Gedenkbuch des Landtags von Baden-Württemberg

Gedenkbuch des Landtags von Baden-Württemberg


Das Gedenkbuch des Landtags von Baden-Württemberg erinnert an alle durch das nationalsozialistische Regime ermordeten oder aufgrund der Verfolgung zu Tode gekommenen Abgeordneten der ehemaligen Landtage von Baden und Württemberg.

Geschichte

In der Nacht vom 28. auf den 29. März 1934 erdrosselten Nationalsozialisten im Konzentrationslager Kislau den Vorsitzenden der SPD-Fraktion im badischen Landtag Ludwig Marum. Um einen Selbstmord vorzutäuschen, hängten ihn seine Mörder an dem Fensterkreuz seiner Zelle auf. Marum hatte wie einige andere Landtagsabgeordnete verschiedener Parteien aus Baden und Württemberg nach der nationalsozialistischen Machtübernahme auf politischer Ebene Widerstand gegen das neue Regime geleistet. Diese Politiker wurden von der Gestapo verfolgt, teilweise in »Schutzhaft« genommen und gefoltert. Mehrere Abgeordnete wurden nach ihrer Gefangennahme in Konzentrationslager überstellt. 18 Landtagsabgeordnete – unter ihnen eine Frau - starben an den Folgen von Haft oder Folter. Einige von ihnen wurden wie Ludwig Marum vorsätzlich ermordet. Ein weiterer verfolgter Politiker aus Südwestdeutschland war Kurt Schumacher, der spätere Vorsitzende der SPD-Fraktion im ersten Deutschen Bundestag. Schumacher war bis 1931 Vorsitzender der SPD Württembergs und Abgeordneter im Reichstag. Nach seiner Verhaftung im Juli 1933 durchlief Schumacher mehrere Konzentrationslager. Erst 1943 wurde er aus der Haft entlassen. Er starb 1952 an den Spätfolgen der jahrelangen KZ-Haft.

Opfergruppen

18 Politiker und Parlamentarier der Landtage Badens und Württembergs sowie einige Reichtagsabgeordnete aus der Region wurden von den Nationalsozialisten ermordet oder starben an den gesundheitlichen Folgen der Verfolgung. Bei ihnen handelt es sich um: Eugen Bolz, Hermann Böning, Fritz Elsas, Johannes Fischer, Karl Großhans, Josef Heid, Julius Helmstädter, Leo Kullmann, Georg Lechleiter, Guido Leser, Ludwig Marum, Paul Rehbach, Leopold Rückert, Karl Ruggaber, Karl Schneck, Laura Schradin, Kurt Schumacher und Jakob Weimer.

