Erinnerung an die ermordeten Juden von Mohyliw-Podilskyj

Пам'ятник євреям, загиблим у гетто Могилева-Подільського


In Mohyliw-Podilskyj (russisch: Mogiljow-Podolskij), erinnern zwei Denkmäler und zwei Gedenktafeln an die Opfer des größten Durchgangsghettos im rumänisch besetzten Gebiet Transnistrien. Ein weiteres Denkmal erinnert an die »Gerechten unter den Völkern« – Einheimische, die Juden retteten.

Geschichte

Mohyliw-Podilskyj, am Dnjestr gegenüber der moldawischen Stadt Otaci gelegen, wurde 1595 vom Fürst Jeremia Movilă gegründet. Die ersten Juden siedelten Anfang des 17. Jahrhunderts in der Stadt. Die jüdische Gemeinde wurde wenig später, während des Chmelnizkij-Aufstands 1648, ausgelöscht. Eine neue Gemeinde entstand in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts. In den 1770er Jahren baute sie zwei Synagogen. Die Stadt gehörte zum Russischen Zarenreich. Anfang des 20. Jahrhunderts kam es zu antijüdischen Ausschreitungen. In der sowjetischen Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg lebten über 9.600 Juden dort, was mehr als 40 Prozent der Bevölkerung entsprach.
Die deutsche Wehrmacht und die rumänische Armee besetzten Mohyliw-Podilskyj am 19. Juli 1941. Viele Juden konnten zuvor fliehen, doch etwa 5.000 Juden blieben in der Stadt. Wenige Tage später traf das Sonderkommando 10b ein und ermordete über 1.000 Juden in der Region.
Im September 1941 kam Mohyliw-Podilskyj zum rumänisch besetzten ukrainischen Gebiet Transnistrien. Wenig später gründeten die rumänischen Besatzer ein Durchgangsghetto für Juden aus Bessarabien und der Bukowina, die aus ihrer Heimat vertrieben und über den Dnjestr nach Transnistrien abgeschoben wurden. Es war das größte von fünf solchen Durchgangsghettos an der Grenze entlang des Flusses.
Die Einwohner des Ghettos lebten auf engstem Raum in baufälligen Baracken zusammen, ständig den Schikanen rumänischer Gendarmen ausgesetzt. Dennoch waren die Bedingungen besser als im von den Deutschen kontrollierten Gebiet östlich des Bugs. Im Mai 1942 sollte das Ghetto wegen einer Epidemie verkleinert werden. Die Rumänen deportierten etwa 7.500 Juden in andere Lager. Die Deportationen wurden nach dem sowjetischen Sieg in der Schlacht von Stalingrad eingestellt. Im Januar 1943 befanden sich noch etwa 3.000 einheimische und etwa 12.000 aus anderen Gebieten vertriebene Juden im Ghetto.

Opfergruppen

Von August bis September 1941 ermordete das Sonderkommando 10b über 1.000 Juden in der Stadt und in ihrer Umgebung. Die meisten Opfer waren Vertriebene aus den rumänisch besetzten Gebieten gegenüber des Dnjestr. Im Dezember 1941 zählte das Ghetto etwa 3.700 einheimische jüdische Einwohner und etwa 15.000 Juden aus den Gebieten Bessarabien und der Bukowina. Insgesamt durchliefen zwischen dem 15. September 1941 und dem 15. Februar 1942 etwa 55.000 Juden das Ghetto. Ab Ende des Jahres 1941 bis Juni 1942 starben über 1.200 Juden im Ghetto an einer Typhusepidemie. Ab Mai 1942 bis Mai 1943 deportierten die rumänischen Besatzer etwa 7.500 Juden in andere Lager, unter anderem in das Lager Pechora, wo innerhalb eines Jahres alle Juden verhungerten oder ermordet wurden. Die Opfer waren vor allem einheimische Juden, die zu den Ärmsten gehörten und nicht den Vorteil hatten, mit den rumänischen Besatzern kommunizieren zu können. Im Durchgangsghetto Mohiliw-Podilskyj hielten sich ständig etwa 15.000 Juden auf. 2.000–3.000 von ihnen hatten dank eines Arbeitsplatzes eine Aufenthaltsgenehmigung, die große Mehrheit musste ständig ihre Abschiebung befürchten.
Die außerordentliche sowjetische Untersuchungskommission gab später die Zahl der Opfer des Durchgangslagers Mohiliw-Podilskyj mit 4.394 an.

