In der ukrainischen Hafenstadt Odessa am Schwarzen Meer zeigt ein 2002 von der jüdischen Gemeinde eröffnetes Museum die Geschichte der Juden von Odessa.
Geschichte
Vor dem Zweiten Weltkrieg lebten in Odessa etwa 180.000 Juden, mehr als ein Drittel der Gesamtbevölkerung. Nach mehrwöchiger Belagerung nahmen am 16. Oktober 1941 deutsche und mit ihnen verbündete rumänische Truppen die Stadt ein. Von nun an stand Odessa unter rumänischer Besatzung – die Stadt wurde Hauptstadt des Gebiets Transnistrien, das die Rumänen kontrollierten. Ein Teil der Juden hatte noch vor der Belagerung fliehen können, wahrscheinlich befanden sich am Tag der Besetzung zwischen 80.000 und 100.000 Juden in der Stadt. Mit den rumänischen Truppen zog das Sonderkommando (SK) 11b unter dem Befehl von Bruno Müller in Odessa ein. Am darauf folgenden Tag zwangen die Rumänen die Juden dazu, sich registrieren zu lassen. Viele wurden verhaftet, jüdische Intellektuelle sofort hingerichtet. Als am 22. Oktober 1941 eine Bombe in einem Verwaltungsgebäude explodierte und dabei 67 Personen tötete, darunter mehrere rumänische und deutsche Offiziere, reagierte die Besatzungsmacht brutal: Kurz nach dem Anschlag verfolgten rumänische Soldaten Juden in der gesamten Stadt und erschossen oder erhängten sie. Auf einem abgesperrten Teil des Hafens erschossen rumänische Soldaten zwischen 10.000 und 23.000 Juden. Auch das SK 11b beteiligte sich an den Massakern am 23. Oktober. Die rumänische Gendarmerie brachte etwa 2000 verhaftete Juden an einen stillgelegten Brunnenschacht. Hier erschoss das SK alle Juden, die Leichen fielen in den Schacht. Ende Oktober 1941 mordeten die Rumänen außerhalb der Stadt weiter: Zwischen 16.000 und 20.000 Juden aus Odessa wurden in den Ort Dalnik getrieben und dort ermordet. Anfang November wurden die 35.000 verbliebenen Juden in zwei Ghettos zusammengedrängt, viele von ihnen starben. Ende 1941 wurden alle Ghettobewohner nach Transnistrien, den rumänisch besetzten Teil der Ukraine deportiert und im Lager Bogdanowka ermordet. Etwa 20.000 Juden gelangten in deutsches Siedlungsgebiet, wo der »Volksdeutsche Selbstschutz« viele von ihnen ermordete.
Opfergruppen
Rumänische Soldaten und Verbände der Einsatzgruppe D ermordeten mindestens 70.000 Juden. Etwa 20.000 Juden wurden aus dem Ghetto deportiert und kamen in Transnistrien um.
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Ukraine
Die Ukraine, die zweitgrößte Republik der ehemaligen Sowjetunion, war einer der Hauptschauplätze des Zweiten Weltkriegs und des Holocaust. Die Zahl der ukrainischen Todesopfer wird auf fünf bis sechs Millionen Menschen geschätzt, darunter Hunderttausende Juden.
