Gestapohaus – Europahaus

Gestapohaus – Europahaus


Nach dem »Anschluss« Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 richtete die Geheime Staatspolizei (Gestapo) eine Dienststelle in Wiener Neustadt, einer Stadt in Niederösterreich südlich von Wien, ein. Unmittelbar darauf folgten die ersten Verhaftungswellen: Mitarbeiter der Gestapo nahmen zahlreiche politische Gegner in »Schutzhaft«, viele von ihnen erlitten Folter und Misshandlungen. Außerdem beschlagnahmte und enteignete die Gestapo jüdisches Eigentum in großem Umfang. In dem ehemaligen Dienstgebäude der Gestapo ließ das Industrieviertelmuseum zu Beginn der 1990er Jahre eine Folterzelle rekonstruieren. Am 25. Oktober 1994 eröffnete ein Gedenkraum.

Geschichte

Im Zuge der Einverleibung Österreichs in das Deutsche Reich dehnte die Gestapo ihre Organisation sofort auf das neue Gebiet aus. Es entstand eine Gestapoleitstelle in Wien und zahlreiche Zweig- und Außenstellen. Ihre Aufgabe bestand vor allem in der Verfolgung politischer Gegner, die unmittelbar mit dem »Anschluss« Österreichs einsetzte.
Der Aufbau der Gestapo in Wiener Neustadt begann im März 1938. Mit dem »Anschluss« Österreichs führte die Gestapo in Wiener Neustadt bereits in der Nacht vom 12. auf den 13. März 1938 Verhaftungen durch, bei denen etwa 90 Menschen, politische Gegner und Juden in »Schutzhaft« genommenen wurden. Einige der Menschen kamen nach wenigen Tagen wieder frei, andere Häftlinge ließ die Gestapo direkt in die Arbeit- und Konzentrationslager einliefern, etwa in das KZ Dachau bei München.
Im Herbst 1938 bezog die Gestapo eine Villa im Stadtpark, die zuvor von den jüdischen Eigentümern beschlagnahmt worden war. Die Haupttätigkeit der Gestapo in Wiener Neustadt lag in der »politischen Gegnerbekämpfung«. Bis 1942 waren vor allem Anhänger der Christlichsozialen Partei betroffen. Danach rückte die Verfolgung von Kommunisten, Sozialdemokraten und anderen politischen Gegnern in den Vordergrund. Die Gestapo beteiligte sich außerdem an zahlreichen Hausdurchsuchungen bei der jüdischen Bevölkerung der Stadt und wirkte an der Beschlagnahmung und Enteignung jüdischen Eigentums mit.

Opfergruppen

Zahlreiche Menschen hielt die Gestapo in Wiener Neustadt ab 1938 zeitweise in »Schutzhaft«: Anhänger der Christlichsozialen Partei, Kommunisten, Sozialdemokraten, Juden und andere. Viele wurden Opfer von Folter und Misshandlung.

