Erinnerung an die ermordeten Juden von Tiraspol

Память забытых евреев Тирасполя / Memoria evreilor uciși din Tiraspol


In Tiraspol erinnern mehrere Denkmäler auf dem jüdischen Friedhof und ein im Jahr 2018 eingeweihtes Denkmal an die zwischen 1941 und 1944 ermordeten Juden der Stadt.

Geschichte

Tiraspol, an den Ufern des Dnjestr gelegen, wurde 1792 gegründet. Juden lebten von Anfang an in der Stadt. Im Gegensatz zum größten Teil der heutigen Republik Moldau gehörte Tiraspol bereits nach der Russischen Revolution zur Sowjetunion. Vor dem Zweiten Weltkrieg waren mehr als ein Viertel der etwa 43.500 Einwohner Juden.
Rumänische und deutsche Truppen besetzten Tiraspol am 8. August 1941. Ein Großteil der in Tiraspol lebenden Juden schaffte es noch zuvor, in das Landesinnere der Sowjetunion zu fliehen. Viele jüdische Männer wurden in die Rote Armee eingezogen.
Nach ihrem Einmarsch trieben die deutschen und rumänischen Besatzer hunderte Juden zum Ort namens »Kirpitschnoja Slobodka« und erschossen sie dort.
Am 1. September 1941 wurde Tiraspol dem neu gegründeten, rumänisch kontrollierten »Gouvernement Transnistrien« zugeschlagen. Fortan markierte die Stadt einen der Übergänge über den Dnjestr nach Transnistrien. Viele Juden, die von den rumänischen Behörden vor allem aus Bessarabien und der Bukowina abgeschoben wurden, passierten Tiraspol, ohne die Erlaubnis zu erhalten, in der Stadt bleiben zu dürfen. Ende Januar 1942 befanden sich in der Stadt etwa 870 deportierte und einige einheimische Juden. Die rumänischen Besatzer erteilten etwa 100 Juden mit bestimmten Berufen die Erlaubnis, in Tiraspol zu bleiben und wiesen sie in ein Ghetto ein. Die Zahl der Ghettobewohner stieg bis Ende des Jahres auf über 800. Die Juden mussten außerhalb des Ghettos Zwangsarbeit leisten, ansonsten waren die Zustände im Ghetto im Vergleich zu anderen Lagern und Ghettos in Transnistrien erträglich, was auch am Wohlwollen einzelner Polizeioffiziere lag. Viele Juden bemühten sich deshalb um ein Bleiberecht in Tiraspol. Ab Dezember 1943 durfte das Ghetto auch materielle Unterstützung von einem Wohlfahrtskomitee in Bukarest erhalten.
Am 19. März 1944 zogen sich die rumänischen Truppen aus Tiraspol zurück und überließen die Stadt den Deutschen, die bei ihrem Rückzug weniger als einen Monat später einen Großteil der Juden in Tiraspol im Gefängnis ermordeten.

Opfergruppen

In den ersten Tagen nach der Eroberung der Stadt ermordeten deutsche und rumänische Einheiten über 500 Juden in Tiraspol. Bis zum Abzug der rumänischen Truppen gab es in Tiraspol zwar ein Ghetto, aber es gab keine Massenerschießungen mehr. Insgesamt kamen in Tiraspol etwa 2.000 Juden während der rumänischen und der deutschen Besatzung ums Leben.