Mitte September 1939, nach der sowjetischen Besetzung Ostpolens entsprechend einem deutsch-sowjetischen Geheimabkommen – dem Hitler-Stalin-Pakt –, kamen die südöstlichen Regionen Polens zur Sowjetukraine. Repressionen gegen die einheimische Bevölkerung gehörten fortan zum Alltag. Im Sommer 1941 traf der deutsche Angriff auf die Sowjetunion zunächst genau diese Gebiete. Schon in den ersten Tagen wurde die jüdische Bevölkerung als angebliche Stütze der Sowjetmacht Ziel blutiger Übergriffe. Sie gingen häufig von national gesinnten Ukrainern aus, die den Vormarsch der Wehrmacht zunächst begrüßten. Bald darauf begannen deutsche SS-Einsatzgruppen und verbündete rumänische Einheiten mit Massenerschießungen von Juden. Die Schlucht von Babij Jar (ukrainisch Babyn Jar) nahe Kiew, wo deutsche Einheiten und ukrainische Miliz an zwei Tagen im September 1941 mehr als 33.700 Juden ermordeten, ist heute ein weltweites Symbol für den Völkermord an den Juden. Auch die nichtjüdische Bevölkerung geriet ins Visier der Verfolger. In der nationalsozialistischen Rassenideologie galten Ukrainer wie alle »Slawen« als »Untermenschen«. Die Besatzer plünderten das Land, verschleppten weit über eine Million Zivilisten zur Zwangsarbeit und verübten öffentliche Geiselmorde. Ab 1943 tobte nicht nur ein Partisanenkrieg gegen die Wehrmacht, sondern auch der Kampf der nationalistischen »Ukrajinska Powstanska Armija« (Ukrainische Aufstandsarmee = UPA) gegen die Sowjets und die polnische Bevölkerung der Westukraine. Weit über 100.000 Polen fanden hierbei den Tod. 1944 wurde die Ukraine wieder sowjetisch und umfasst seitdem auch ehemals ostpolnische Regionen. Die UPA setzte ihren Kampf bis Mitte der 1950er Jahre fort. Die sowjetischen Behörden verschleppten rund 300.000 Ukrainer nach Sibirien, um diesen Widerstand zu brechen.
Die Gedenkkultur war an der sowjetischen Symbolsprache ausgerichtet. Es entstanden monumentale Gedenkanlagen zur Feier des »Sieges« im Großen Vaterländischen Krieg. Erst in jüngerer Zeit trat neben die Heldenverehrung auch das Opfergedenken. In der Westukraine hat sich zudem eine Erinnerungskultur an den Kampf der UPA entwickelt, der als Unabhängigkeitskampf interpretiert wird. Eine Aufarbeitung der Kollaboration mit den deutschen Besatzern und des Antisemitismus hat erst um 2000 begonnen. Die Massenerschießungen an Juden wurden, mit wenigen Ausnahmen, bis in die 1980er Jahre übergangen. Erst die Regierung der unabhängigen Ukraine erkannte 1991 Babyn Jar als »Symbol jüdischen Märtyrertums« an. Die Ukraine war auch lange nach der Erlangung der Unabhängigkeit auf der Suche nach ihrer eigenen Identität. Die Dokumentation der sowjetischen Verbrechen – wie die staatlich herbeigeführte Hungerkatastrophe 1932/33 mit Millionen Toten (Holodomor) – hat größere Bedeutung als die Aufklärung über den Holocaust. Dennoch entstanden überall im Land neue Gedenkorte in Erinnerung an die ermordeten Juden, wie etwa die Gedenkstätte Drobizkij Jar in Charkiw oder das Holocaustmuseum in Odessa. An zahlreichen Massengräbern entstanden neue Denkmäler, teils mit Unterstützung aus Deutschland. In Kiew sollte bei der ehemaligen Massenerschießungsstätte Babyn Jar eine große Holocaustgedenkstätte mit weltweiter Ausstrahlung entstehen. Diese Pläne wurden mit dem großangelegten russischen Angriff auf die Ukraine vom 24. Februar 2022 auf Eis gelegt. Welche Auswirkungen der Verteidigungskrieg in Zukunft auf die Holocausterinnerung haben wird, bleibt abzuwarten.
Erinnerung
Die jüdische Gemeinde von Odessa eröffnete 2002 das Jüdische Museum Odessa »Migdal Schoraschim«. Das Museum ist das einzige seiner Art in Odessa, nach Angaben des Museums sogar das einzige in der ganzen Ukraine. In der Ausstellung wird die Geschichte der jüdischen Gemeinde von Odessa gezeigt, die bis 1941 eine der größten jüdischen Gemeinden Europas war. Das Museum zeigt neben Alltagsgegenständen vor allem Fotos und Dokumente.
Öffnungszeiten
Täglich 13.00 bis 19.00
Sonntags 10.00 bis 16.00
Freitags, samstags und an jüdischen Feiertagen geschlossen