Haus-Museum »Dimitar Peschew«

Музей »Димитър Пешев«


In seiner Geburtsstadt Kjustendil ist dem Leben des Vizepräsidenten des bulgarischen Parlaments Dimitar Peschew ein Museum gewidmet. 1943 widersetzte er sich öffentlich den Plänen zur Deportation der bulgarischen Juden.

Geschichte

Bereits im September 1939 verwies die bulgarische Regierung alle ausländischen Juden des Landes. Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes »zum Schutz der Nation« im Januar 1941 begann in Bulgarien die Ausgrenzung der Juden. Sie mussten einen Gelben Stern als Kennzeichnung tragen, wurden enteignet und aus den Städten verbannt. Tausende jüdische Männer leisteten unter schwersten Bedingungen Zwangsarbeit in Lagern. Außerdem stimmte Bulgarien der Deportation jüdischer Staatsbürger im Ausland nach Auschwitz zu.
Nach dem Einmarsch der Wehrmacht in Jugoslawien und Griechenland im Frühjahr 1941 besetzte Bulgarien die griechische Region Thrakien, Teile Mazedoniens und Serbiens. Obwohl das Land nicht von der Wehrmacht besetzt war, nahmen im März 1943 bulgarische Behörden in diesen Gebieten fast 11.500 Juden gefangen und übergaben sie der SS, die sie ins Vernichtungslager Treblinka im besetzten Polen verschleppte und dort ermordete. Auch im bulgarischen Kernland wurden Verhaftungen durchgeführt. Nachdem am 8. März 1943 bereits Waggons für Transporte in die Vernichtung bereitgestellt worden waren, setzte sich der stellvertretende Parlamentspräsident Dimitar Peschew (1894–1973) am Tag darauf bei Innenminister Gabrowski und Zar Boris III. für den Verbleib der Juden in Bulgarien ein. Anschließend arbeitete Peschew ein Manifest zur Beendigung antijüdischer Maßnahmen aus, das er und 42 weitere Abgeordnete unterzeichneten und das er am 17. März dem Leiter der Staatskanzlei überreichte. Proteste seitens der Politik und der Kirche verhinderten schließlich die geplante Verschleppung. Ein Grund für den Erfolg dürfte auch der sich abzeichnende militärische Sieg der Alliierten gewesen sein.
Die nach dem Krieg von den Sowjets eingesetzte kommunistische Regierung verurteilte Peschew Anfang 1945 zu 15 Jahren Haft. Er wurde nach 1,5 Jahren begnadigt und lebte danach zurückgezogen. Wenige Wochen vor seinem Tod ehrte die israelische Gedenkstätte Yad Vashem Peschew als »Gerechter unter den Völkern«.

Opfergruppen

Das Museum ist Dimitar Peschew und der »Rettung der bulgarischen Juden« gewidmet. Nichtsdestotrotz war auch Bulgarien an der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik beteiligt: Ab März 1943 lieferte Bulgarien 11.393 Juden aus Thrakien (heute Griechenland), Mazedonien und der Stadt Pirot (heute Serbien) an die SS aus, die sie im Vernichtungslager Treblinka ermordete.

