In der Umgebung von Schwetz an der Weichsel (polnisch: Świecie) erinnert ein Denkmal an die Ermordung von etwa 1.300 Psychiatriepatienten durch die SS 1939 sowie an tausende polnische Zivilisten und Juden, die hier bis 1945 erschossen wurden.
Geschichte
Nach dem Ersten Weltkrieg fiel die deutsche Stadt Schwetz in Pommern 1920 an Polen. Seitdem hieß die Stadt Świecie. Mit dem Angriff der Wehrmacht auf Polen im September 1939 marschierten auch Einsatzgruppen der SS ein. Die Einsatzgruppe ging vor allem gegen polnische Zivilisten und Juden vor. Angehörige der gebildeten polnischen Oberschicht wurden verhaftet und später erschossen. Zu den ersten Opfern der SS-Morde gehörten jedoch etwa 200 Patienten der Schwetzer Psychiatrie. Die SS ließ die psychiatrische Anstalt in Schwetz zwischen Mitte September und Oktober 1939 räumen, SS-Männer brachten die Patienten zu einer abseits gelegenen Kiesgrube in der Nähe des Dorfes Mischke (polnisch: Mniszek). Dort erschossen Angehörige eines Danziger SS-Kommandos die Kranken. Insgesamt etwa 1.300 Psychiatriepatienten aus Schwetz und der Region Pommern wurden an jener Grube erschossen, weil die Besatzer in ihnen »unnütze Esser« sahen. Ähnliche Erschießungsaktionen fanden in ganz Polen statt. Die geräumte Psychiatrie von Schwetz diente den deutschen Besatzungsbehörden ab Oktober 1939 als Gefängnis. Die SS verhaftete vor allem Mitglieder der polnischen Intelligenz: Lehrer, katholische Priester und Juden wurden von ihr als Gegner angesehen. An der Kiesgrube in Mischke erschoss die SS im Rahmen der »Intelligenzaktion« mehrere tausend polnische Zivilisten aus der Region. Die in der Kiesgrube erschossenen Menschen wurden in einem Massengrab bestattet. Es gehört zu den größten Massengräbern in ganz Polen.
Opfergruppen
An der Kiesgrube in Mischke erschossen Angehörige der SS etwa 10.000 polnische Zivilisten. Vor allem Mitglieder der polnischen Oberschicht, Intellektuelle, katholische Priester und Juden aus der Region Pommern wurden hier von der SS ermordet. Zu den ersten Opfern der Erschießungen gehörten etwa 1.300 Psychiatriepatienten, etwa 200 von ihnen kamen aus der psychiatrischen Anstalt in Schwetz.
Mit dem Angriff auf Polen und der Besetzung des Landes durch deutsche Truppen im Westen und durch die Rote Armee im Osten begann im September 1939 der Zweite Weltkrieg. Unmittelbar nach dem Einmarsch setzten in beiden Teilungsgebieten Verfolgung und Terror ein. Deutsche Verbände verübten Massaker an Angehörigen der geistigen Eliten, jüdischen und nichtjüdischen Zivilisten sowie Patienten.
Ab Ende 1939 errichtete die deutsche Verwaltung Ghettos, in denen die jüdische Bevölkerung unter elenden Bedingungen zusammengedrängt wurde. 1941, nach dem Angriff auf die Sowjetunion, geriet auch Ostpolen unter deutsche Herrschaft. SS-Einsatzgruppen ermordeten zunächst systematisch jüdische Männer, später auch Frauen und Kinder. Im Herbst 1941 begannen lokale deutsche Dienststellen im früheren Westpolen mit der Vorbereitung von Massentötungen jüdischer Ghettohäftlinge durch Giftgas. Bis 1945 wurden etwa drei Millionen polnische Juden in den Vernichtungsstätten Kulmhof, Belzec, Treblinka und Sobibor, in Majdanek und Auschwitz ermordet, verhungerten in den Ghettos oder wurden erschossen. 1943 erhoben sich die jüdischen Bewohner des Warschauer Ghettos zu einem Aufstand, den die SS blutig niederschlug.
