Erinnerungsort Alter Schlachthof

Erinnerungsort Alter Schlachthof


Auf dem Campus der Hochschule Düsseldorf befindet sich seit 2016 der Erinnerungsort Alter Schlachthof. Während des Zweiten Weltkrieges war er die Sammelstelle für Juden aus Düsseldorf und Umgebung, bevor sie in den besetzten Osten deportiert wurden.

Geschichte

Juden lebten in Düsseldorf bereits im Mittelalter, aber erst in der Neuzeit etablierte sich eine jüdische Gemeinde dauerhaft in der Stadt. Die Zahl der Juden in Düsseldorf war nie besonders hoch, aber die Gemeinde gehörte ab dem späten 19. Jahrhundert zu den liberalsten in Deutschland. Vor dem Ersten Weltkrieg waren etwa 3.000 der etwa 400.000 Einwohner der schnell wachsenden Stadt Juden. 1904 wurde die Große Synagoge in der Kasernenstraße eingeweiht, und zwischen 1907 und 1912 diente der berühmte Vordenker des liberalen Judentums Leo Baeck (1873–1956) als Rabbiner der Gemeinde.
Als die Nationalsozialisten 1933 an die Macht kamen, lebten etwa 5.000 Juden in Düsseldorf. Nach und nach wurden sie aus dem öffentlichen Leben herausgedrängt. Ab 1936 galten für sie die Nürnberger Rassegesetze. Während der Novemberpogrome 1938 verhafteten Nationalsozialisten und ihre Sympathisanten 141 Juden, plünderten jüdische Wohnungen und zerstörten die Große Synagoge, die bald darauf abgerissen wurde. Viele Juden emigrierten kurz darauf.
1941 begannen »Judendeportationen« aus dem Deutschen Reich in Ghettos und Vernichtungsstätten im besetzten Osten. Der erste Transport von etwa 1.000 Juden aus dem Regierungsbezirk Düsseldorf verließ die Stadt am 27. Oktober 1941 mit dem Ziel Ghetto Litzmannstadt (Lodz, polnisch: Łódź). Es folgten weitere sechs Transporte nach Minsk, Riga, Izbica und Theresienstadt (tschechisch: Terezín). Als Sammelstelle für die Deportationen diente jeweils die Großviehhalle des Städtischen Schlachthofs in unmittelbarer Nähe des Güterbahnhofs Düsseldorf-Derendorf. Vor ihrer Verschleppung wurden die Juden hier registriert und ihrer Habe beraubt. Die Opfer stammten aus dem gesamten Regierungsbezirk Düsseldorf, also auch aus Städten wie Essen, Mönchengladbach, Oberhausen oder Duisburg.

Opfergruppen

Bis zu 6.000 jüdische Kinder, Frauen und Männer aus dem gesamten Regierungsbezirk Düsseldorf verschleppten die nationalsozialistischen Behörden in insgesamt sieben Transporten in Ghettos und Vernichtungsstätten im besetzten Osteuropa. Alle Opfer durchliefen den Schlachthof in Düsseldorf-Derendorf, der als Sammelstelle diente. Nur wenige der Deportierten überlebten den Holocaust.

