Gedenkanlage Oflag 53

Karo Belaisvių Stovykla »Oflager 53«


Im memelländischen Pogegen (litauisch: Pagėgiai) erinnert seit 1977 eine Gedenkanlage und seit dem 8. Mai 2005 eine Granittafel an die etwa 10.000 sowjetischen Kriegsgefangenen des Offizierslagers (Oflag) 53, das hier wahrscheinlich zwischen Sommer 1941 und 1944 bestand.

Geschichte

Das Städtchen Pogegen liegt in jenem Teil der früheren Provinz Ostpreußen, der 1923 von Litauen besetzt und 1939 an das Deutsche Reich zurückgegeben wurde, und nach dem Einmarsch der Roten Armee 1944/45 dann bis zur Unabhängigkeit Litauens 1990/91 zur litauischen Sowjetrepublik gehört hat. Im Herbst 1939 und im Sommer 1941 war dieser östlichste Teil Deutschlands wegen seiner Nähe zur Grenze Aufmarschgebiet für die Angriffe der Wehrmacht auf Polen und auf die Sowjetunion. Zugleich wurden Lager für Kriegsgefangene – wie im memelländischen Heydekrug (litauisch: Šilutė) – eingerichtet.
Ein weiteres war das Offizierslager (Oflag) 53 in einem sechs Hektar großen Waldstück unweit von Pogegen. Über dieses Lager ist nur wenig bekannt. Litauische und russische Beiträge sprechen von einem Konzentrations-, einige englischsprachige Internetseiten gar von einem Todeslager. Auch von einem Außenkommando des Konzentrationslagers Buchenwald ist die Rede. Anfänglich sollen hier politische Gegner des Nationalsozialismus und Juden untergebracht gewesen sein. Für 1941/42 sind laut deutschen Quellen 7.151 Erkennungsmarkennummern von Soldaten nachweisbar. Schätzungen gehen von etwa 10.000, auch von bis zu 24.000 Häftlingen aus. Teilweise diente das Oflag 53 lediglich als Durchgangslager für den Weitertransport in den Westen des Reiches. Einige der Gefangenen wurden in der Umgebung zur Zwangsarbeit eingesetzt. Sogenannte Politkommissare und jüdische Soldaten der Roten Armee sollen gezielt ermordet worden sein. Wahrscheinlich gab es das Lager bis zum Herannahen der Front im Sommer 1944, auch wenn die meisten dieser sogenannten Russenlager auf Reichsgebiet bereits Mitte 1942 aufgelöst oder verlegt worden waren.

Opfergruppen

Bis zu 24.000 Soldaten der Roten Armee sollen im Oflag 53 bei Pogegen zwischen 1941 und 1944 gefangen gewesen sein, möglicherweise auch politische Gegner des Nationalsozialismus und Juden. Die Zahl der Todesopfer ist unbekannt, es sollen jedoch mindestens einige hundert »Politkommissare« und jüdische Soldaten der Roten Armee erschossen worden sein.