Erfahre mehr über Bulgarien

1934 errichtete der seit 1918 regierende Boris III. (1894–1943) in Bulgarien ein autoritäres Regime. Mit dem »Gesetz zum Schutz der Nation« Ende 1940 wurden Juden zu Bürgern minderen Rechts. Im Zweiten Weltkrieg gehörte das Land zu den Verbündeten Deutschlands. Am 1. März 1941 trat es dem Dreimächtepakt (Deutschland, Japan, Italien) bei. Im Jahr zuvor hatte Bulgarien auf deutsche Initiative einen Teil der Landschaft Dobrudscha an der Schwarzmeerküste von Rumänien zurückerhalten, und im Frühjahr 1941 gelang es dem Land erneut, seine Einflusszone zu erweitern: Nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Jugoslawien und Griechenland besetzte Bulgarien die griechische Region Thrakien, Teile Nordmazedoniens und Serbiens. Im März 1943 nahmen bulgarische Behörden 11.500 der in diesen Besatzungsgebieten lebenden Juden gefangen und übergaben sie dem deutschen SS-Apparat, der sie in die deutschen Vernichtungslager im besetzten Polen verschleppte und dort ermordete. Auch in Bulgarien selbst, wo etwa 50.000 Juden lebten, wurden Verhaftungen durchgeführt. Ihre Verschleppung konnte durch Proteste unter den politischen Parteien – besonders des stellvertretenden Parlamentspräsidenten Dimitar Peschew (1894–1973) – und in der Kirche, wohl mit Zustimmung von Boris III., verhindert werden. Dennoch mussten Juden einen Gelben Stern als Kennzeichnung tragen, wurden enteignet und aus den Städten verbannt. Tausende jüdische Männer leisteten Zwangsarbeit in Lagern. Die Forschung rechnet mit mindestens Tausend weiteren bulgarischen Juden, die die Verfolgung im Land und im deutschen Machtbereich nicht überlebten. Im September 1944 erklärte die Sowjetunion Bulgarien den Krieg; kurz darauf marschierte die Rote Armee ein. Die Macht im Land übernahm die von Kommunisten dominierte »Vaterländische Front« und übte Rache. Ein »Volkstribunal« verhängte in 135 Prozessen etwa 2.500 Todesurteile gegen politische Gegner, über 28.000 Menschen verschwanden spurlos. Auch die Erinnerungskultur wurde vom neuen Regime bestimmt. Der Figur des »faschistischen« Zaren Boris III. wurde der Führer der kommunistischen Partei Bulgariens, Georgi Dimitroff (1882–1949), entgegengesetzt, um den ein ausufernder Personenkult betrieben wurde. Dimitroff hatte 1933 wegen des Reichstagsbrandes in Berlin vor dem Leipziger Reichsgericht gestanden und sich seinen Freispruch in diesem vom nationalsozialistischen Regime geplanten Schauprozess erstritten. Sein damaliger Triumph galt nach 1944 als Beleg für den langen antifaschistischen Kampf der Bulgaren; dass die einheimischen Partisanengruppen lange Zeit keine Verankerung in der Bevölkerung besaßen, drang erst nach 1991 an die Öffentlichkeit. Auch der Völkermord an den europäischen Juden und der Einsatz von Peschew für die bulgarischen Juden wurden zu kommunistischer Zeit nicht besonders hervorgehoben. Im Gegenteil: Die Partei nahm für sich in Anspruch, die »Rettung« erkämpft zu haben. Mittlerweile erinnern Gedenkorte an den Einsatz für die bulgarischen Juden; seit 2002 befindet sich in Kjustendil ein Museum für Peschew. In den Darstellungen wird jedoch der Mythos einer Nation der Retter gepflegt. Eine differenzierte Sicht auf die Widersprüche der bulgarischen Politik gegenüber Juden im Zweiten Weltkrieg – die Haltung des Zaren, der Umgang mit ihnen in Bulgarien, die Auslieferung von Juden mit bulgarischem Pass im Ausland, der Juden aus Thrakien und Mazedonien, der Auswanderungsdruck nach Kriegsende – hat sich bislang nicht durchgesetzt.

Erinnerung

Jahrzehntelang war die Geschichte um Dimitar Peschew weitgehend unbekannt. Das kommunistische Regime verschwieg Peschews Taten bewusst, um die angebliche Rolle der Kommunisten bei der Rettung der bulgarischen Juden in den Vordergrund zu stellen. Das änderte sich erst 1998, als ein Buch des italienischen Journalisten Gabriele Nissim zu Peschew erschien.
2001 wurde zu Ehren Peschews eine Statue aus Sandstein in einem nach ihm benannten Park im Zentrum Kjustendils aufgestellt.
Zwei Jahre später, am 9. März 2003, wurde das Museum Dimitar Peschew feierlich eröffnet. Die Forschungsarbeiten und den Nachbau des Geburtshauses von Peschew finanzierte die »Union der bulgarischen Juden« in Israel. Peschews Nichte Kaluda Kiardjieva steuerte persönliche Dokumente und Einrichtungsgegenstände ihres Onkels aus dem Besitz der Familie bei. Bei dem Gebäude handelt es sich um eine Rekonstruktion, die sich nicht am ursprünglichen Standort, sondern im Stadtzentrum befindet. Die Ausstellung umfasst drei Räume mit insgesamt 150 Quadratmetern: die Darstellung jüdischen Lebens in Bulgarien seit der Verleihung der Bürgerrechte 1878, die Biografie und das Handeln Dimitar Peschews sowie das Leben der Juden in Kjustendil seit 1943.
Im Garten der Erinnerungsstätte steht die Skulptur »Generationen« des israelischen Künstlers Simcha Beracha als Sinnbild der Zeitzeugen und ihrer Nachkommen.

Angebote

Führungen auf Bulgarisch und Englisch nach Voranmeldung

Öffnungszeiten

Mittwoch bis Sonntag 9.00 bis 17.00

Kontakt

http://www.kyustendilmuseum.primasoft.bg/

rmuseum.kn@mail.bg

+ 359(0)78 551 811

Zar-Simeon-I.-Straße 11
2500 Kjustendil