Erfahre mehr über Österreich

Am 12. März 1938 rückte die deutsche Wehrmacht unter dem Jubel zahlreicher Einwohner in die Republik Österreich ein. Am folgenden Tag wurde der »Anschluss« des Landes an das Deutsche Reich proklamiert, das fortan »Ostmark« hieß. Einheimische Nationalsozialisten begannen umgehend mit der Verfolgung der jüdischen Minderheit und von Regimegegnern. Ab Mai 1938 besaßen die deutschen antijüdischen Gesetze auch im eingegliederten Österreich Gültigkeit. Bis Ende 1939 gelang über 126.000 Juden, meist aus Wien, die Flucht. Bereits im Herbst 1939 begannen erste Deportationen österreichischer Juden in das besetzte Polen. Bis 1945 verschleppte die SS fast 48.600 Juden aus Österreich und 16.600 weitere, die in anderen Ländern Zuflucht gefunden hatten, in den besetzten Osten, wo sie fast ausnahmslos ermordet wurden. Über 40.000 nichtjüdische Zivilisten fanden den Tod, darunter über 8.000 aus dem Burgenland verschleppte Sinti und Roma. 1945 teilten die Alliierten das Land in vier Besatzungszonen auf. Die sowjetische Besatzungsmacht errichtete ein »Befreiungsdenkmal« in Wien. Die Vertreter der provisorischen Allparteienregierung Österreichs aus Sozialisten, Kommunisten und Volkspartei nutzten dessen Übergabe am 19. August 1945, um Österreich als »das erste freie Land, das der Hitlerischen Aggression zum Opfer gefallen ist«, zu bezeichnen. Diese Haltung fand für Jahrzehnte breiten Widerhall in Politik und Bevölkerung. In den 1960er Jahren begannen allerdings heftige Auseinandersetzungen über die Beteiligung von Österreichern am Nationalsozialismus. Sie fanden bei einer Demonstration im März 1965 ihren Tiefpunkt, als ein rechtsextremer Student dem ehemaligen KZ-Häftling Ernst Kirchweger (*1898) tödliche Verletzungen zufügte. Kirchweger war das erste politische Todesopfer in Österreich nach 1945. In der Folgezeit wurden in der österreichischen Öffentlichkeit vermehrt Stimmen laut, die vor einer Verharmlosung der Jahre 1938 bis 1945 warnten. Mehrfach erschütterten Skandale um politisch Verantwortliche und deren Vergangenheit das Land, so während der »Waldheim-Debatte« zwischen 1986 und 1992. Der Vorwurf, der österreichische Bundespräsident und ehemalige UNO-Generalsekretär Kurt Waldheim (1918–2007) sei an Kriegsverbrechen auf dem Balkan beteiligt gewesen, spaltete das Land. Waldheim konterte, er habe »wie hunderttausend andere Österreicher« lediglich seine Pflicht getan. Erst Anfang der 1990er gestand der damalige Bundeskanzler Franz Vranitzky (*1937) eine österreichische Mitschuld am Holocaust ein. Bereits 1963 nahm das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands seine Arbeit auf, das die Geschichte des Holocaust und den Rechtsextremismus in Österreich untersucht sowie eine kleine Ausstellung zeigt. Die 1970 in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen eröffnete Dauerausstellung blieb für lange Zeit fast die einzige zur Geschichte des Nationalsozialismus in Österreich. 1983 beschloss der Wiener Gemeinderat, ein »Mahnmal gegen Krieg und Faschismus« zu errichten. Das durch den Bildhauer Alfred Hrdlicka (*1928) entworfene Erinnerungszeichen wurde 1991 eingeweiht, das »Mahnmal für die österreichischen jüdischen Opfer der Shoa« folgte 2000. Zeichen des staatlichen Umdenkens in Österreich sind Gesetze zur Entschädigung geraubten Eigentums, Entschädigungszahlungen an ehemalige Zwangsarbeiter sowie eine Historikerkommission, die zwischen 1998 und 2003 den Vermögensentzug während des Nationalsozialismus untersuchte. 2009 wurden ehemalige Deserteure der Wehrmacht juristisch rehabilitiert, 2014 ein Denkmal für sie eingeweiht.

Erinnerung

Nach 1945 nutzten Jugendvereinigungen das ehemalige Gestapo-Gebäude, seit dieser Zeit trug das Gebäude den Namen Europahaus. 1964 wurde an der Rückseite des Gebäudes eine Gedenktafel angebracht, die an die Opfer der Gestapo erinnert. Heute befindet sich in der Villa ein Kindergarten und eine Jugendherberge.
Das »Museum und Archiv für Arbeit und Industrie im Viertel unter dem Wienerwald« ließ eine Folterzelle des Hauses rekonstruieren und 1992 zur Besichtigung freigegeben. Am 25. Oktober 1994 eröffnete ein Gedenkraum, der der Erinnerung an die Verbrechen der Gestapo und des nationalsozialistischen Regimes gewidmet ist.

Öffnungszeiten

Die Gedenkstätte ist ganzjährig geöffnet und frei zugänglich.

Kontakt

https://www.erinnern.at/gedaechtnisorte-gedenkstaetten/katalog/promenade_nr_1

industrieviertelmuseum@utanet.at

+43 (0)2622 260 15

Promenade Nr. 1
2700 Wiener Neustadt