Erinnerungszentrum Lager Westerbork

Herinneringscentrum Kamp Westerbork


In Westerbork erinnert eine Gedenkstätte an das Schicksal der Juden, die aus dem »Polizeilichen Judendurchgangslager Westerbork« in die Konzentrations- und Vernichtungslager im besetzten Osten deportiert wurden.

Geschichte

Das Lager Westerbork wurde 1939 ursprünglich von den niederländischen Behörden eingerichtet, um dem Flüchtlingsstrom aus dem »Dritten Reich« Herr zu werden. Viele Juden und politisch Verfolgte aus Deutschland suchten im Nachbarland Zuflucht. Die niederländische Regierung weigerte sich aber in vielen Fällen, sie zu integrieren und brachte die Flüchtlinge in Lagern unter. Das zentrale Lager wurde bei der Ortschaft Hoogdalen auf dem Gebiet der Gemeinde Westerbork errichtet.
Als die deutsche Wehrmacht am 10. Mai 1940 die Niederlande angriff, befanden sich im Lager rund 700 Menschen. Das Lager blieb unter Aufsicht der niederländischen Verwaltung, bis die Besatzungsbehörden zwei Jahre später Westerbork zum Durchgangslager für die Judendeportationen bestimmten. Neben der bereits vorhandenen Infrastruktur war die geographische Nähe zum Deutschen Reich der Hauptgrund für diese Entscheidung. Das Lager wurde erweitert, mit dem Eisenbahnnetz verbunden und ging am 1. Juli 1942 als »Polizeiliches Judendurchgangslager« in die Hände der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes über. Zu diesem Zeitpunkt waren 1.527 Häftlinge dort interniert.
Die Deportationen begannen noch im selben Monat. Juden wurden mit Hilfe der örtlichen Polizei gesammelt und nach Westerbork verschleppt, von wo sie die SS dann meist nach kurzer Zeit weiter in Richtung Osten deportierte. Der erste Transport fuhr am 15. Juli 1942 nach Auschwitz. Bis zum 13. September 1944 fuhren 93 weitere Deportationszüge nach Auschwitz, Sobibor, Theresienstadt und Bergen-Belsen. Viele Juden blieben jedoch länger im Lager, in dem den Häftlingen eine gewisse Alltagsnormalität vorgetäuscht wurde. Im Lager gab es eine Selbstverwaltung der Häftlinge, Schulen sowie diverse kulturelle und sportliche Veranstaltungen. Diese Taktik der bewussten Täuschung führte dazu, dass die Opfer die ihnen drohende Gefahr nicht erkannten und auch bei den Deportationen ruhig blieben.

Opfergruppen

Das Durchgangslager Westerbork war der zentrale Ort zur Ausführung der »Endlösung der Judenfrage« in den Niederlanden. Von den 140.000 Juden, die zum Zeitpunkt des deutschen Einmarschs in den Niederlanden lebten, wurden alle Deportierten, etwa 107.000 Personen, durch das Durchgangslager Westerbork in den Osten verschleppt. Weniger als 5.000 überlebten die Konzentrationslager. Unter den Deportierten waren auch 245 Sinti und Roma. Von ihnen überlebten nur 30.
Im Lager selbst starben 751 Menschen, vor allem Alte und Kranke. Mehr als 500 Verstorbene wurden im Krematorium des Lagers eingeäschert.