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Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begann die staatliche Verfolgung der Gegner des Regimes, von Juden, als »Zigeuner« bezeichneten Roma, Patienten sowie zahlreichen anderen Gruppen. Antisemitismus wurde erstmals Bestandteil der Regierungspolitik eines modernen Staates, die Verfolgung aller Gruppen schrittweise verschärft. Dabei griffen staatliche Verordnungen, Gewalttaten von Anhängern des Regimes und die Hetze der Presse ineinander. Der Terror gegen Juden im November 1938 (»Kristallnacht«) mit etwa hundert Toten bildete den Scheitelpunkt hin zur vollständigen Ausgrenzung und Ermordung der jüdischen Minderheit. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 gerieten weite Teile Europas unter deutsche Herrschaft. Insbesondere im Osten entstand ein vielgliedriges System von Lagern und Mordstätten, in dem die SS bis zu sechs Millionen Juden, unter ihnen etwa 165.000 deutsche Juden, ermordete. Die Zahl der übrigen Deutschen, die in Folge des Krieges ihr Leben verloren, wird auf etwa sieben Millionen geschätzt, darunter fast 3,5 Millionen Zivilisten. Etwa 28 Millionen Einwohner der besetzten Sowjetunion (Soldaten und Zivilbevölkerung) und drei Millionen nichtjüdische Polen kamen gewaltsam zu Tode; an sie wird in Deutschland bis heute kaum erinnert. Deutschland wurde 1945 von den Alliierten besetzt; 1949 entstanden die Deutsche Demokratische Republik (DDR) und die Bundesrepublik Deutschland (BRD) mit sehr unterschiedlichen Gedenkkulturen. In der DDR dominierte die Selbstinterpretation als »antifaschistischer« deutscher Nachfolgestaat. Die Orte der ehemaligen Konzentrationslager (KZ) Buchenwald, Ravensbrück und Sachsenhausen wurden zu »Nationalen Mahn- und Gedenkstätten« und stellten vor allem den kommunistischen Widerstand dar. In der Bundesrepublik dominierte zunächst die Erinnerung an die Opfer der alliierten Bombenangriffe, von Flucht und Vertreibung. Das Gedenken an die nationalsozialistische Verfolgung, den Holocaust oder den Widerstand war einzelnen Gruppen überlassen, Täter und Tatbeteiligungen – außerhalb juristischer Prozesse – kein Gegenstand öffentlicher Diskussion. Das änderte sich ab Mitte der 1960er Jahre, als nach intensiver Debatte die Verjährung für Mord aufgehoben wurde. Gleichzeitig entstanden Erinnerungsstätten an Orten ehemaliger KZ (1965: Dachau und Neuengamme; 1966: Bergen-Belsen) und die Gedenkstätte Deutscher Widerstand 1968 in West-Berlin. Erst in den 1980er Jahren entwickelte sich durch lokale Initiativen eine vielfältige, oft kleinteilige Erinnerungslandschaft. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurden eine gesamtstaatliche Gedenkstättenkonzeption entwickelt und Orte der Erinnerung umfangreich überarbeitet. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin konnte 2005 der Öffentlichkeit übergeben werden. Eine umfangreiche Dokumentation der nationalsozialistischen Verbrechen und ihrer Täter, die Topographie des Terrors, wurde im Mai 2010 eröffnet; das Ausstellungszentrum »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« folgte 2021. Mittlerweile erinnern zentrale Denkmäler in Berlin auch an weitere Opfergruppen: An die ermordeten Sinti und Roma, an die Opfer im Rahmen der NS-»Euthanasie« ermordeten Patienten und an die verfolgten Homosexuellen. Die Opfer des nationalsozialistischen Terrors in den früheren Ostgebieten fielen nach Kriegsende einem doppelten Vergessen anheim. Die Erinnerung blieb für Jahrzehnte auf landsmannschaftliche Verbände in der BRD beschränkt und schloss die Zeit von 1933 bis 1945 meist aus. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs nehmen sich jedoch deutsche, polnische, litauische und russische Initiativen auch dieses Teils der deutschen Vergangenheit an.

Erinnerung

2003 beschloss das Präsidium des Landtags von Baden-Württemberg eine Dokumentation für die 18 ermordeten oder aufgrund der Verfolgung zu Tode gekommenen badischen und württembergischen Abgeordneten in Auftrag zu geben. Anlass war der siebzigste Jahrestag der Machtübernahme durch die NSDAP. Das im Ergebnis dieser Dokumentation entstandene Gedenkbuch liegt seit dem 30. März 2004 im Hauptgeschoss des Landtagsgebäudes in Stuttgart aus. Das Gedenkbuch enthält neben biographischen Angaben der 18 Abgeordneten unter anderem Auszüge über die Grund- und Menschenrechte sowie die »Weimarer Reichsverfassung« von 1919. Erklärtes Ziel der Dokumentation ist es, anhand der Darstellung von Einzelschicksalen der in der NS-Zeit verfolgten Politiker auf die Bedeutung gesetzlich verankerter Menschenrechte in einer parlamentarisch-rechtsstaatlichen Demokratie hinzuweisen.

Angebote

Broschüre über den Inhalt des Gedenkbuches in DIN-A-4

Öffnungszeiten

Montags bis freitags 9.00 bis 17.00

Kontakt

http://www.landtag-bw.de

post@landtag-bw.de

+49 (0)711 206 30

Konrad-Adenauer-Straße 3
70173 Stuttgart