Im Ortsteil Wehnen, im Oldenburger Land, erinnert seit 2004 die Gedenkstätte »Alte Pathologie« an die Tötung von mindestens 1.500 Patienten in der damaligen Heil- und Pflegeanstalt Wehnen zwischen 1936 und 1945. Die Gedenkstätte entstand auf Initiative von Angehörigen der Opfer.
Geschichte
Bereits 1936 betrieb die Leitung der damaligen Heil- und Pflegeanstalt Wehnen Einsparungen bei der Pflege und Versorgung ihrer Patienten mit Nahrungsmitteln. Durch diese gewollte Verknappung von Nahrung und die gezielte Vernachlässigung der psychisch kranken Patienten starben in Wehnen viel mehr Menschen als in vergleichbaren Einrichtungen. Die Sterblichkeitsrate unter den Patienten verdoppelte sich 1936. Damit begann vermutlich 1936 in Wehnen ein Massensterben von Psychiatrie-Patienten, drei Jahre bevor Adolf Hitler den Befehl zum nationalsozialistischen »Euthanasie«-programm, der »Aktion T4« gab. In den folgenden Jahren verschärfte sich die Situation in der Heil- und Pflegeanstalt Wehnen: Die Klinik wurde weiter mit Patienten überbelegt, Patienten aus anderen Einrichtungen nach Wehnen verlegt. Während der »Aktion T4« gab es keine Transporte von Kranken aus Wehnen in die zentralen Tötungsanstalten, da das Personal der Heil- und Pflegeanstalt seine Patienten selbst »niederführte«, also durch Nahrungsentzug und medizinische Vernachlässigung sterben ließ. Ebenfalls breiteten sich durch die mangelnde hygienische Versorgung viele Krankheiten aus. Bis 1945 stieg der Anteil der Verstorbenen auf das sechsfache gegenüber einer normalen Sterberate. Der Friedhof der Anstalt musste wegen der hohen Zahl an Toten mehrfach erweitert werden.
Opfergruppen
Wie viele Menschen die Krankenhausleitung in der Heil- und Pflegeanstalt tatsächlich durch Vernachlässigung und Nahrungsentzug ermordete, ist nur schwer zu beurteilen, da es in der Klinik auch normale Todesfälle gab. Forscher gehen davon aus, dass mindestens 1.500 Patienten der gezielten Vernachlässigung zum Opfer gefallen sind.
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Deutschland
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begann die staatliche Verfolgung der Gegner des Regimes, von Juden, als »Zigeuner« bezeichneten Roma, Patienten sowie zahlreichen anderen Gruppen. Antisemitismus wurde erstmals Bestandteil der Regierungspolitik eines modernen Staates, die Verfolgung aller Gruppen schrittweise verschärft. Dabei griffen staatliche Verordnungen, Gewalttaten von Anhängern des Regimes und die Hetze der Presse ineinander. Der Terror gegen Juden im November 1938 (»Kristallnacht«) mit etwa hundert Toten bildete den Scheitelpunkt hin zur vollständigen Ausgrenzung und Ermordung der jüdischen Minderheit.
Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 gerieten weite Teile Europas unter deutsche Herrschaft. Insbesondere im Osten entstand ein vielgliedriges System von Lagern und Mordstätten, in dem die SS bis zu sechs Millionen Juden, unter ihnen etwa 165.000 deutsche Juden, ermordete. Die Zahl der übrigen Deutschen, die in Folge des Krieges ihr Leben verloren, wird auf etwa sieben Millionen geschätzt, darunter fast 3,5 Millionen Zivilisten. Etwa 28 Millionen Einwohner der besetzten Sowjetunion (Soldaten und Zivilbevölkerung) und drei Millionen nichtjüdische Polen kamen gewaltsam zu Tode; an sie wird in Deutschland bis heute kaum erinnert.