Polnische Soldaten kämpften auf Seiten der Alliierten an allen Fronten des Weltkriegs. Partisanengruppen, darunter die patriotische »Armia Krajowa« (Heimatarmee), bildeten die größte Widerstandsbewegung im besetzten Europa. Am 1. August 1944 begann der Warschauer Aufstand, die umfangreichste Erhebung von Zivilisten gegen die Deutschen im besetzten Europa. Er scheiterte, auch weil die Rote Armee – bereits am anderen Weichselufer stehend – nicht eingriff. Die Zahl der Toten wird auf bis zu 250.000 geschätzt. Insgesamt kamen etwa drei Millionen nichtjüdische Polen unter deutscher Besatzung gewaltsam zu Tode.
Nachdem die Rote Armee bereits im Januar 1944 (ost-)polnischen Boden erreicht hatte, wurden die Truppen der Armia Krajowa vom sowjetischen Geheimdienst entwaffnet, ihre Offiziere erschossen oder verschleppt. Die Millionen Toten der Besatzungszeit, die dauerhafte Annexion Ostpolens durch die Sowjetunion, die Eingliederung ostdeutscher Gebiete und der daraus resultierende Bevölkerungsaustausch verursachten in Polen ein schweres politisches und gesellschaftliches Trauma.
In der Erinnerungskultur stand das Gedenken an die Ermordung der europäischen Juden in deutschen Vernichtungslagern auf polnischem Boden zunächst im Hintergrund. So galt Auschwitz – im Ausland längst zum Symbol des Holocaust geworden – über Jahrzehnte vor allem als »Ort polnischen Martyriums«. Veränderungen gibt es allerdings seit Beginn des 21. Jahrhunderts. Dazu mögen auch die heftigen Debatten um den ostpolnischen Ort Jedwabne beigetragen haben. Das Massaker an etwa 340 Juden am 10. Juli 1941, das bis dahin »Gestapo und Hitler-Polizei« zugeschrieben worden war, hatten polnische »Nachbarn« ohne deutschen Zwang verübt. Die Diskussionen im In- und Ausland um eine polnische Mittäterschaft führten 2001 dazu, dass sich Staatspräsident Aleksander Kwaśniewski (*1954) bei den Opfern entschuldigte. Forderungen von Fachleuten, etwa aus dem Institut des Nationalen Gedenkens, sich den schwierigsten Kapiteln der Vergangenheit zu stellen, wurden lauter. Zu diesen zählen auch antijüdische Pogrome 1946/47 und der staatliche Antisemitismus im sozialistischen Nachkriegspolen.
Der polnische Staat investiert sehr viel in Erinnerungspolitik, auch in Großprojekte mit internationaler Ausstrahlung. Das Museum des Warschauer Aufstandes wurde bereits 2004 eröffnet. Das POLIN Museum der Geschichte der polnischen Juden eröffnete auf dem Gebiet des ehemaligen Warschauer Ghettos 2013, ein Museum des Warschauer Ghettos soll 2024 folgen. In Danzig gibt es seit 2017 das Museum des Zweiten Weltkrieges. Die ehemaligen deutschen Vernichtungslager Belzec und Sobibor wurden nach der Jahrtausendwende in moderne Gedenkstätten umgewandelt. Auch in der Kultur ist eine immer intensivere Beschäftigung mit dem jüdischen und multikulturellen Erbe Polens zu beobachten.
Erinnerung
Eine Gedenkanlage am Massengrab bei Mischke erinnert an die etwa 10.000 zwischen 1939 und 1945 erschossenen polnischen Zivilisten. Darunter sind auch die etwa 1.300 Psychiatriepatienten aus der Region Pommern; die ersten Opfer überhaupt waren die 200 Patienten aus Schwetz.
Die psychiatrische Klinik Schwetz trägt seit 1959 den Namen des Direktors Józef Bednarz, der ebenfalls im Herbst 1939 ermordet wurde. In der Klinik erinnert eine Gedenktafel an ihn und die ermordeten Patienten.
Öffnungszeiten
Die Gedenkanlage bei Mischke ist jederzeit zugänglich.
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