Erfahre mehr über Niederlande

Als die deutsche Wehrmacht das Königreich der Niederlande im Mai 1940 besetzte, lebten hier knapp 120.000 Juden – davon 75.000 in Amsterdam. Eine von der SS dominierte Zivilverwaltung begann umgehend mit der Durchsetzung antijüdischer Maßnahmen und organisierte Gewaltakte. Bereits Ende März 1941 richtete die SS eine »Zentralstelle für jüdische Auswanderung« in Amsterdam ein. Im Jahr darauf, am 22. Juni 1942, unterrichtete der Leiter des Judenreferats im SS-Reichssicherheitshauptamt, Adolf Eichmann (1906–1962), das Auswärtige Amt in Berlin darüber, dass man sich mit der Deutschen Reichsbahn über den Transport unter anderem von 40.000 Juden aus den Niederlanden geeinigt habe. Sie kamen zunächst in das Durchgangslager Westerbork, wo namentliche Transportlisten erstellt wurden. Ab Mitte Juli 1942 rollten von hier aus die ersten Züge nach Osten. Immer wieder kam es zu Razzien, um Juden für die Verschleppungen zusammenzutreiben. Bis September 1944 gingen um die hundert Transporte von Westerbork in die Vernichtungslager Auschwitz und Sobibor, in das Ghetto Theresienstadt und in das Konzentrationslager Bergen-Belsen ab. Die SS deportierte über 100.000 Menschen – mehrheitlich Juden, aber auch Roma. Ebenso wurden Juden mit einer Staatsangehörigkeit der Niederlande aus Frankreich und Belgien in den Tod verschleppt. Die Gesamtzahl der zwischen Mai 1940 und Ende 1944 ermordeten niederländischen Juden liegt bei bis zu 102.000 Personen, etwa 75 Prozent der jüdischen Bevölkerung vor dem Holocaust. Darüber hinaus kamen über 110.000 nichtjüdische Zivilisten während Besatzung und Krieg ums Leben. Die Zahl an Denkmälern, Museen, Gedenkstätten, Gedenktafeln, kleineren Erinnerungsstätten, aber auch Forschungseinrichtungen und Archiven zum Zweiten Weltkrieg ist in den Niederlanden fast unüberschaubar. Bereits 1947 wurde das 22 Meter hohe »Nationaldenkmal op den Dam« in Amsterdam errichtet, das allen niederländischen »Opfern des Zweiten Weltkrieges« gewidmet ist und 1956 seine heutige Gestaltung erhielt. Seit 1960 gibt es das Anne-Frank-Haus. Zentrale staatliche Erinnerungsorte sind die Stätten ehemaliger nationalsozialistischer Konzentrations- oder Durchgangslager. In Westerbork beispielsweise besteht seit 1983 eine Anlage, zu der das historische Lagergelände, ein nationales Denkmal und ein modernes Museum gehören. 1987 wurde in der Großen Synagoge von Amsterdam das »Joods Historisch Museum« (Jüdisch-Historisches Museum) eröffnet, in dem auch die Verfolgung und Ermordung der Juden behandelt wird. 2021 wurde in Amsterdam ein neues Holocaustdenkmal eingeweiht, in das die Namen von 102.000 ermordeten Juden sowie Sinti und Roma eingraviert sind. Nach Kriegsende war die niederländische Erinnerungskultur vor allem durch die Betonung des Widerstands gegen die deutsche Besatzung gekennzeichnet. Insbesondere ab den 1980er Jahren spielte dann auch die Frage, wie sich die Bevölkerungsmehrheit – im Gegensatz zur bewussten Kollaboration – im Besatzungsalltag einrichtete (»Akkomodation«), eine immer größere Rolle in der niederländischen Erinnerungskultur. Ein weiterer Aspekt des niederländischen Gedenkens ist der hervorgehobene Bezug auf die Gegenwart. Er wird in Mahnmalen für verfolgte Sinti und Roma sowie insbesondere bei einem der weltweit bedeutendsten Denkmäler zur Erinnerung an die Verfolgung Homosexueller während des Nationalsozialismus in Amsterdam deutlich.

Erinnerung

Bereits bevor alle verbliebenen Juden das Lager verlassen konnten, hielten die Alliierten niederländische Kollaborateure im Lager Westerbork fest. Das Gelände wurde bis Dezember 1948 als Internierungslager benutzt und von ehemaligen niederländischen Widerstandskämpfern geführt. Mindestens 89 Internierte starben im Sommer 1945. Als die ehemalige niederländische Kolonie Indonesien 1949 unabhängig wurde, kamen viele Flüchtlinge in die Niederlande. Westerbork wurde wieder zum Flüchtlingslager, der Name wurde unterdessen in »Wohnort Schattenberg« geändert. Erst als es klar wurde, dass die Flüchtlinge nicht mehr in ihre Heimat würden zurückkehren können, wurde das Lager aufgelöst. Die letzten Einwohner mussten 1971 ausziehen.
1949 errichtete die »Stiftung 40-45« hinter dem Gebäude des ehemaligen Krematoriums ein Denkmal, das an 10 erschossene Widerstandskämpfer erinnert. Erst 1970, nach jahrelangen Bemühungen der örtlichen Behörden und der jüdischen Gemeinde wurde ein Denkmal aufgestellt, das an das Schicksal der deportierten Juden erinnert. Politiker, ehemalige Häftlinge und Bürger bemühten sich danach um eine Weiterentwicklung des Geländes. 1983 wurde ein Erinnerungszentrum in der Nähe des Lagers eröffnet. Darüber hinaus finanzierte der Staat die Renovierung des Lagergeländes, bei der auch Originalobjekte rekonstruiert wurden. 1999 wurde das Erinnerungszentrum um ein modernes Museumsgebäude ergänzt.

Angebote

Bibliothek, Archiv, Unterstützung bei Suchanfragen, Führungen, Publikationen, Gedenkveranstaltungen

Öffnungszeiten

Täglich 10.00 bis 17.00, an Feiertagen 11.00 bis 17.00, 25. Dezember, 31. Dezember und 6.-21. Januar geschlossen
Das ehemalige Lagergelände ist jederzeit frei zugänglich

Kontakt

http://www.kampwesterbork.nl

info@kampwesterbork.nl

+31 (0)593 592 600