Erfahre mehr über Republik Moldau

Die heutige Republik Moldau umfasst den größten Teil der historischen Provinz Bessarabien östlich des Flusses Pruth sowie einen kleinen Streifen östlich des Dnjestr, der zur Region Transnistrien (»jenseits des Dnjestr«) gehört. Die Landessprache ist rumänisch. Vor dem Ersten Weltkrieg gehörte diese Landschaft zum Russischen Zarenreich, danach jedoch, ohne den transnistrischen Teil, zum Königreich Rumänien. 1939 lebten hier etwa 205.000 Juden. Nachdem das Deutsche Reich und die Sowjetunion in einem Geheimabkommen – dem so genannten Hitler-Stalin-Pakt – ihre »Interessensphären« zwischen Ostsee und Schwarzem Meer abgesteckt hatten, marschierte die Rote Armee im Sommer 1940 in Bessarabien ein. Der sowjetische Geheimdienst NKWD verschleppte anschließend 11.000 »unliebsame« Personen, darunter über Tausend Juden, nach Sibirien. Rumänien suchte nach diesen umfangreichen Gebietsverlusten verstärkt die Nähe zum nationalsozialistischen Deutschland. Im Sommer 1941 marschierten seine Truppen an der Seite der deutschen Wehrmacht auf sowjetisches Gebiet vor, Bessarabien und das gesamte zur Ukraine gehörende transnistrische Gebiet bis zum Fluss Bug kamen unter rumänische Hoheit. Zwischen Juli und August 1941 ermordeten Angehörige der Wehrmacht und der SS-Einsatzgruppe D, rumänische Sonderkommandos und Polizeieinheiten über 150.000 Juden der Region, plünderten die verlassenen Häuser und Geschäfte. Die Überlebenden wurden in Ghettos und Lager gepfercht und ab dem 15. September über den Djnestr nach Transnistrien verschleppt, ebenso wie politische Gefangene, die der Kollaboration mit den sowjetischen Behörden verdächtigt wurden. Ab 1945 kehrten 7.000 bis 10.000 in die Sowjetunion geflohene oder verschleppte Juden zurück. Nach dem Krieg wurde Bessarabien erneut zur Moldawischen Sozialistischen Sowjetrepublik. Gedacht wurde der Befreiung durch die Rote Armee und des »Sieges« im Großen Vaterländischen Krieg. Alles »Rumänische« wurde systematisch getilgt. Nach der Unabhängigkeit der Republik Moldau 1991 wurde lange über eine Wiedervereinigung mit Rumänien gestritten. Die mehrheitlich russische Bevölkerung im transnistrischen Teil verhinderte dies aber. Der Grundkonflikt zwischen dem größeren bessarabisch-rumänischsprachigen und dem kleineren, seit 1992 nach einem kurzen Bürgerkrieg abtrünnigen transnistrisch-russischsprachigen Gebiet, verbunden mit großen wirtschaftlichen und sozialen Problemen des Landes, drängen das Erinnern an Holocaust und Zweiten Weltkrieg in den Hintergrund. In verschiedenen Städten Moldaus erinnern seit Beginn der 1990er Jahre dennoch Denkmäler, Gedenktafeln oder -steine an die Massaker im Sommer 1941 und an die ermordeten Juden – so in Dubossary und der heutigen Hauptstadt Kischinau, auf dem jüdischen Friedhof von Tighina oder in Dörfern wie Vertujeni und Pepeni.

Erinnerung

Am 12. April 1944 eroberte die Rote Armee Tiraspol zurück. Die Stadt wurde Teil der Sowjetrepublik Moldawien. In den 1960er Jahren lebten wieder etwa 1.500 Juden in der Stadt. Viele wanderten in den 1980er und 1990er Jahren aus.
Nach dem Zerfall der Sowjetunion kam es 1992 zu einem Krieg, bei dem sich das vorwiegend russischsprachige Gebiet am östlichen Ufer des Dnjestr von Moldawien löste. Seither ist Tiraspol Hauptstadt der abtrünnigen und international nicht anerkannten Republik Transnistrien. Im Gebiet sind dauerhaft Einheiten der russischen Armee stationiert.
Seit Anfang der 1990er Jahre gibt es wieder sichtbares jüdisches Leben in Tiraspol. Es wurden zwei jüdische Gemeinden wieder gegründet, die in der Sowjetunion jahrzehntelang nicht geduldet worden waren. Ende der 1990er wurde eine Synagoge eröffnet, 2001 folgte ein jüdisches Kulturzentrum. In den Räumlichkeiten der Gemeinde »Hesed« ist eine Ausstellung über den Holocaust zu sehen.
Auf dem über 100 Jahre alten Jüdischen Friedhof gibt es etwa 2.000 Grabsteine. Der Friedhof ist seit Ende der 1980er Jahre geschlossen und ist zum Teil zugewachsen, wird aber weiterhin gepflegt. In der Mitte des Friedhofs befinden sich mehrere Denkmäler. Dort liegen in einem gemeinsamen Grab die Gebeine von Juden, die zwischen 1941 und 1944 von deutschen und rumänischen Einheiten ermordet und 1945 von ihren Angehörigen auf den jüdischen Friedhof umgebettet wurden. In der Nähe befindet sich ein weiteres Denkmal, das den Opfern des stalinistischen Terrors am Ende der 1930er Jahre gewidmet ist.
Am 28. Januar 2018 wurde ein neues Denkmal von dem Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde in Moldawien und einer Holocaustüberlebenden aus Tiraspol, Susanne Lebedowa, eröffnet. Es steht an einer der ehemaligen Massenerschießungsstätten der Stadt. Die russische Inschrift lautet: »In Erinnerung an die während der faschistischen Besatzung Tiraspols 1941–1944 unschuldig Ermordeten«. Am oberen Rand der Stele aus schwarzem Marmor weist ein Davidstern darauf hin, dass das Denkmal jüdischen Opfern gewidmet ist.

Öffnungszeiten

Das Denkmal ist jederzeit zugänglich.

Kontakt

http://tirasfeld.org/index.htm