Erinnerungsstätte Lager Weyer/Innviertel

Erinnerungsstätte Lager Weyer/Innviertel


Im Mai 1940 errichtete die Gauleitung Oberdonau ein »Arbeitserziehungslager« in der oberösterreichischen Gemeinde St. Pantaleon. Nach dessen Auflösung diente das Lager ab 1941 als »Zigeuneranhaltelager«. Erst in den 1990er Jahren veranlasste eine örtliche Bürgerinitiative die Errichtung einer Erinnerungsstätte für die beiden Lager durch die Gemeinde St. Pantaleon. Die Eröffnung fand im Jahr 2000 statt.

Geschichte

In der oberösterreichischen Gemeinde St. Pantaleon im Innviertel unterhielt die Gauleitung Oberdonau unter Beteiligung der örtlichen Deutschen Arbeitsfront (DAF) ab 1940 ein »Arbeitserziehungslager«. Denunziationen von Mitbürgern führten bei vielen der Insassen zur Einweisung in das Lager. Die als ›asozial‹ oder ›arbeitsscheu‹ eingestuften Männer waren unter Aufsicht von SA-Angehörigen zu Zwangsarbeit in der Umgebung eingesetzt. Im Lager litten die Häftlinge an Misshandlungen durch das Wachpersonal. Als diese Misshandlungen zu fünf, kurz aufeinander folgenden Morden um Weihnachten 1940 führten, erstattete schließlich der Lager- und Gemeindearzt von St. Pantaleon Anzeige beim Amtsgericht. Nach dem Beginn der Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft schloss die DAF das Lager Anfang 1941. Für einige Häftlinge folgte die Freilassung, andere wurden in das Konzentrationslager Mauthausen überführt. Das Verfahren gegen Angehörige der Wachmannschaft stellte das Berliner Reichsjustizministerium schließlich nach Einmischung des örtlichen Gauleiters ein.
Unmittelbar nach der Schließung des DAF-Lagers entstand ein »Zigeuneranhaltelager« für österreichische Sinti und Roma. Polizeireservisten übernahmen die Aufsicht im Lager und ein Beamter der Linzer Kriminalpolizei (Kripo) die Lagerleitung. Die Mehrzahl der etwa 340 Internierten waren Roma aus der Umgebung; zumeist waren es ganze Familien, Männer, Frauen und Kinder, die die Kripo in das Lager einwies. Die Häftlinge mussten Zwangsarbeit leisten, vor allem in der Landwirtschaft. Das »Zigeuneranhaltelager« bestand bis November 1941. Bei der Auflösung des Lagers ließ die SS die etwa 300 überlebenden Lagerhäftlinge nach Lackenbach und von dort in das Ghetto Litzmannstadt (polnisch: Łódź) deportieren. Der Großteil der Verschleppten überlebte nicht.

Opfergruppen

Während der Nutzung als »Arbeitserziehungslager« der DAF sind mindestens fünf Morde an Gefangenen durch das Wachpersonal dokumentiert.
Von den über 340 in das »Zigeuneranhaltelager« eingewiesenen Roma kamen fast alle ums Leben. Mindestens drei Menschen starben im Lager, die genaue Zahl der Opfer ist jedoch unbekannt. Die überlebenden 300 wurden 1941 in das Ghetto Litzmannstadt verschleppt. Fast alle starben im Ghetto oder später im Vernichtungslager Kulmhof (polnisch: Chełmno).

