Die »Vereinigung Kinder vom Bullenhuser Damm« richtete 1979 eine Gedenkstätte zur Erinnerung an zwanzig jüdische Kinder ein, die in der Nacht des 20. April 1945 in der ehemaligen Schule am Bullenhuser Damm von SS-Männern erhängt wurden. Zuvor hatten SS-Ärzte sie im KZ Neuengamme für medizinische Experimente missbraucht.
Im Hamburger Stadtteil Rothenburgsort bestand ab November 1944 ein Außenlager des KZ Neuengamme. In der Schule am Bullenhuser Damm 92 richtete die SS auf Initiative des Hamburger Gauleiters Karl Kaufmann ein Lager für bis zu 1.000 Häftlinge ein, die dort Zwangsarbeit leisten mussten: Nach Bombenangriffen sammelten sie für den SS-eigenen Betrieb »Deutsche Erd- und Steinwerke GmbH« Ziegelsteine von eingestürzten Häusern und sortierten sie auf dem Lagergelände. Laut Zeugenaussagen befanden sich im März 1945 etwa 600 Häftlinge im Außenlager. Zwischen dem 17. und 20. April 1945 löste die SS das Außenlager in Hamburg-Rothenburgsort auf, die Häftlinge wurden mit dem Zug in das Kriegsgefangenenlager Sandbostel transportiert. Die SS nutzte die ehemalige Schule am Bullenhuser Damm jedoch weiter: In der Nacht vom 20. April 1945 brachten SS-Leute zwanzig jüdische Kinder aus dem KZ Neuengamme, sowie zwei holländische Krankenpfleger und zwei französische Ärzte, die die Kinder versorgten, in das Gebäude. Der SS-Arzt Kurt Heißmeyer und sein Kollege Hans Klein hatten die Kinder in Neuengamme für medizinische Experimente missbraucht: Sie infizierten die Kinder mit Tuberkolosebakterien, indem sie ihnen die Bakterienlösung in frisch zugefügte Wunden auf der Brust reiben ließen. Nachdem die erwünschten Ergebnisse der Experimente ausblieben, verloren die Ärzte das Interesse und ließen ihre Opfer in Neuengamme zurück. Am 20. April 1945 entschied die SS-Führung in Berlin, dass die Kinder getötet werden sollten, da sie Zeugen der Verbrechen waren. In der Nacht zum 21. April erhängte ein SS-Kommando unter Johann Strippel alle zwanzig Kinder und ihre vier Betreuer im Keller der Schule am Bullenhuser Damm. Zur gleichen Zeit erhängten die SS-Männer 24 sowjetische Kriegsgefangene ebenfalls im Keller der Schule, die im Außenlager Hamburg-Hammerbrook Zwangsarbeit geleistet hatten. Vermutlich brachte Strippel am Morgen alle 48 Leichen zurück nach Neuengamme, wo sie verbrannt wurden.
Über die etwa 600 Häftlinge, die am Bullenhuser Damm Zwangsarbeit leisten mussten, ist fast nichts bekannt. Wahrscheinlich waren im Außenlager Hamburg-Rothenburgsort auch wesentlich mehr Menschen inhaftiert, als aus den Zeugenaussagen ersichtlich wird. Die am 20./21. April 1945 ermordeten Kinder kamen zum überwiegenden Teil aus Polen, wenige von ihnen aus Frankreich, Italien und den Niederlanden. Sie alle waren Juden und waren nach Auschwitz-Birkenau deportiert worden. Von dort schickte sie der SS-Arzt Josef Mengele seinem Kollegen nach Hamburg: Zehn jüdische Jungen und zehn jüdische Mädchen im Alter von fünf bis zwölf Jahren. Dank dem Journalisten Günther Schwarberg und seinen Recherchen sind die Namen aller zwanzig Kinder bekannt. Über die in der selben Nacht ermordeten sowjetischen Kriegsgefangenen ist nichts bekannt.
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Zunächst nahm die Schule am Bullenhuser Damm 1948 ihren Betrieb wieder auf, ohne dass die Verbrechen von 1945 thematisiert worden wären. Im Jahr 1963 wurde auf Initiative der »Arbeitsgemeinschaft Neuengamme« eine Gedenktafel angebracht und seitdem jährlich Gedenkveranstaltungen am 20. April abgehalten. Ende der 1970er Jahre veröffentlichte der Journalist Günther Schwarberg einen Artikel, in dem er die Experimente und den Mord an den Kindern beschrieb und die Namen aller zwanzig Kinder nannte. Daraufhin gründete sich 1979 die »Vereinigung Kinder vom Bullenhuser Damm«, die eine erste Ausstellung in den Kellerräumen der Schule eröffnete. Die Schule stellte 1989 ihren Betrieb ein, eine Einrichtung für berufliche Weiterbildung bezog das Gebäude für weitere zehn Jahre. Währenddessen erweiterte die »Vereinigung Kinder vom Bullenhuser Damm« die Gedenkstätte stetig, 1994 wurde eine neue Dauerausstellung eröffnet. Seit 1999 befindet sich die Gedenkstätte unter der Trägerschaft der Stadt Hamburg. Die Ausstellungen wurden überarbeitet und erweitert, Exponate hinzugefügt. Seit 1985 befindet sich auf dem Gelände der ehemaligen Schule außerdem ein von der Künstlerin Lilli Fischer gestalteter Rosengarten. Angehörige der ermordeten Kinder haben Gedenktafeln gestiftet und diese am Zaun des Rosengartens angebracht. Ebenfalls 1985, zum 40. Jahrestag der Morde, wurde im Rosengarten eine Bronzeplastik des Künstlers Anatoli Mossijtschuk aufgestellt, die an die 24 erhängten sowjetischen Kriegsgefangenen erinnert.
Im Hamburger Stadtteil Schnelsen sind seit Mitte der 1990er Jahren mehrere Straßen nach den Kindern benannt, die in der Schule am Bullenhuser Damm ermordet wurden.
2010/2011 wurden weitere Kellerräume der ehemaligen Schule umgebaut. Im Frühjahr 2011 eröffnete dort eine neue Dauerausstellung.
Vorträge, Filmvorführungen, Führungen, Pädagogische Studientage (zweimal im Jahr)
Sonntag: 10.00 bis 17.00 Uhr.
Führungen nach Vereinbarung.
https://bullenhuser-damm.gedenkstaetten-hamburg.de/
stiftung@gedenkstaetten.hamburg.de
+49 (0)40 428 131 500
Bullenhuser Damm 92
20539 Hamburg