Gedenkstätte Ehrenhain Zeithain

Gedenkstätte Ehrenhain Zeithain


In dem kleinen sächsischen Ort Zeithain, nahe Riesa, erinnert seit 1949 die Gedenkstätte Ehrenhain Zeithain an die zehntausenden Kriegsgefangenen des Lagers Stalag 304 (IV H) Zeithain, das dort von 1941 bis 1945 bestand.

Geschichte

Im April 1941, etwa zwei Monate vor dem Angriff auf die Sowjetunion, ließ die Wehrmacht sogenannte Russenlager für die separate Unterbringung von sowjetischen Kriegsgefangenen errichten. Eines dieser Lager entstand auf einem ehemaligen Truppenübungsplatz in Zeithain nahe Riesa. Die ersten 2.000 Kriegsgefangenen trafen im Juli 1941 in Zeithain ein. Nach der Registrierung im Lager vegetierten die Gefangenen unter freiem Himmel vor sich hin. Für die Kriegsgefangenen gab es keine Unterkünfte, sie waren der Witterung schutzlos ausgesetzt. Zudem herrschte Wasser- und Nahrungsknappheit, viele der Häftlinge erkrankten. Die sowjetischen Kriegsgefangenen mussten auch Zwangsarbeit leisten: Ab Juli 1941 bauten sie zunächst Unterkünfte für die Wachmannschaften und Wirtschaftsgebäude auf – erst im September 1941 bauten sie Baracken zu ihrer eigenen Unterbringung. Die Zahl der Häftlinge in Zeithain stieg schnell an, bereits vier Wochen nach dem ersten Transport befanden sich etwa 32.000 Menschen im Lager.
Ab September 1942 diente das Lager in Zeithain als Zweiglager des nahe gelegenen Stalags IV B Mühlberg zur Verteilung von Häftlingen auf andere Lager. Das Stalag 304 wurde von Zeithain nach Belgien verlegt. Zur gleichen Zeit wurde das Lager in Zeithain zum »Reservelazarett« für arbeitsunfähige sowjetische Kriegsgefangene aus dem gesamten Wehrkreis IV. Die Versorgung der Kranken war jedoch völlig unzureichend, so dass täglich zwischen 10 und 20 Menschen starben. Am 23. April 1945 befreiten Einheiten der Roten Armee die Lager Mühlberg und Zeithain.

Opfergruppen

Im Kriegsgefangenenlager in Zeithain kamen etwa 30.000 bis 35.000 Kriegsgefangene aus der Sowjetunion ums Leben. Die meisten erlagen Hunger und Krankheiten. Mindestens tausend sowjetische Gefangene wurden von der Gestapo »ausgesondert« und im Konzentrationslager Buchenwald ermordet. In Zeithain waren aber auch Häftlinge anderer Nationalität interniert: Vor allem italienische Militärinternierte und Angehörige der polnischen Heimatarmee (polnisch: Armia Krajowa). Etwa 900 Italiener kamen zwischen Oktober 1943 und 1945 in Zeithain ums Leben. Nach der Niederschlagung des Warschauer Aufstandes kamen 1944 etwa 1.400 polnische Häftlinge nach Zeithain. Von den polnischen Häftlingen überlebten fast alle, da die Wehrmacht sie – im Gegensatz etwa zu den sowjetischen Gefangenen –entsprechend der Genfer Konventionen behandelte.

