Historisches Museum des Widerstandes / Nationaler Friedenspark

Museo Storico della Resistenza / Parco Nazionale della Pace


Am 12. August 1944 wurden im toskanischen Sant'Anna di Stazzema 560 Zivilisten – vor allem Frauen, Alte und Kinder – ermordet und das Dorf zerstört. Verschiedene Einrichtungen vor Ort gedenken der Opfer dieses Massakers: ein Museum, ein Denkmal und seit 2000 auch ein »Nationaler Friedenspark«.

Geschichte

Als im Sommer 1944 die Front durch die toskanische Küstenlandschaft Versilia verlief, flüchteten Tausende vor den Kämpfen in abgelegene Bergdörfer wie Sant’Anna di Stazzema, das nur über kleine Pfade zu erreichen war. Die Bevölkerung dort war von 400 auf 1.500 angewachsen. Obwohl die toskanischen Berge auch Widerstandskämpfern Schutz boten, gibt es keine Hinweise darauf, dass sich in Sant’Anna Partisanen versteckt gehalten hätten.
Gleichzeitig war die Gegend Schauplatz von mehreren Massakern an der Zivilbevölkerung, die unter dem Vorwand der »Partisanenbekämpfung« von der 16. SS-Freiwilligen-Panzergrenadier-Division »Reichsführer SS« unter dem Kommando des SS-Gruppenführers Max Simon begangen wurden. Am Morgen des 12. August umzingelten vier Kompanien, etwa 300 Soldaten, das Dorf. Die Truppenbewegungen wurden im Ort bemerkt. Die Bewohner gingen davon aus, dass eine Polizeiaktion auf der Suche nach Männern im wehrfähigen Alter bevorstand. Die meisten Männer flüchteten daher in die Wälder, während im Dorf vor allem Kinder, Frauen und Alte zurückblieben. Die Angehörigen der SS richteten jedoch ein Blutbad an: bis zu 560 Zivilisten wurden unter Einsatz von Maschinenpistolen, Handgranaten, Flammenwerfern und Stichwaffen ermordet. Die Truppen zerstörten die Kirche und viele Häuser, und setzten die Leichen auf dem Kirchplatz in Brand.

Opfergruppen

Die Toskana ist eine der Regionen Italiens, die am stärksten Gewalt und Terror von deutschen Besatzungseinheiten ausgesetzt waren. Nicht nur Mitglieder der SS, sondern auch Wehrmachts- und Luftwaffenangehörige begingen dort in über 280 Fällen Massaker an der Zivilbevölkerung, vor allem zwischen April und August 1944. 83 Gemeinden waren betroffen, etwa 4.500 Zivilisten wurden ermordet. Mindestens 10.000 Menschen wurden zur Zwangsarbeit ins Deutsche Reich verschleppt. In Sant’Anna di Stazzema wurden 560 Menschen ermordet, vorwiegend Frauen, Alte und Kinder.

Erfahre mehr über Italien

Das Königreich Italien wurde seit 1922 von Benito Mussolini (1883–1945), dem »Duce« (Führer), und seiner faschistischen Partei diktatorisch regiert. Bis Mitte der 1930er Jahre spielte Antisemitismus in der Öffentlichkeit kaum eine Rolle; diskriminierende Maßnahmen wurden erst 1938 eingeführt. Zu diesem Zeitpunkt lebten über 46.000 Juden in Italien. Das italienische Staatsgebiet umfasste damals auch die Halbinsel Istrien sowie einige heute griechische Inseln, darunter Rhodos mit seiner traditionsreichen jüdischen Gemeinde. Die italienische Regierung, enger Verbündeter des Deutschen Reiches, beteiligte sich bis zum Herbst 1943 nicht an Massendeportationen von Juden in deutsche Vernichtungslager. Erst als das Land von Norden her durch die deutsche Wehrmacht besetzt wurde – der Süden war bereits durch amerikanische und britische Truppen befreit –, begann der deutsche SS- und Polizeiapparat, den Plan der systematischen Ermordung der italienischen Juden umzusetzen. Über eine Zwischeninternierung wurden die Menschen durch halb Europa nach Auschwitz deportiert, viele von ihnen unmittelbar danach in die Gaskammern getrieben. Die Zahl der ermordeten oder gewaltsam zu Tode gekommenen Juden aus Italien (ohne die italienisch besetzten Gebiete) beträgt zwischen 7.000 und 8.500 Personen. Zehntausende italienische Juden und jüdische Flüchtlinge konnten sich durch Emigration retten oder versteckten sich mit Hilfe von Nichtjuden. Über 2.000 gerieten nicht mehr in den deutschen Machtbereich, weil sie in Süditalien rechtzeitig durch die Alliierten befreit wurden. Von 1943 bis 1945 kam es in Norditalien zu heftigen Kämpfen zwischen den deutschen Besatzern und italienischen Partisanen der kommunistisch dominierten Widerstandsbewegung »Resistenza«. Die deutschen Truppen reagierten mit grausamen Vergeltungsmaßnahmen und Massakern, zum Beispiel in Marzabotto und den Ardeatinischen Höhlen bei Rom. Insgesamt fanden während des Zweiten Weltkrieges über 400.000 Italiener – Soldaten, Zivilisten und Partisanen – den Tod. Nach Kriegsende wurde der Partisanenkampf zum zentralen Aspekt italienischen Selbstverständnisses und in der Erinnerungskultur zum Mythos der eigenen Befeiung vom Faschismus. Eine Auseinandersetzung mit der weitverbreiteten Unterstützung Mussolinis im eigenen Land unterblieb meist. Die bekannten Gedenkorte, wie das frühere Konzentrationslager Risiera di San Sabba bei Triest oder die Einrichtungen in Marzabotto und den Ardeatinischen Höhlen, sind – wie auch zahlreiche Museen – dem Widerstand gewidmet. Erinnerungsstätten auf dem Gelände früherer Internierungslager für Juden sind dagegen selten und gedenken eher der Retter als der Verfolgten, wie es die Villa Emma in Nonatola zeigt, in der versteckte jüdische Kinder überlebten. Die Ausrichtung auf Menschenrechtserziehung, die auf Gegenwart und Zukunft bezogen ist, stellt das Bindeglied vieler dieser Einrichtungen dar. Mittlerweile rückt die Erinnerung an die deportierten und ermordeten Juden mehr in den Vordergrund. 2013 eröffnete die Memoriale della Shoah di Milano am Mailänder Hauptbahnhof. Die Errichtung eines zentralen Holocaustdenkmals in Rom wurde 2023 beschlossen.

