Erinnerung an die ermordeten Juden von Radom

Pamięci Radomskich Żydów


Nur wenige Hundert Juden aus Radom überlebten den Holocaust. Heute erinnert nur wenig im Stadtbild an die jüdischen Einwohner, die vor dem Zweiten Weltkrieg fast ein Drittel der Bevölkerung stellten.

Geschichte

Im zentralpolnischen Radom, 100 Kilometer südlich der Hauptstadt Warschau, waren vor dem Zweiten Weltkrieg fast ein Drittel der etwa 85.000 Einwohner Juden. Die ersten Juden siedelten sich vermutlich bereits im 16. Jahrhundert in Radom an, doch die jüdische Gemeinde war erst seit 1850 rasant gewachsen. Die Radomer Juden waren verhältnismäßig wenig assimiliert und sie sprachen meist Jiddisch untereinander. Mittelpunkt ihres religiösen und kulturellen Lebens war die 1844 erbaute Synagoge.
Die deutsche Wehrmacht eroberte Radom am 8. September 1939. In den Monaten danach musste die Stadt viele tausend Juden aufnehmen, die die deutschen Behörden aus dem Raum Posen abgeschoben hatten. Im Laufe des Jahres 1940 wurden Tausende Juden aus Radom in Arbeitslager verschleppt, viele von ihnen wurden ermordet. Im April 1941 ließ die deutsche Verwaltung zwei Ghettos errichten: ein großes Ghetto für etwa 25.000 Juden im Stadtzentrum und ein kleines Ghetto im Vorort Glinice, in das etwa 8.000 Juden eingewiesen wurden. In beiden Ghettos waren die Lebensbedingungen katastrophal, die auf engstem Raum zusammengepferchten Einwohner hungerten. In den nächsten Monaten führte die SS in beiden Ghettos immer wieder »Aktionen« durch, bei dem zahlreiche Juden erschossen oder in Lager deportiert wurden.
Im August 1942 wurden beide Ghettos nacheinander mit äußerster Brutalität aufgelöst. Hunderte Juden, vor allem Ältere und Kinder, sowie solche, die Widerstand leisten oder sich verstecken wollten, wurden auf der Stelle ermordet. Insgesamt etwa 24.000 Juden deportierte die SS ins Vernichtungslager Treblinka, wo sie direkt nach der Ankunft durch Giftgas ermordet wurden. Etwa 4.800 Frauen und Männer wurden zur Zwangsarbeit bestimmt, von denen nur wenige das Kriegsende erlebten.

Opfergruppen

Von den etwa 30.000 Juden, die unmittelbar nach der Besetzung durch die deutsche Wehrmacht in Radom lebten, überlebten nur wenige Hundert den Holocaust. Die meisten Radomer Juden ermordete die SS im August 1942 in den Gaskammern des Vernichtungslagers Treblinka: 6.000 Personen aus dem kleinen und 18.000 aus dem großen Ghetto. Tausende weitere wurden bei den verschiedenen »Aktionen« erschossen, viele starben in den Ghettos und Arbeitslagern an Hunger und Krankheiten.

