Gedenkstein Erschießungsstätte auf dem jüdischen Friedhof Jurburg

Žydų žudynių vieta ir kapai Jurbarke


Auf dem jüdischen Friedhof von Jurburg (deutsch auch: Georgenburg, litauisch: Jurbarkas) steht seit Mitte der 1990er Jahre ein Denkmal für die im Holocaust ermordeten Juden der Stadt. Im Jahr 1941 erschoss die SS zusammen mit litauischen Kollaborateuren fast die gesamte jüdische Bevölkerung Jurburgs.

Geschichte

Jurburg liegt an der Memel im Südwesten Litauens; 1940 befand sich die Stadt an der damaligen Grenze zum Deutschen Reich. Zu diesem Zeitpunkt gehörten der örtlichen jüdischen Gemeinde etwa 1.900 Juden an. Sie stellten vierzig Prozent der Einwohner. Im selben Jahr besetzte die Sowjetunion Litauen. Auch in Jurburg unterdrückten die neuen Behörden die jüdische Kultur und beschlagnahmten Eigentum von Juden.
Am 22. Juni 1941 besetzte die deutsche Wehrmacht die Stadt. Bereits wenige Tage später erteilte der Leiter der SS-Einsatzgruppe A, Dr. Walther Stahlecker, den Befehl, Massenerschießungen von Juden im ehemaligen deutsch-litauischen Grenzgebiet durchzuführen. Auf dieser Grundlage erschossen SS-Angehörige und litauische Freiwillige auf dem jüdischen Friedhof in Jurburg 322 jüdische Männer. Innerhalb kurzer Zeit fanden weitere Massenerschießungen der SS statt, denen kleinere Gruppen Juden aus Jurburg und Umgebung zum Opfer fielen.
Die verbliebenen jüdischen Bewohner verpflichtete die SS zur Zwangsarbeit. Ihre Hauptaufgabe bestand darin, Massengräber auszuheben.
Anfang September ermordete die SS zusammen mit litauischen Helfern ungefähr 520 jüdische Frauen und Kinder in einem nahegelegenen Waldstück. Zuvor hatten litauische Helfer sie für drei Tage in der ehemaligen Jüdischen Schule von Jurburg eingesperrt. Bei den Erschossenen handelte es sich um die Familienangehörigen der im Juli 1941 getöteten 322 Männer.

Opfergruppen

Nach eigenen Angaben ließ die SS bis zum 6. September 1941 sämtliche jüdischen Einwohner von Jurburg ermorden. Andere Quellen berichten dagegen von Juden aus Jurburg, denen 1941 die Flucht vor den Massenerschießungen gelang.

Erfahre mehr über Litauen

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges erlangte Litauen 1918 seine Unabhängigkeit vom Russischen Reich. Im Juni 1940 wurde das Land gemäß einem deutsch-sowjetischen Vertrag – dem so genannten Hitler-Stalin-Pakt – von der Roten Armee besetzt. Viele katholische Litauer machten pauschal Juden für den Verlust der Eigenstaatlichkeit und den sowjetischen Terror verantwortlich. Nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 überrollte die Wehrmacht das Land binnen kurzem. Bereits zwei Tage später führten deutsche Einheiten im grenznahen Garsden die erste Massenerschießung von Juden in diesem Feldzug durch. Litauische Nationalisten erschlugen in den ersten Kriegstagen hunderte Juden. Anschließend überfiel das deutsch-litauische »Rollkommando Hamann« Tag für Tag Ortschaften in Litauen und erschoss bis Ende 1941 beinahe sämtliche Juden auf dem Land und in Kleinstädten. Litauische SS-Einheiten und Polizeibataillone waren auch an Mordaktionen insbesondere auf belarussischem Gebiet beteiligt. Die Zahl der bis Sommer 1944 ermordeten litauischen Juden liegt zwischen 140.000 und 150.000 – fast 99 Prozent der jüdischen Bevölkerung des Landes in der Zwischenkriegszeit. Hinzu kommen etwa 70.000 jüdische Opfer aus dem Wilna-Gebiet, das nach der Zerschlagung PolensW im Herbst 1939 an Litauen zurückgegeben worden war. Der Terror richtete sich ab Sommer 1941 auch gegen meist kommunistische Kritiker und andere Minderheiten. Verschleppungen von Zwangsarbeitern in das Deutsche Reich setzten ein. Insgesamt etwa 170.000 nichtjüdische litauische Zivilisten fanden den Tod. Mit der Rückeroberung durch die Rote Armee 1944 wurde das Land erneut Teil der Sowjetunion. Tausende Litauer emigrierten, Tausende andere kämpften noch bis Ende der 1950er Jahre als Partisanen (»Waldbrüder«) gegen die sowjetische Besatzung. Insgesamt verschleppte der sowjetische Geheimdienst NKWD etwa 500.000 Litauer in das Innere der Sowjetunion. Das offizielle Litauen der Sowjetzeit gedachte vor allem der Helden des »Großen Vaterländischen Kriegs« und der prosowjetischen litauischen Patrioten, aber auch der ermordeten »friedliebenden Sowjetbürger und Kommunisten«. An einem der wichtigsten Orte des Massenmordes, dem IX. Fort in Kaunas, wurde 1958 ein Museum eingerichtet und 1984 ein monumentales Denkmalensemble aus Beton eröffnet. Seine Unabhängigkeit von Moskau erkämpfte sich das Land 1990/91 auch gegen russische Panzer mit 14 Toten. Anschließend wurden viele Monumente aus sowjetischer Zeit abgebaut, die jahrzehntelange Besatzung und der Widerstand rückten ins Zentrum der nationalen Erinnerung. Die Annexion Litauens durch die Sowjetunion 1940/41 und 1944 bis 1990 sowie die deutsche Besetzung wurden gleichgesetzt; wie in Lettland und Estland Okkupationsmuseen eingerichtet, deren inhaltlicher Schwerpunkt die Jahre des sowjetischen Terrors ist. Erst in den 1990er Jahren kam es zu einer breiten Diskussion über die litauische Beteiligung am Holocaust und 1998 zur Gründung einer Internationalen Kommission zur Bewertung der Verbrechen während des nationalsozialistischen und des sowjetischen Besatzungsregimes. Mittlerweile ist die litauische Erinnerungskultur immer vielfältiger. Eines der wichtigsten Institutionen ist das Jüdische Museum »Gaon von Wilna«. Am ehemaligen Massenerschießungsort Ponary (Paneriai) soll neben den Denkmälern auch ein Museumsbau entstehen. Bereits seit 2014 gibt es eine neue Dauerausstellung im Fort IX, während das Internetprojekt »Holocaust Atlas of Lithuania« detaillierte Informationen über die Orte der Massenerschießungen im ganzen Land anbietet.

Erinnerung

Das Denkmal markiert die Konturen der Massengräber von 1941. Die Inschrift der Gedenktafeln ist in hebräischer und litauischer Sprache verfasst.
Durch die Initiative »Friends of the Yurburg Cemetery, Inc.«, einer Gruppe aus Jurburg stammender überlebender Juden, konnte der jüdische Friedhof der Stadt in den letzten Jahren umfangreich restauriert werden. Dazu zählt der 2006 erfolgte originalgetreue Nachbau des ehemaligen Eingangstores zum Friedhof. Ein weiterer Gedenkstein erinnert in unmittelbarer Nähe an »litauische Partisanen, die gegen kommunistische Okkupanten und deren Helfer 1944 bis 1953 kämpften«.

Öffnungszeiten

Der Gedenkort ist jederzeit zugänglich.

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