Gedenkstätte für NS-Opfer in Neustadt an der Weinstraße

Gedenkstätte für NS-Opfer in Neustadt an der Weinstraße


Die Gedenkstätte für NS-Opfer in Neustadt an der Weinstraße (Rheinland-Pfalz) wurde von einem Förderverein auf dem Gelände der ehemaligen Turenne-Kaserne eingerichtet. Sie erinnert seit 2013 an die Opfer des dort im März und April 1933 bestehenden frühen Konzentrationslagers.

Geschichte

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Pfalz, die seit 1816 zu Bayern gehörte, von Frankreich besetzt. In den Jahren 1920 bis 1923 errichtete die französische Besatzungsmacht im Osten von Neustadt an der Weinstraße, das bis 1935 noch Neustadt an der Haardt hieß, die Turenne-Kaserne. Nach Fertigstellung der Gebäude waren in der Kaserne etwa 2.000 Soldaten stationiert. Ende Juni 1930 zogen sich die Franzosen aus der Pfalz zurück. Ab diesem Zeitpunkt wurden die Gebäude von der deutschen Reichswehr, ab 1935 Wehrmacht, genutzt.

Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten Ende Januar 1933 wurde bereits am 10. März 1933 in einem Gebäudeteil ein sogenanntes Schutzhaft- und Arbeitslager eröffnet. Das Lager gehörte zu den sogenannten frühen Konzentrationslagern. Es bestand nur wenige Wochen im März und April 1933. In dieser Zeit wurden hier über 500 Männer und eine Frau aus über 80 Gemeinden gefangen gehalten und misshandelt. Vor allem Menschen, die als politische oder religiöse Gegner des NS-Regimes galten, aber auch Juden, wurden in das Lager gebracht. Prominente Opfer waren beispielsweise der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Neustadter Stadtrat, Gustav Weil (1871–1941), und Oswald Damian (1889–1978), ein regimekritischer evangelischer Pfarrer aus Pirmasens.

Zeitgleich waren in der Kaserne etwa 225 Personen des Freiwilligen Arbeitsdienstes (FAD) und ungefähr 220 SA- und SS-Männer, die zu Hilfspolizisten ausgebildet wurden, untergebracht. Nach der Auflösung des Lagers dienten einzelne Gebäude von 1934 bis 1936 als Unterkunft für Mietschuldner. Von 1936 bis zum Kriegsende 1945 nutzte die Wehrmacht den Gebäudekomplex als Nachrichtenkaserne.

Nach Kriegsende bis 1992 wurde die Kaserne erneut von der französischen Besatzungsmacht genutzt. Nach dem Abzug der Franzosen diente sie bis zum Jahr 2000 als Flüchtlingsunterkunft. Mitte 2000 erwarb die Hornbach Holding AG die gesamte Anlage, um dort ihre Unternehmenszentrale einzurichten.

Opfergruppen

Am 22. Oktober 1940 wurden die Neustadter Juden zusammen mit 850 weiteren Pfälzer Juden ins südfranzösische Konzentrationslager Gurs deportiert. Dort wurden sie erschlagen oder erschossen, und viele sind bereits im ersten Winter erfroren oder verhungert. Wer die Zeit im Lager Gurs überlebte und nicht fliehen konnte, wurde in die Konzentrationslager Auschwitz, Majdanek, Treblinka oder Theresienstadt deportiert.