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Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begann die staatliche Verfolgung der Gegner des Regimes, von Juden, als »Zigeuner« bezeichneten Roma, Patienten sowie zahlreichen anderen Gruppen. Antisemitismus wurde erstmals Bestandteil der Regierungspolitik eines modernen Staates, die Verfolgung aller Gruppen schrittweise verschärft. Dabei griffen staatliche Verordnungen, Gewalttaten von Anhängern des Regimes und die Hetze der Presse ineinander. Der Terror gegen Juden im November 1938 (»Kristallnacht«) mit etwa hundert Toten bildete den Scheitelpunkt hin zur vollständigen Ausgrenzung und Ermordung der jüdischen Minderheit. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 gerieten weite Teile Europas unter deutsche Herrschaft. Insbesondere im Osten entstand ein vielgliedriges System von Lagern und Mordstätten, in dem die SS bis zu sechs Millionen Juden, unter ihnen etwa 165.000 deutsche Juden, ermordete. Die Zahl der übrigen Deutschen, die in Folge des Krieges ihr Leben verloren, wird auf etwa sieben Millionen geschätzt, darunter fast 3,5 Millionen Zivilisten. Etwa 28 Millionen Einwohner der besetzten Sowjetunion (Soldaten und Zivilbevölkerung) und drei Millionen nichtjüdische Polen kamen gewaltsam zu Tode; an sie wird in Deutschland bis heute kaum erinnert. Deutschland wurde 1945 von den Alliierten besetzt; 1949 entstanden die Deutsche Demokratische Republik (DDR) und die Bundesrepublik Deutschland (BRD) mit sehr unterschiedlichen Gedenkkulturen. In der DDR dominierte die Selbstinterpretation als »antifaschistischer« deutscher Nachfolgestaat. Die Orte der ehemaligen Konzentrationslager (KZ) Buchenwald, Ravensbrück und Sachsenhausen wurden zu »Nationalen Mahn- und Gedenkstätten« und stellten vor allem den kommunistischen Widerstand dar. In der Bundesrepublik dominierte zunächst die Erinnerung an die Opfer der alliierten Bombenangriffe, von Flucht und Vertreibung. Das Gedenken an die nationalsozialistische Verfolgung, den Holocaust oder den Widerstand war einzelnen Gruppen überlassen, Täter und Tatbeteiligungen – außerhalb juristischer Prozesse – kein Gegenstand öffentlicher Diskussion. Das änderte sich ab Mitte der 1960er Jahre, als nach intensiver Debatte die Verjährung für Mord aufgehoben wurde. Gleichzeitig entstanden Erinnerungsstätten an Orten ehemaliger KZ (1965: Dachau und Neuengamme; 1966: Bergen-Belsen) und die Gedenkstätte Deutscher Widerstand 1968 in West-Berlin. Erst in den 1980er Jahren entwickelte sich durch lokale Initiativen eine vielfältige, oft kleinteilige Erinnerungslandschaft. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurden eine gesamtstaatliche Gedenkstättenkonzeption entwickelt und Orte der Erinnerung umfangreich überarbeitet. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin konnte 2005 der Öffentlichkeit übergeben werden. Eine umfangreiche Dokumentation der nationalsozialistischen Verbrechen und ihrer Täter, die Topographie des Terrors, wurde im Mai 2010 eröffnet; das Ausstellungszentrum »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« folgte 2021. Mittlerweile erinnern zentrale Denkmäler in Berlin auch an weitere Opfergruppen: An die ermordeten Sinti und Roma, an die Opfer im Rahmen der NS-»Euthanasie« ermordeten Patienten und an die verfolgten Homosexuellen. Die Opfer des nationalsozialistischen Terrors in den früheren Ostgebieten fielen nach Kriegsende einem doppelten Vergessen anheim. Die Erinnerung blieb für Jahrzehnte auf landsmannschaftliche Verbände in der BRD beschränkt und schloss die Zeit von 1933 bis 1945 meist aus. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs nehmen sich jedoch deutsche, polnische, litauische und russische Initiativen auch dieses Teils der deutschen Vergangenheit an.

Erinnerung

Der 1899 in Betrieb genommene städtische Schlachthof in Düsseldorf–Derendorf wurde bis 2002 genutzt. Danach verwaiste das Gelände. An die Deportationen erinnerte nur eine kleine Gedenktafel. Im Februar 2016 wurde der neue Campus der Hochschule Düsseldorf auf dem Gelände eröffnet. In der erhaltenen, denkmalgeschützten Großviehhalle befinden sich das Rechenzentrum und die Hochschulbibliothek. Im Eingangsbereich der Halle hat der Erinnerungsort Alter Schlachthof seinen Platz gefunden. Konzipiert und realisiert wurde der Erinnerungsort von Mitarbeitern und Studenten der Hochschule.
Die Dauerausstellung dokumentiert am historischen Ort die dort verübten Verbrechen. Lebens- und Familiengeschichten werden rekonstruiert. Im Digitalen Archiv werden neben vielen historischen Dokumenten biographische Informationen und Fotos von allen Verfolgten, aber auch von Tätern und Profiteuren, gesammelt und präsentiert. Auch der Umgang mit den wenigen Überlebenden des Holocaust und die Nachwirkungen des Nationalsozialismus werden thematisiert.
Die Ausstellung wird um ein historisch-politisches Bildungsprogramm ergänzt, das in Zusammenarbeit mit dem Forschungsschwerpunkt Rechtsextremismus/Neonazismus der Hochschule Düsseldorf entwickelt wurde. In Führungen, Workshops, Lesungen und Vorträgen werden die Geschichte des historischen Ortes und der Menschen aus der Region, die in die Ghettos und Vernichtungslager deportiert wurden, aber auch Gegenwartsfragen wie Rassismus, Antisemitismus, Rechtsextremismus, Ausgrenzung und Umgang mit Minderheiten thematisiert.

Angebote

Dauerausstellung, digitales Archiv, öffentliche Führungen, Workshops, Lesungen

Öffnungszeiten

Montag bis Freitag: 8.00 bis 20.00
Samstags: 11.00 bis 19.00
Sonntags und feiertags geschlossen

Kontakt

http://www.erinnerungsort-duesseldorf.de

info@erinnerungsort-duesseldorf.de

+49 (0)211 435 133 70

Münsterstraße 156
40476 Düsseldorf