Erfahre mehr über Litauen

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges erlangte Litauen 1918 seine Unabhängigkeit vom Russischen Reich. Im Juni 1940 wurde das Land gemäß einem deutsch-sowjetischen Vertrag – dem so genannten Hitler-Stalin-Pakt – von der Roten Armee besetzt. Viele katholische Litauer machten pauschal Juden für den Verlust der Eigenstaatlichkeit und den sowjetischen Terror verantwortlich. Nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 überrollte die Wehrmacht das Land binnen kurzem. Bereits zwei Tage später führten deutsche Einheiten im grenznahen Garsden die erste Massenerschießung von Juden in diesem Feldzug durch. Litauische Nationalisten erschlugen in den ersten Kriegstagen hunderte Juden. Anschließend überfiel das deutsch-litauische »Rollkommando Hamann« Tag für Tag Ortschaften in Litauen und erschoss bis Ende 1941 beinahe sämtliche Juden auf dem Land und in Kleinstädten. Litauische SS-Einheiten und Polizeibataillone waren auch an Mordaktionen insbesondere auf belarussischem Gebiet beteiligt. Die Zahl der bis Sommer 1944 ermordeten litauischen Juden liegt zwischen 140.000 und 150.000 – fast 99 Prozent der jüdischen Bevölkerung des Landes in der Zwischenkriegszeit. Hinzu kommen etwa 70.000 jüdische Opfer aus dem Wilna-Gebiet, das nach der Zerschlagung PolensW im Herbst 1939 an Litauen zurückgegeben worden war. Der Terror richtete sich ab Sommer 1941 auch gegen meist kommunistische Kritiker und andere Minderheiten. Verschleppungen von Zwangsarbeitern in das Deutsche Reich setzten ein. Insgesamt etwa 170.000 nichtjüdische litauische Zivilisten fanden den Tod. Mit der Rückeroberung durch die Rote Armee 1944 wurde das Land erneut Teil der Sowjetunion. Tausende Litauer emigrierten, Tausende andere kämpften noch bis Ende der 1950er Jahre als Partisanen (»Waldbrüder«) gegen die sowjetische Besatzung. Insgesamt verschleppte der sowjetische Geheimdienst NKWD etwa 500.000 Litauer in das Innere der Sowjetunion. Das offizielle Litauen der Sowjetzeit gedachte vor allem der Helden des »Großen Vaterländischen Kriegs« und der prosowjetischen litauischen Patrioten, aber auch der ermordeten »friedliebenden Sowjetbürger und Kommunisten«. An einem der wichtigsten Orte des Massenmordes, dem IX. Fort in Kaunas, wurde 1958 ein Museum eingerichtet und 1984 ein monumentales Denkmalensemble aus Beton eröffnet. Seine Unabhängigkeit von Moskau erkämpfte sich das Land 1990/91 auch gegen russische Panzer mit 14 Toten. Anschließend wurden viele Monumente aus sowjetischer Zeit abgebaut, die jahrzehntelange Besatzung und der Widerstand rückten ins Zentrum der nationalen Erinnerung. Die Annexion Litauens durch die Sowjetunion 1940/41 und 1944 bis 1990 sowie die deutsche Besetzung wurden gleichgesetzt; wie in Lettland und Estland Okkupationsmuseen eingerichtet, deren inhaltlicher Schwerpunkt die Jahre des sowjetischen Terrors ist. Erst in den 1990er Jahren kam es zu einer breiten Diskussion über die litauische Beteiligung am Holocaust und 1998 zur Gründung einer Internationalen Kommission zur Bewertung der Verbrechen während des nationalsozialistischen und des sowjetischen Besatzungsregimes. Mittlerweile ist die litauische Erinnerungskultur immer vielfältiger. Eines der wichtigsten Institutionen ist das Jüdische Museum »Gaon von Wilna«. Am ehemaligen Massenerschießungsort Ponary (Paneriai) soll neben den Denkmälern auch ein Museumsbau entstehen. Bereits seit 2014 gibt es eine neue Dauerausstellung im Fort IX, während das Internetprojekt »Holocaust Atlas of Lithuania« detaillierte Informationen über die Orte der Massenerschießungen im ganzen Land anbietet.

Erinnerung

1964 wurden auf dem Gelände des früheren Oflag 53 bei Pogegen Forschungen durchgeführt und dabei viele menschliche Überreste entdeckt. 1977 eröffnete eine Gedenkanlage (»Memorialkomplex«), die Gediminas Baravykas (1940–1995) unter Einbezug einer Skulptur von Steponas Šarapovas (1936–1981) gestaltet hat.
Im Vorfeld des 60. Jahrestages des Kriegsendes – von den im unabhängigen Litauen verbliebenen Russen als »Tag des Sieges« begangen – stellte die litauische Regierung 87.000 Litai (knapp 30.000 Euro) für die Erneuerung des Erinnerungsorts zur Verfügung. Nach Vorlagen des Künstlers Stasys Krasauskas (1929–1977) wurde eine schwarze Granittafel geschaffen, die auf Litauisch, Russisch und Englisch dem »ewigen Gedenken an die Opfer des Faschismus 1941–1945« gewidmet ist. Diese ersetzte die Gedenktafel aus sowjetischer Zeit. Am 8. Mai 2005 weihten der damalige litauische Ministerpräsident Algirdas Brazauskas (1932–2010) und der Generalkonsul der Russischen Föderation in Memel (litauisch: Klaipėda), Michael Torschin, die neue Tafel gemeinsam ein. Ein orthodoxer Priester segnete das Denkmal und betete für den Seelenfrieden der toten Kriegsgefangenen. Am 8./9. Mai finden jährlich Treffen russischer und litauischer Veteranen der Roten Armee am Ort statt.

Öffnungszeiten

Die Gedenkanlage ist jederzeit zugänglich.

Kontakt

http://www.silaine.lt/2008/2008-04-08/Oflager-07.htm