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Mit dem Angriff auf Polen und der Besetzung des Landes durch deutsche Truppen im Westen und durch die Rote Armee im Osten begann im September 1939 der Zweite Weltkrieg. Unmittelbar nach dem Einmarsch setzten in beiden Teilungsgebieten Verfolgung und Terror ein. Deutsche Verbände verübten Massaker an Angehörigen der geistigen Eliten, jüdischen und nichtjüdischen Zivilisten sowie Patienten. Ab Ende 1939 errichtete die deutsche Verwaltung Ghettos, in denen die jüdische Bevölkerung unter elenden Bedingungen zusammengedrängt wurde. 1941, nach dem Angriff auf die Sowjetunion, geriet auch Ostpolen unter deutsche Herrschaft. SS-Einsatzgruppen ermordeten zunächst systematisch jüdische Männer, später auch Frauen und Kinder. Im Herbst 1941 begannen lokale deutsche Dienststellen im früheren Westpolen mit der Vorbereitung von Massentötungen jüdischer Ghettohäftlinge durch Giftgas. Bis 1945 wurden etwa drei Millionen polnische Juden in den Vernichtungsstätten Kulmhof, Belzec, Treblinka und Sobibor, in Majdanek und Auschwitz ermordet, verhungerten in den Ghettos oder wurden erschossen. 1943 erhoben sich die jüdischen Bewohner des Warschauer Ghettos zu einem Aufstand, den die SS blutig niederschlug. Polnische Soldaten kämpften auf Seiten der Alliierten an allen Fronten des Weltkriegs. Partisanengruppen, darunter die patriotische »Armia Krajowa« (Heimatarmee), bildeten die größte Widerstandsbewegung im besetzten Europa. Am 1. August 1944 begann der Warschauer Aufstand, die umfangreichste Erhebung von Zivilisten gegen die Deutschen im besetzten Europa. Er scheiterte, auch weil die Rote Armee – bereits am anderen Weichselufer stehend – nicht eingriff. Die Zahl der Toten wird auf bis zu 250.000 geschätzt. Insgesamt kamen etwa drei Millionen nichtjüdische Polen unter deutscher Besatzung gewaltsam zu Tode. Nachdem die Rote Armee bereits im Januar 1944 (ost-)polnischen Boden erreicht hatte, wurden die Truppen der Armia Krajowa vom sowjetischen Geheimdienst entwaffnet, ihre Offiziere erschossen oder verschleppt. Die Millionen Toten der Besatzungszeit, die dauerhafte Annexion Ostpolens durch die Sowjetunion, die Eingliederung ostdeutscher Gebiete und der daraus resultierende Bevölkerungsaustausch verursachten in Polen ein schweres politisches und gesellschaftliches Trauma. In der Erinnerungskultur stand das Gedenken an die Ermordung der europäischen Juden in deutschen Vernichtungslagern auf polnischem Boden zunächst im Hintergrund. So galt Auschwitz – im Ausland längst zum Symbol des Holocaust geworden – über Jahrzehnte vor allem als »Ort polnischen Martyriums«. Veränderungen gibt es allerdings seit Beginn des 21. Jahrhunderts. Dazu mögen auch die heftigen Debatten um den ostpolnischen Ort Jedwabne beigetragen haben. Das Massaker an etwa 340 Juden am 10. Juli 1941, das bis dahin »Gestapo und Hitler-Polizei« zugeschrieben worden war, hatten polnische »Nachbarn« ohne deutschen Zwang verübt. Die Diskussionen im In- und Ausland um eine polnische Mittäterschaft führten 2001 dazu, dass sich Staatspräsident Aleksander Kwaśniewski (*1954) bei den Opfern entschuldigte. Forderungen von Fachleuten, etwa aus dem Institut des Nationalen Gedenkens, sich den schwierigsten Kapiteln der Vergangenheit zu stellen, wurden lauter. Zu diesen zählen auch antijüdische Pogrome 1946/47 und der staatliche Antisemitismus im sozialistischen Nachkriegspolen. Der polnische Staat investiert sehr viel in Erinnerungspolitik, auch in Großprojekte mit internationaler Ausstrahlung. Das Museum des Warschauer Aufstandes wurde bereits 2004 eröffnet. Das POLIN Museum der Geschichte der polnischen Juden eröffnete auf dem Gebiet des ehemaligen Warschauer Ghettos 2013, ein Museum des Warschauer Ghettos soll 2024 folgen. In Danzig gibt es seit 2017 das Museum des Zweiten Weltkrieges. Die ehemaligen deutschen Vernichtungslager Belzec und Sobibor wurden nach der Jahrtausendwende in moderne Gedenkstätten umgewandelt. Auch in der Kultur ist eine immer intensivere Beschäftigung mit dem jüdischen und multikulturellen Erbe Polens zu beobachten.

Erinnerung

Nach dem Krieg kehrten etwa 400 Juden nach Radom zurück, verließen die Stadt jedoch bald wieder. Die Jüdische Gemeinde war bis 1951 aktiv, 1965 lebten nur noch 7 Juden in der Stadt.
Heute erinnert nicht mehr viel an das einst rege jüdische Leben in Radom. Das bekannteste Erinnerungszeichen ist das 1950 errichtetes »Denkmal in Erinnerung an die Radomer Juden« – es steht an der Stelle, an der einst die 1844 errichtete Synagoge stand. Die Inschrift auf dem Sockel in polnischer und jiddischer Sprache lautet: »Den Juden Radoms – Opfer von Nazi-Verbrechen«.
Im Vorort Firlej ermordete die SS mehr als 15.000 Personen bei Massenerschießungen, außer Juden auch polnische Intellektuelle, Freiheitskämpfer und Zivilisten. Seit Oktober 2001 gibt es dort auch ein eigenes Denkmal für die jüdischen Opfer. Ein weiterer Ort der Erinnerung ist der verlassen wirkende jüdische Friedhof.

2013 erschien die Autobiografie des aus Radom stammenden Holocaustüberlebenden Moniek Baumzecer (*1919) in der Publikationsreihe der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas.

Öffnungszeiten

Die Denkmäler sind jederzeit zugänglich.

Kontakt

Bóżniczna / Podwalna
26-600 Radom