Gedenkstätte Hadamar

Gedenkstätte Hadamar


In der östlich von Koblenz gelegenen Landesheilanstalt Hadamar töteten Ärzte, Pfleger und Schwestern zwischen 1941 und 1945 etwa 15.000 Menschen im Rahmen der »T4«-Aktion. Am historischen Ort besteht seit 1983 eine Gedenkstätte.

Geschichte

Der Begriff »Euthanasie« bezeichnete in der Zeit des Nationalsozialismus die Ermordung von Menschen mit geistigen und körperlichen Behinderungen. Geplant und organisiert wurde der Mord an den Patienten von Heil- und Pflegeanstalten von einer unmittelbar Adolf Hitler unterstellten Organisation im Hauptamt II. Sie erhielt nach ihrer Adresse in der Berliner Tiergartenstraße 4 die Tarnbezeichnung »T4«. Nachdem anfangs Kleinkinder bis zu drei Jahren der »Euthanasie« zum Opfer fielen, weitete sich die Tötung in der Folgezeit auf ältere Kinder und Jugendliche, ab 1940 unter dem Decknamen »Aktion T4« auch auf erwachsene Behinderte und Kranke aus. Die Tötung erfolgte in der ersten Phase durch Nahrungsentzug, Gift und Medikamente. Ab Januar 1940 wurden in immer mehr »T4«-Anstalten Gaskammern in Betrieb genommen.
Die 1906 gegründete Landesheilanstalt in Hadamar wurde im Rahmen der »T4«-Aktion Ende 1940 umgebaut. Ab dem 13. Januar 1941 töteten Ärzte und Pfleger in einer im Keller eingebauten Gaskammer tausende Menschen mit körperlichen Behinderungen und psychischen Erkrankungen. Ihre Leichen wurden anschließend im Krematorium eingeäschert. Die Opfer stammten aus so genannten Zwischenanstalten aus der Region. In grauen Bussen wurden sie von dort abgeholt und nach Hadamar gefahren. Mehrere Angehörige des Personals waren ein Jahr zuvor in der Landespflegeanstalt Grafeneck tätig gewesen. Bereits 1940 wurden hier im Rahmen der »Euthanasie«-Aktion tausende Patienten mit Gas erstickt. Die erste Phase der »Euthanasie«-Aktion in der Landesheilanstalt Hadamar endete im August 1941. Ein Jahr später wurde die Massentötung erneut aufgenommen. Die Opfer stammten diesmal aus dem gesamten Reichsgebiet. Ihre Tötung erfolgte nun nicht mehr in der Gaskammer, sondern überwiegend durch die Verabreichung von überdosierten Beruhigungsmitteln. Die Leichen der ermordeten Frauen, Männer und Kinder begrub das Personal in Massengräbern auf einem Friedhof auf dem Anstaltsgelände.

Opfergruppen

In der Zeit von Januar bis August 1941 wurden in der Landespflegeanstalt Hadamar mehr als 10.000 Menschen mit körperlichen Behinderungen sowie psychischen Erkrankungen mit Gas erstickt. In der Zeit von August 1942 bis März 1945 starben in Hadamar etwa 4.400 weitere Menschen. Bei ihnen handelte es sich neben Patienten verschiedener Anstalten auch um Kriegsgefangene, polnische und sowjetische Zwangsarbeiter, alte und verwirrte Menschen sowie um sogenannte »jüdische Mischlinge ersten Grades«.

