österreichischen jüdischen Opfer der Shoa« folgte 2000. Zeichen des staatlichen Umdenkens in Österreich sind Gesetze zur Entschädigung geraubten Eigentums, Entschädigungszahlungen an ehemalige Zwangsarbeiter sowie eine Historikerkommission, die zwischen 1998 und 2003 den Vermögensentzug während des Nationalsozialismus untersuchte. 2009 wurden ehemalige Deserteure der Wehrmacht juristisch rehabilitiert, 2014 ein Denkmal für sie eingeweiht.

Erinnerung

Bereits im Juli 1945, wenige Monate nach Kriegsende, verhörte das »US War Crime Investigation Team« (US-amerikanische Kommission zur Aufklärung von Kriegsverbrechen) Beteiligte und Zeugen der Morde in Hartheim. Die Untersuchungskommission fand auch die so genannte Hartheimer Statistik, in der Beteiligte die Tötungen dokumentiert hatten.
Nach 1945 kam Schloss Hartheim wieder in den Besitz des Oberösterreichischen Landeswohltätigkeitsvereins. Dieser richtete 1969 in dem ehemaligen Aufnahmeraum und in der Gaskammer Gedenkräume ein. 1995 gegründete sich der Verein Schloss Hartheim. Auf dessen Initiative hin entschied die Oberösterreichische Landesregierung 1997, das Gebäude zu renovieren und zu einer Bildungs- und Gedenkstätte zum Thema NS-»Euthanasie« und deren Opfer umzubauen. 2003 eröffnete der »Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim« mit einer Ausstellung unter dem Titel »Wert des Lebens«. Diese thematisiert den Umgang der Gesellschaft mit behinderten Menschen vom Beginn der Industrialisierung im späten 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart.

Angebote

Dauerausstellung mit Führungen für Schulklassen, wechselnde Ausstellungen, Bibliothek, Archiv, Dokumentationsstelle des oberösterreichischen Landesarchivs

Öffnungszeiten

Montag und Freitag: 9.00 bis 15.00,
Dienstag bis Donnerstag: 9.00 bis 16.00,
Sonntag und an Feiertagen: 10.00 bis 17.00,
Samstag geschlossen

Kontakt

http://www.schloss-hartheim.at

office@schloss-hartheim.at

+43 (0)7274 653 654 6

Schlossstraße 1
4072 Alkoven