Deutschland wurde 1945 von den Alliierten besetzt; 1949 entstanden die Deutsche Demokratische Republik (DDR) und die Bundesrepublik Deutschland (BRD) mit sehr unterschiedlichen Gedenkkulturen. In der DDR dominierte die Selbstinterpretation als »antifaschistischer« deutscher Nachfolgestaat. Die Orte der ehemaligen Konzentrationslager (KZ) Buchenwald, Ravensbrück und Sachsenhausen wurden zu »Nationalen Mahn- und Gedenkstätten« und stellten vor allem den kommunistischen Widerstand dar.
In der Bundesrepublik dominierte zunächst die Erinnerung an die Opfer der alliierten Bombenangriffe, von Flucht und Vertreibung. Das Gedenken an die nationalsozialistische Verfolgung, den Holocaust oder den Widerstand war einzelnen Gruppen überlassen, Täter und Tatbeteiligungen – außerhalb juristischer Prozesse – kein Gegenstand öffentlicher Diskussion. Das änderte sich ab Mitte der 1960er Jahre, als nach intensiver Debatte die Verjährung für Mord aufgehoben wurde. Gleichzeitig entstanden Erinnerungsstätten an Orten ehemaliger KZ (1965: Dachau und Neuengamme; 1966: Bergen-Belsen) und die Gedenkstätte Deutscher Widerstand 1968 in West-Berlin. Erst in den 1980er Jahren entwickelte sich durch lokale Initiativen eine vielfältige, oft kleinteilige Erinnerungslandschaft.
Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurden eine gesamtstaatliche Gedenkstättenkonzeption entwickelt und Orte der Erinnerung umfangreich überarbeitet. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin konnte 2005 der Öffentlichkeit übergeben werden. Eine umfangreiche Dokumentation der nationalsozialistischen Verbrechen und ihrer Täter, die Topographie des Terrors, wurde im Mai 2010 eröffnet; das Ausstellungszentrum »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« folgte 2021. Mittlerweile erinnern zentrale Denkmäler in Berlin auch an weitere Opfergruppen: An die ermordeten Sinti und Roma, an die Opfer im Rahmen der NS-»Euthanasie« ermordeten Patienten und an die verfolgten Homosexuellen.
Die Opfer des nationalsozialistischen Terrors in den früheren Ostgebieten fielen nach Kriegsende einem doppelten Vergessen anheim. Die Erinnerung blieb für Jahrzehnte auf landsmannschaftliche Verbände in der BRD beschränkt und schloss die Zeit von 1933 bis 1945 meist aus. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs nehmen sich jedoch deutsche, polnische, litauische und russische Initiativen auch dieses Teils der deutschen Vergangenheit an.
Erinnerung
1998 formierte sich eine Gruppe von Angehörigen von Opfern in der Heil- und Pflegeanstalt Wehnen, aus ihr ging 2003 der Verein »Gedenkkreis Wehnen e.V.« hervor. Ein Mahnmal für die Opfer der Krankenmorde wurde 2001 auf dem Gelände der heutigen Karl-Jaspers-Klinik errichtet. Der Verein Gedenkkreis Wehnen eröffnete 2004 die Gedenkstätte »Alte Pathologie« in der ehemaligen Leichenhalle der damaligen Heil- und Pflegeanstalt, in der einige Opfer nach ihrem Hungertod obduziert wurden. In der Gedenkstätte ist eine kleine Ausstellung zum Thema nationalsozialistische Gesundheitspolitik und Krankenmord im Land Oldenburg zu sehen. Einige der Opfergeschichten wurden in kleinen roten Büchern festgehalten. Eine Erinnerungsstätte auf dem ehemaligen Anstaltsfriedhof, dem Ofener Friedhof, wurde 2008 errichtet. Dort befindet sich ein Gedenkstein, sowie über 800 kleinere Steine, die an dort begrabene Patienten erinnern.
Angebote
Gruppenführungen, Bibliothek
Öffnungszeiten
Dienstag bis Freitag 10.00 bis 16.00
Sonntag 12.00 bis 16.00
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