Das Museum für Hamburgische Geschichte richtete 1985 im einzigen erhaltenen Plattenhaus im Hamburger Stadtteil Poppenbüttel eine Gedenkstätte ein, die an das Schicksal der Zwangsarbeiter, überwiegend Frauen, erinnert, die zwischen September 1944 und April 1945 hier arbeiten mussten. Die SS setzte sie zum Bau einer Plattenhaussiedlung ein.
Geschichte
Zwischen September 1944 und April 1945 bestand in Hamburg-Sasel ein Frauenaußenlager des Konzentrationslagers Neuengamme. Die Frauen mussten im benachbarten Stadtteil Poppenbüttel Behelfsunterkünfte für ausgebombte Hamburger, so genannte Plattenhäuser, errichten. Am 13. September 1944 brachte die SS etwa 500 polnische Jüdinnen und einige Sinti-Frauen in das Außenlager Hamburg-Sasel, um sie für den Bau der »Plattenhaussiedlung« einzusetzen. Auch italienische Militärinternierte zwang die SS zur Arbeit auf den Baustellen. Sie arbeiteten für die beiden Baufirmen Möller sowie Wayss & Freytag und mussten hungernd bei eisiger Kälte harte körperliche Tätigkeiten verrichten, wie Gleise verlegen, Gelände planieren und Fertigbetonteile für die Plattenhäuser transportieren. Ein Teil der Frauen musste auch nach Bombenangriffen Trümmer in der Hamburger Innenstadt beseitigen. Vermutlich am 7. April 1945 löste die SS das Außenlager in Hamburg-Sasel auf. Die Frauen transportierte sie anschließend in das Konzentrationslager Bergen-Belsen.
Opfergruppen
Im Außenlager Hamburg-Sasel waren etwa 500 polnische Jüdinnen und einige Sinti-Frauen interniert. Sie kamen aus dem Ghetto in Lodz und wurden über Auschwitz-Birkenau nach Hamburg deportiert. Mindestens 35 von ihnen starben an der harten Arbeit, an Misshandlungen und Kälte im Außenlager Hamburg-Sasel. Über ihr weiteres Schicksal nach der Auflösung des Lagers ist nichts bekannt. Vermutlich starben noch einige der Frauen in Bergen-Belsen.
Erfahre mehr über
Deutschland
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begann die staatliche Verfolgung der Gegner des Regimes, von Juden, als »Zigeuner« bezeichneten Roma, Patienten sowie zahlreichen anderen Gruppen. Antisemitismus wurde erstmals Bestandteil der Regierungspolitik eines modernen Staates, die Verfolgung aller Gruppen schrittweise verschärft. Dabei griffen staatliche Verordnungen, Gewalttaten von Anhängern des Regimes und die Hetze der Presse ineinander. Der Terror gegen Juden im November 1938 (»Kristallnacht«) mit etwa hundert Toten bildete den Scheitelpunkt hin zur vollständigen Ausgrenzung und Ermordung der jüdischen Minderheit.
Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 gerieten weite Teile Europas unter deutsche Herrschaft. Insbesondere im Osten entstand ein vielgliedriges System von Lagern und Mordstätten, in dem die SS bis zu sechs Millionen Juden, unter ihnen etwa 165.000 deutsche Juden, ermordete. Die Zahl der übrigen Deutschen, die in Folge des Krieges ihr Leben verloren, wird auf etwa sieben Millionen geschätzt, darunter fast 3,5 Millionen Zivilisten. Etwa 28 Millionen Einwohner der besetzten Sowjetunion (Soldaten und Zivilbevölkerung) und drei Millionen nichtjüdische Polen kamen gewaltsam zu Tode; an sie wird in Deutschland bis heute kaum erinnert.
Deutschland wurde 1945 von den Alliierten besetzt; 1949 entstanden die Deutsche Demokratische Republik (DDR) und die Bundesrepublik Deutschland (BRD) mit sehr unterschiedlichen Gedenkkulturen. In der DDR dominierte die Selbstinterpretation als »antifaschistischer« deutscher Nachfolgestaat. Die Orte der ehemaligen Konzentrationslager (KZ) Buchenwald, Ravensbrück und Sachsenhausen wurden zu »Nationalen Mahn- und Gedenkstätten« und stellten vor allem den kommunistischen Widerstand dar.
In der Bundesrepublik dominierte zunächst die Erinnerung an die Opfer der alliierten Bombenangriffe, von Flucht und Vertreibung. Das Gedenken an die nationalsozialistische Verfolgung, den Holocaust oder den Widerstand war einzelnen Gruppen überlassen, Täter und Tatbeteiligungen – außerhalb juristischer Prozesse – kein Gegenstand öffentlicher Diskussion. Das änderte sich ab Mitte der 1960er Jahre, als nach intensiver Debatte die Verjährung für Mord aufgehoben wurde. Gleichzeitig entstanden Erinnerungsstätten an Orten ehemaliger KZ (1965: Dachau und Neuengamme; 1966: Bergen-Belsen) und die Gedenkstätte Deutscher Widerstand 1968 in West-Berlin. Erst in den 1980er Jahren entwickelte sich durch lokale Initiativen eine vielfältige, oft kleinteilige Erinnerungslandschaft.
Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurden eine gesamtstaatliche Gedenkstättenkonzeption entwickelt und Orte der Erinnerung umfangreich überarbeitet. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin konnte 2005 der Öffentlichkeit übergeben werden. Eine umfangreiche Dokumentation der nationalsozialistischen Verbrechen und ihrer Täter, die Topographie des Terrors, wurde im Mai 2010 eröffnet; das Ausstellungszentrum »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« folgte 2021. Mittlerweile erinnern zentrale Denkmäler in Berlin auch an weitere Opfergruppen: An die ermordeten Sinti und Roma, an die Opfer im Rahmen der NS-»Euthanasie« ermordeten Patienten und an die verfolgten Homosexuellen.
Die Opfer des nationalsozialistischen Terrors in den früheren Ostgebieten fielen nach Kriegsende einem doppelten Vergessen anheim. Die Erinnerung blieb für Jahrzehnte auf landsmannschaftliche Verbände in der BRD beschränkt und schloss die Zeit von 1933 bis 1945 meist aus. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs nehmen sich jedoch deutsche, polnische, litauische und russische Initiativen auch dieses Teils der deutschen Vergangenheit an.
Erinnerung
Auf Initiative einer Schülergruppe wurde im Juni 1982 ein Gedenkstein am Ort des Außenlagers aufgestellt und eine Gedenktafel angebracht. Das Museum für Hamburgische Geschichte richtete 1985 in dem einzig erhaltenen Gebäude der »Plattenhaussiedlung« eine Gedenkstätte ein. Auf dem Vorplatz der Gedenkstätte steht seit dem 1. September 1981 eine Holzskulptur von Franz Vollert. Die Gedenkstätte Plattenhaus Poppenbüttel wird ehrenamtlich betrieben und gehört als Außenstelle zur KZ-Gedenkstätte Neuengamme. Eine neue Dauerausstellung wurde am 9. September 2008 eröffnet.