Erfahre mehr über Deutschland

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begann die staatliche Verfolgung der Gegner des Regimes, von Juden, als »Zigeuner« bezeichneten Roma, Patienten sowie zahlreichen anderen Gruppen. Antisemitismus wurde erstmals Bestandteil der Regierungspolitik eines modernen Staates, die Verfolgung aller Gruppen schrittweise verschärft. Dabei griffen staatliche Verordnungen, Gewalttaten von Anhängern des Regimes und die Hetze der Presse ineinander. Der Terror gegen Juden im November 1938 (»Kristallnacht«) mit etwa hundert Toten bildete den Scheitelpunkt hin zur vollständigen Ausgrenzung und Ermordung der jüdischen Minderheit. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 gerieten weite Teile Europas unter deutsche Herrschaft. Insbesondere im Osten entstand ein vielgliedriges System von Lagern und Mordstätten, in dem die SS bis zu sechs Millionen Juden, unter ihnen etwa 165.000 deutsche Juden, ermordete. Die Zahl der übrigen Deutschen, die in Folge des Krieges ihr Leben verloren, wird auf etwa sieben Millionen geschätzt, darunter fast 3,5 Millionen Zivilisten. Etwa 28 Millionen Einwohner der besetzten Sowjetunion (Soldaten und Zivilbevölkerung) und drei Millionen nichtjüdische Polen kamen gewaltsam zu Tode; an sie wird in Deutschland bis heute kaum erinnert. Deutschland wurde 1945 von den Alliierten besetzt; 1949 entstanden die Deutsche Demokratische Republik (DDR) und die Bundesrepublik Deutschland (BRD) mit sehr unterschiedlichen Gedenkkulturen. In der DDR dominierte die Selbstinterpretation als »antifaschistischer« deutscher Nachfolgestaat. Die Orte der ehemaligen Konzentrationslager (KZ) Buchenwald, Ravensbrück und Sachsenhausen wurden zu »Nationalen Mahn- und Gedenkstätten« und stellten vor allem den kommunistischen Widerstand dar. In der Bundesrepublik dominierte zunächst die Erinnerung an die Opfer der alliierten Bombenangriffe, von Flucht und Vertreibung. Das Gedenken an die nationalsozialistische Verfolgung, den Holocaust oder den Widerstand war einzelnen Gruppen überlassen, Täter und Tatbeteiligungen – außerhalb juristischer Prozesse – kein Gegenstand öffentlicher Diskussion. Das änderte sich ab Mitte der 1960er Jahre, als nach intensiver Debatte die Verjährung für Mord aufgehoben wurde. Gleichzeitig entstanden Erinnerungsstätten an Orten ehemaliger KZ (1965: Dachau und Neuengamme; 1966: Bergen-Belsen) und die Gedenkstätte Deutscher Widerstand 1968 in West-Berlin. Erst in den 1980er Jahren entwickelte sich durch lokale Initiativen eine vielfältige, oft kleinteilige Erinnerungslandschaft. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurden eine gesamtstaatliche Gedenkstättenkonzeption entwickelt und Orte der Erinnerung umfangreich überarbeitet. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin konnte 2005 der Öffentlichkeit übergeben werden. Eine umfangreiche Dokumentation der nationalsozialistischen Verbrechen und ihrer Täter, die Topographie des Terrors, wurde im Mai 2010 eröffnet; das Ausstellungszentrum »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« folgte 2021. Mittlerweile erinnern zentrale Denkmäler in Berlin auch an weitere Opfergruppen: An die ermordeten Sinti und Roma, an die Opfer im Rahmen der NS-»Euthanasie« ermordeten Patienten und an die verfolgten Homosexuellen. Die Opfer des nationalsozialistischen Terrors in den früheren Ostgebieten fielen nach Kriegsende einem doppelten Vergessen anheim. Die Erinnerung blieb für Jahrzehnte auf landsmannschaftliche Verbände in der BRD beschränkt und schloss die Zeit von 1933 bis 1945 meist aus. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs nehmen sich jedoch deutsche, polnische, litauische und russische Initiativen auch dieses Teils der deutschen Vergangenheit an.

Erinnerung

Das frühe Konzentrationslager Neustadt galt jahrzehntelang als beinahe vergessen. Erst in den 1980er Jahren begannen Einzelpersonen, die Geschichte aufzuarbeiten. Sie befragten noch lebende ehemalige Häftlinge und deren Angehörige, sichteten lokale Zeitungen aus der NS-Zeit und sammelten Quellen.

Im Jahre 1995 tauchten erstmals private Dokumente auf, die auf das Lager in Neustadt hinwiesen. Gezielte Nachforschungen brachten auch in öffentlichen Archiven entsprechende Dokumente zutage. Nach jahrelangen Recherchen, an denen sich auch der Historische Verein der Pfalz beteiligte, wurde am 4. November 2009 der Förderverein Gedenkstätte für NS-Opfer in Neustadt gegründet. Vorsitzender von der Gründung bis 2021 war Eberhard Dittus, der Mitte der 1990er Jahre mit den Recherchen begonnen hatte. Zu seinem Nachfolger wurde 2021 der bisherige Stellvertreter Kurt Werner gewählt. Am 7. November 2021 wurde dem Förderverein der Kulturpreis 2021 der Stadt Neustadt verliehen.

Am 10. März 2013, dem 80. Jahrestag der Inbetriebnahme des Konzentrationslagers, wurde die Gedenkstätte eröffnet.

Angebote

Dauerausstellung und Wechselausstellungen, Veranstaltungen, Einzel-, Gruppen- und Schulklassenführungen, Datenbank, Bibliothek, Newsletter

Öffnungszeiten

Montag bis Freitag 10.00 bis 15.00
Sonntag 14.00 bis 16.00

Kontakt

https://www.gedenkstaette-neustadt.de/

info@gedenkstaette-neustadt.de

+49(0)6321 9597472

Quartier Hornbach 13 a/b
67433 Neustadt an der Weinstraße