Erfahre mehr über Deutschland

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begann die staatliche Verfolgung der Gegner des Regimes, von Juden, als »Zigeuner« bezeichneten Roma, Patienten sowie zahlreichen anderen Gruppen. Antisemitismus wurde erstmals Bestandteil der Regierungspolitik eines modernen Staates, die Verfolgung aller Gruppen schrittweise verschärft. Dabei griffen staatliche Verordnungen, Gewalttaten von Anhängern des Regimes und die Hetze der Presse ineinander. Der Terror gegen Juden im November 1938 (»Kristallnacht«) mit etwa hundert Toten bildete den Scheitelpunkt hin zur vollständigen Ausgrenzung und Ermordung der jüdischen Minderheit. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 gerieten weite Teile Europas unter deutsche Herrschaft. Insbesondere im Osten entstand ein vielgliedriges System von Lagern und Mordstätten, in dem die SS bis zu sechs Millionen Juden, unter ihnen etwa 165.000 deutsche Juden, ermordete. Die Zahl der übrigen Deutschen, die in Folge des Krieges ihr Leben verloren, wird auf etwa sieben Millionen geschätzt, darunter fast 3,5 Millionen Zivilisten. Etwa 28 Millionen Einwohner der besetzten Sowjetunion (Soldaten und Zivilbevölkerung) und drei Millionen nichtjüdische Polen kamen gewaltsam zu Tode; an sie wird in Deutschland bis heute kaum erinnert. Deutschland wurde 1945 von den Alliierten besetzt; 1949 entstanden die Deutsche Demokratische Republik (DDR) und die Bundesrepublik Deutschland (BRD) mit sehr unterschiedlichen Gedenkkulturen. In der DDR dominierte die Selbstinterpretation als »antifaschistischer« deutscher Nachfolgestaat. Die Orte der ehemaligen Konzentrationslager (KZ) Buchenwald, Ravensbrück und Sachsenhausen wurden zu »Nationalen Mahn- und Gedenkstätten« und stellten vor allem den kommunistischen Widerstand dar. In der Bundesrepublik dominierte zunächst die Erinnerung an die Opfer der alliierten Bombenangriffe, von Flucht und Vertreibung. Das Gedenken an die nationalsozialistische Verfolgung, den Holocaust oder den Widerstand war einzelnen Gruppen überlassen, Täter und Tatbeteiligungen – außerhalb juristischer Prozesse – kein Gegenstand öffentlicher Diskussion. Das änderte sich ab Mitte der 1960er Jahre, als nach intensiver Debatte die Verjährung für Mord aufgehoben wurde. Gleichzeitig entstanden Erinnerungsstätten an Orten ehemaliger KZ (1965: Dachau und Neuengamme; 1966: Bergen-Belsen) und die Gedenkstätte Deutscher Widerstand 1968 in West-Berlin. Erst in den 1980er Jahren entwickelte sich durch lokale Initiativen eine vielfältige, oft kleinteilige Erinnerungslandschaft. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurden eine gesamtstaatliche Gedenkstättenkonzeption entwickelt und Orte der Erinnerung umfangreich überarbeitet. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin konnte 2005 der Öffentlichkeit übergeben werden. Eine umfangreiche Dokumentation der nationalsozialistischen Verbrechen und ihrer Täter, die Topographie des Terrors, wurde im Mai 2010 eröffnet; das Ausstellungszentrum »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« folgte 2021. Mittlerweile erinnern zentrale Denkmäler in Berlin auch an weitere Opfergruppen: An die ermordeten Sinti und Roma, an die Opfer im Rahmen der NS-»Euthanasie« ermordeten Patienten und an die verfolgten Homosexuellen. Die Opfer des nationalsozialistischen Terrors in den früheren Ostgebieten fielen nach Kriegsende einem doppelten Vergessen anheim. Die Erinnerung blieb für Jahrzehnte auf landsmannschaftliche Verbände in der BRD beschränkt und schloss die Zeit von 1933 bis 1945 meist aus. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs nehmen sich jedoch deutsche, polnische, litauische und russische Initiativen auch dieses Teils der deutschen Vergangenheit an.

Erinnerung

Nach 1945 wurde das ehemalige Lagergelände wieder als Truppenübungsplatz genutzt. Die sowjetische Armee führte dort Manöver durch. Nach dem Abzug der russischen Truppen 1994 wurde das Gelände zum Naturschutzgebiet.
Am Ort der ersten Massengräber, dem ehemaligen »Russenfriedhof« in der Nähe des ehemaligen Lagergeländes, errichteten die sowjetischen Behörden 1949 den Ehrenhain Zeithain. Weitere Grabfelder wurden zu Friedhofsanlagen umgestaltet. 1985 wurde im ehemaligen Wohnhaus des Friedhofsgärtners (heute: Dokumentenhaus) am Ehrenhain Zeithain eine Ausstellung eröffnet. Die damalige Ausstellung berücksichtigte die nicht-sowjetischen Opfer des Lagers nicht, sondern hob besonders den kommunistischen Widerstand hervor. Diese Umdeutung der Lagergeschichte zum heldenhaften Widerstandskampf entsprach der damaligen sozialistischen Staatspropaganda. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands wurde die Gedenkstätte Ehrenhain Zeithain geschlossen. Anfang der 1990er Jahre setzten sich Ehrenamtliche für den Erhalt der Gedenkstätte ein. Ab 1995 förderte die Stiftung Sächsische Gedenkstätten die wissenschaftliche Erforschung des Stalag 304. Eine ehemalige Baracke des Lagers, die nach 1945 weiter genutzt wurde, konnte 2001 rekonstruiert und der Gedenkstätte zur Verfügung gestellt werden. 2003 wurde dort eine Dauerausstellung eröffnet.

Angebote

Führungen durch die Gedenkstätte und das ehemalige Lagergelände, Workcamps, Lehrerfortbildungen

Öffnungszeiten

Montag bis Donnerstag: 10.00 bis 16.00
Freitag: 10.00 bis 14.00
Samstag, Sonntags, Feiertagen: 10.00 bis 16.00
(Am 24.12. und am 31.12. geschlossen)

Kontakt

http://www.ehrenhain-zeithain.de

ehrenhain.zeithain@stsg.de

+49 (0)3525 760 392

Zum Ehrenhain 1
01619 Zeithain