Erfahre mehr über Österreich

Am 12. März 1938 rückte die deutsche Wehrmacht unter dem Jubel zahlreicher Einwohner in die Republik Österreich ein. Am folgenden Tag wurde der »Anschluss« des Landes an das Deutsche Reich proklamiert, das fortan »Ostmark« hieß. Einheimische Nationalsozialisten begannen umgehend mit der Verfolgung der jüdischen Minderheit und von Regimegegnern. Ab Mai 1938 besaßen die deutschen antijüdischen Gesetze auch im eingegliederten Österreich Gültigkeit. Bis Ende 1939 gelang über 126.000 Juden, meist aus Wien, die Flucht. Bereits im Herbst 1939 begannen erste Deportationen österreichischer Juden in das besetzte Polen. Bis 1945 verschleppte die SS fast 48.600 Juden aus Österreich und 16.600 weitere, die in anderen Ländern Zuflucht gefunden hatten, in den besetzten Osten, wo sie fast ausnahmslos ermordet wurden. Über 40.000 nichtjüdische Zivilisten fanden den Tod, darunter über 8.000 aus dem Burgenland verschleppte Sinti und Roma. 1945 teilten die Alliierten das Land in vier Besatzungszonen auf. Die sowjetische Besatzungsmacht errichtete ein »Befreiungsdenkmal« in Wien. Die Vertreter der provisorischen Allparteienregierung Österreichs aus Sozialisten, Kommunisten und Volkspartei nutzten dessen Übergabe am 19. August 1945, um Österreich als »das erste freie Land, das der Hitlerischen Aggression zum Opfer gefallen ist«, zu bezeichnen. Diese Haltung fand für Jahrzehnte breiten Widerhall in Politik und Bevölkerung. In den 1960er Jahren begannen allerdings heftige Auseinandersetzungen über die Beteiligung von Österreichern am Nationalsozialismus. Sie fanden bei einer Demonstration im März 1965 ihren Tiefpunkt, als ein rechtsextremer Student dem ehemaligen KZ-Häftling Ernst Kirchweger (*1898) tödliche Verletzungen zufügte. Kirchweger war das erste politische Todesopfer in Österreich nach 1945. In der Folgezeit wurden in der österreichischen Öffentlichkeit vermehrt Stimmen laut, die vor einer Verharmlosung der Jahre 1938 bis 1945 warnten. Mehrfach erschütterten Skandale um politisch Verantwortliche und deren Vergangenheit das Land, so während der »Waldheim-Debatte« zwischen 1986 und 1992. Der Vorwurf, der österreichische Bundespräsident und ehemalige UNO-Generalsekretär Kurt Waldheim (1918–2007) sei an Kriegsverbrechen auf dem Balkan beteiligt gewesen, spaltete das Land. Waldheim konterte, er habe »wie hunderttausend andere Österreicher« lediglich seine Pflicht getan. Erst Anfang der 1990er gestand der damalige Bundeskanzler Franz Vranitzky (*1937) eine österreichische Mitschuld am Holocaust ein. Bereits 1963 nahm das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands seine Arbeit auf, das die Geschichte des Holocaust und den Rechtsextremismus in Österreich untersucht sowie eine kleine Ausstellung zeigt. Die 1970 in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen eröffnete Dauerausstellung blieb für lange Zeit fast die einzige zur Geschichte des Nationalsozialismus in Österreich. 1983 beschloss der Wiener Gemeinderat, ein »Mahnmal gegen Krieg und Faschismus« zu errichten. Das durch den Bildhauer Alfred Hrdlicka (*1928) entworfene Erinnerungszeichen wurde 1991 eingeweiht, das »Mahnmal für die österreichischen jüdischen Opfer der Shoa« folgte 2000. Zeichen des staatlichen Umdenkens in Österreich sind Gesetze zur Entschädigung geraubten Eigentums, Entschädigungszahlungen an ehemalige Zwangsarbeiter sowie eine Historikerkommission, die zwischen 1998 und 2003 den Vermögensentzug während des Nationalsozialismus untersuchte. 2009 wurden ehemalige Deserteure der Wehrmacht juristisch rehabilitiert, 2014 ein Denkmal für sie eingeweiht.

Erinnerung

Nach jahrzehntelangem Vergessen führten die Recherchen des österreichischen Schriftstellers Ludwig Laher und eine örtliche Bürgerinitiative zur Auseinandersetzung mit der Geschichte der beiden Lager. Die Erinnerungsstätte eröffnete im Jahr 2000. Die Gemeinde St. Pantaleon-Weyer errichtete sie zusammen mit der lokalen Bürgerinitiative, die als Verein Erinnerungsstätte Lager Weyer/Innviertel weiterhin die Gedenkstätte betreut und die Geschichte der Lager erforscht. Der Verein setzt sich außerdem für die Roma-Minderheit Oberösterreichs ein.
Im Zentrum der Erinnerungsstätte steht eine Bronzeplastik, die eine Gruppe von vier trauernden Figuren zeigt. Die Plastik ist durch einen runden Granitsockel erhöht. Eine am Sockel angebrachte Tafel gedenkt der Opfer beider Lager.
Die Erinnerungsstätte befindet sich nicht auf dem Gelände des ehemaligen Lagers, das inzwischen zur Gemeinde Haigermoos gehört, sondern etwa 5 Kilometer südlich, auf dem Gebiet der Gemeinde Sank Pantaleon.

Angebote

Archiv, Publikationen, Führungen, Lesungen und pädagogische Programme für Schulen

Öffnungszeiten

Die Erinnerungsstätte ist jederzeit zugänglich.

Kontakt

http://www.lager-weyer.at

office@lager-weyer.at

+43 (0)6277 7212