Erinnerung

Unmittelbar nach dem Krieg waren die überlebenden Einwohner von Sant'Anna di Stazzema vor allem um den Wiederaufbau des Dorfes bemüht. 1948 entstand ein erster Gedenkort, zahlreiche Erinnerungszeichen folgten später.
Es wurde zunächst ein Beinhaus errichtet, in dem die Opfer beigesetzt wurden. 1975 entstand in Sant'Anna di Stazzema das »Regionale Zentrum des Widerstandes« (italienisch: »Centro Regionale della Resistenza«). 1982 kam eine Gemäldesammlung hinzu, die 1991 zu einem »Historischen Museum des Widerstands« erweitert wurde. 2000 eröffnete ein Friedenspark, der internationale Friedensinitiativen unterstützen soll.
2007 wurde in der Dorfkirche eine durch Spenden aus Deutschland und Italien finanzierte »Friedensorgel« eingeweiht.
Eine vollständige juristische Aufarbeitung steht noch aus. Max Simon wurde zwar 1948 unter anderem für das Verbrechen von Sant’Anna zum Tode verurteilt; später wurde seine Strafe in lebenslange Haft umgewandelt. Andere Täter blieben bis in die 1990er Jahre unbehelligt, weil deutsche Kriegsverbrechen in Italien aus Rücksicht auf den NATO-Verbündeten Bundesrepublik Deutschland während des Kalten Krieges kaum verfolgt wurden. Erst 1994 wurde bei der Militärstaatsanwaltschaft in Rom der »Schrank der Schande« entdeckt, ein seit 1960 unter Verschluss gehaltenes Archiv zu deutschen Kriegsverbrechen. Anhand der Materialien wurden zehn Verantwortliche für das Massaker von Sant’Anna ermittelt und in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt. Sie mussten ihre Strafe jedoch nicht antreten, da das Grundgesetz der Bundesrepublik die Auslieferung deutscher Staatsangehöriger verbietet. 2002 nahm die Staatsanwaltschaft Stuttgart eigene Ermittlungen gegen die mutmaßlichen Täter auf. Diese wurden im Oktober 2012 unter Hinweis auf einen Mangel an Beweisen eingestellt.

Angebote

Dauerausstellung, Videoproduktionen, Filmsammlung,
Führungen, Zeitzeugengespräche, Jugendbegegnungen

Öffnungszeiten

Museum: Oktober bis Mai dienstags und mittwochs 9.00 bis 14.00, donnerstags bis samstags 9.00 bis 17.30, sonntags 14.30 bis 18.00
Juni bis September dienstags und mittwochs 9.00 bis 14.00, donnerstags bis samstags 9.30 bis 18.00, sonntags 15.00 bis 18.30
Der Park ist uneingeschränkt zugänglich.

Kontakt

http://www.santannadistazzema.org/

santannamuseo@comune.stazzema.lu.it

+39 0584 772 025

Via Coletti 22
55041 Sant’Anna di Stazzema