Erfahre mehr über Deutschland

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begann die staatliche Verfolgung der Gegner des Regimes, von Juden, als »Zigeuner« bezeichneten Roma, Patienten sowie zahlreichen anderen Gruppen. Antisemitismus wurde erstmals Bestandteil der Regierungspolitik eines modernen Staates, die Verfolgung aller Gruppen schrittweise verschärft. Dabei griffen staatliche Verordnungen, Gewalttaten von Anhängern des Regimes und die Hetze der Presse ineinander. Der Terror gegen Juden im November 1938 (»Kristallnacht«) mit etwa hundert Toten bildete den Scheitelpunkt hin zur vollständigen Ausgrenzung und Ermordung der jüdischen Minderheit. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 gerieten weite Teile Europas unter deutsche Herrschaft. Insbesondere im Osten entstand ein vielgliedriges System von Lagern und Mordstätten, in dem die SS bis zu sechs Millionen Juden, unter ihnen etwa 165.000 deutsche Juden, ermordete. Die Zahl der übrigen Deutschen, die in Folge des Krieges ihr Leben verloren, wird auf etwa sieben Millionen geschätzt, darunter fast 3,5 Millionen Zivilisten. Etwa 28 Millionen Einwohner der besetzten Sowjetunion (Soldaten und Zivilbevölkerung) und drei Millionen nichtjüdische Polen kamen gewaltsam zu Tode; an sie wird in Deutschland bis heute kaum erinnert. Deutschland wurde 1945 von den Alliierten besetzt; 1949 entstanden die Deutsche Demokratische Republik (DDR) und die Bundesrepublik Deutschland (BRD) mit sehr unterschiedlichen Gedenkkulturen. In der DDR dominierte die Selbstinterpretation als »antifaschistischer« deutscher Nachfolgestaat. Die Orte der ehemaligen Konzentrationslager (KZ) Buchenwald, Ravensbrück und Sachsenhausen wurden zu »Nationalen Mahn- und Gedenkstätten« und stellten vor allem den kommunistischen Widerstand dar. In der Bundesrepublik dominierte zunächst die Erinnerung an die Opfer der alliierten Bombenangriffe, von Flucht und Vertreibung. Das Gedenken an die nationalsozialistische Verfolgung, den Holocaust oder den Widerstand war einzelnen Gruppen überlassen, Täter und Tatbeteiligungen – außerhalb juristischer Prozesse – kein Gegenstand öffentlicher Diskussion. Das änderte sich ab Mitte der 1960er Jahre, als nach intensiver Debatte die Verjährung für Mord aufgehoben wurde. Gleichzeitig entstanden Erinnerungsstätten an Orten ehemaliger KZ (1965: Dachau und Neuengamme; 1966: Bergen-Belsen) und die Gedenkstätte Deutscher Widerstand 1968 in West-Berlin. Erst in den 1980er Jahren entwickelte sich durch lokale Initiativen eine vielfältige, oft kleinteilige Erinnerungslandschaft. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurden eine gesamtstaatliche Gedenkstättenkonzeption entwickelt und Orte der Erinnerung umfangreich überarbeitet. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin konnte 2005 der Öffentlichkeit übergeben werden. Eine umfangreiche Dokumentation der nationalsozialistischen Verbrechen und ihrer Täter, die Topographie des Terrors, wurde im Mai 2010 eröffnet; das Ausstellungszentrum »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« folgte 2021. Mittlerweile erinnern zentrale Denkmäler in Berlin auch an weitere Opfergruppen: An die ermordeten Sinti und Roma, an die Opfer im Rahmen der NS-»Euthanasie« ermordeten Patienten und an die verfolgten Homosexuellen. Die Opfer des nationalsozialistischen Terrors in den früheren Ostgebieten fielen nach Kriegsende einem doppelten Vergessen anheim. Die Erinnerung blieb für Jahrzehnte auf landsmannschaftliche Verbände in der BRD beschränkt und schloss die Zeit von 1933 bis 1945 meist aus. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs nehmen sich jedoch deutsche, polnische, litauische und russische Initiativen auch dieses Teils der deutschen Vergangenheit an.

Erinnerung

In Hadamar wurde bereits 1953, als erstes deutsches Mahnmal für »Euthanasie«-Opfer, ein Relief im ehemaligen Haupteingang der Anstalt eingeweiht. 1964 wurde der ehemalige Anstaltsfriedhof zu einem Ehrenfriedhof umgestaltet. Im Jahr 1983 eröffnete die Gedenkstätte Hadamar. Sie befindet sich in Trägerschaft der Landeswohlfahrtsgesellschaft Hessen. Seit 1991 gibt es im Erdgeschoss der ehemaligen Landespflegeanstalt eine Dauerausstellung, in der die »Euthanasie«-Aktion in Hadamar thematisiert wird. Besucher können außerdem die erhalten gebliebene »T4«-Busgarage sowie die Kellerräume, in denen sich die Gaskammer, die Krematorien und der Sezierraum befanden, besichtigen. 1998 wurde der Verein zur Förderung der Gedenkstätte Hadamar e.V. gegründet. In einer Datenbank trugen Mitarbeiter der Gedenkstätte alle Namen und Daten der von 1941 bis 1945 in Hadamar ermordeten Opfer zusammen. Die Datenbank ist seit 2006 auch für die Öffentlichkeit einsehbar.

Angebote

Pädagogische Angebote für Schulen, Sonderausstellungen, Fortbildungen für Lehrer und Gedenkstättenpädagogen, Studientage, Führungen

Öffnungszeiten

Dienstags bis donnerstags 9.00 bis 16.00, freitags 9.00 bis 13.00, jeden ersten und dritten Sonntag im Monat 14.00 bis 17.00 mit einer öffentlichen Führung um 14.30

Kontakt

http://www.gedenkstaette-hadamar.de

gedenkstaette-hadamar@lwv-hessen.de

+49 (0)6433 917 172

Mönchberg 8
65589 Hadamar