Erfahre mehr über Ukraine

Die Ukraine, die zweitgrößte Republik der ehemaligen Sowjetunion, war einer der Hauptschauplätze des Zweiten Weltkriegs und des Holocaust. Die Zahl der ukrainischen Todesopfer wird auf fünf bis sechs Millionen Menschen geschätzt, darunter Hunderttausende Juden. Mitte September 1939, nach der sowjetischen Besetzung Ostpolens entsprechend einem deutsch-sowjetischen Geheimabkommen – dem Hitler-Stalin-Pakt –, kamen die südöstlichen Regionen Polens zur Sowjetukraine. Repressionen gegen die einheimische Bevölkerung gehörten fortan zum Alltag. Im Sommer 1941 traf der deutsche Angriff auf die Sowjetunion zunächst genau diese Gebiete. Schon in den ersten Tagen wurde die jüdische Bevölkerung als angebliche Stütze der Sowjetmacht Ziel blutiger Übergriffe. Sie gingen häufig von national gesinnten Ukrainern aus, die den Vormarsch der Wehrmacht zunächst begrüßten. Bald darauf begannen deutsche SS-Einsatzgruppen und verbündete rumänische Einheiten mit Massenerschießungen von Juden. Die Schlucht von Babij Jar (ukrainisch Babyn Jar) nahe Kiew, wo deutsche Einheiten und ukrainische Miliz an zwei Tagen im September 1941 mehr als 33.700 Juden ermordeten, ist heute ein weltweites Symbol für den Völkermord an den Juden. Auch die nichtjüdische Bevölkerung geriet ins Visier der Verfolger. In der nationalsozialistischen Rassenideologie galten Ukrainer wie alle »Slawen« als »Untermenschen«. Die Besatzer plünderten das Land, verschleppten weit über eine Million Zivilisten zur Zwangsarbeit und verübten öffentliche Geiselmorde. Ab 1943 tobte nicht nur ein Partisanenkrieg gegen die Wehrmacht, sondern auch der Kampf der nationalistischen »Ukrajinska Powstanska Armija« (Ukrainische Aufstandsarmee = UPA) gegen die Sowjets und die polnische Bevölkerung der Westukraine. Weit über 100.000 Polen fanden hierbei den Tod. 1944 wurde die Ukraine wieder sowjetisch und umfasst seitdem auch ehemals ostpolnische Regionen. Die UPA setzte ihren Kampf bis Mitte der 1950er Jahre fort. Die sowjetischen Behörden verschleppten rund 300.000 Ukrainer nach Sibirien, um diesen Widerstand zu brechen. Die Gedenkkultur war an der sowjetischen Symbolsprache ausgerichtet. Es entstanden monumentale Gedenkanlagen zur Feier des »Sieges« im Großen Vaterländischen Krieg. Erst in jüngerer Zeit trat neben die Heldenverehrung auch das Opfergedenken. In der Westukraine hat sich zudem eine Erinnerungskultur an den Kampf der UPA entwickelt, der als Unabhängigkeitskampf interpretiert wird. Eine Aufarbeitung der Kollaboration mit den deutschen Besatzern und des Antisemitismus hat erst um 2000 begonnen. Die Massenerschießungen an Juden wurden, mit wenigen Ausnahmen, bis in die 1980er Jahre übergangen. Erst die Regierung der unabhängigen Ukraine erkannte 1991 Babyn Jar als »Symbol jüdischen Märtyrertums« an. Die Ukraine war auch lange nach der Erlangung der Unabhängigkeit auf der Suche nach ihrer eigenen Identität. Die Dokumentation der sowjetischen Verbrechen – wie die staatlich herbeigeführte Hungerkatastrophe 1932/33 mit Millionen Toten (Holodomor) – hat größere Bedeutung als die Aufklärung über den Holocaust. Dennoch entstanden überall im Land neue Gedenkorte in Erinnerung an die ermordeten Juden, wie etwa die Gedenkstätte Drobizkij Jar in Charkiw oder das Holocaustmuseum in Odessa. An zahlreichen Massengräbern entstanden neue Denkmäler, teils mit Unterstützung aus Deutschland. In Kiew sollte bei der ehemaligen Massenerschießungsstätte Babyn Jar eine große Holocaustgedenkstätte mit weltweiter Ausstrahlung entstehen. Diese Pläne wurden mit dem großangelegten russischen Angriff auf die Ukraine vom 24. Februar 2022 auf Eis gelegt. Welche Auswirkungen der Verteidigungskrieg in Zukunft auf die Holocausterinnerung haben wird, bleibt abzuwarten.

Erinnerung

Nach der Niederlage der Achsenmächte in der Schlacht von Stalingrad änderte sich die rumänische Politik gegenüber Juden. Die Regierung ließ zu, dass jüdische Hilfsorganisationen aus Rumänien den Juden in Transnistrien zu Hilfe kommen. Einige Juden durften sogar in ihre Heimat zurückkehren. Die Rote Armee befreite das Durchgangsghetto von Mohyliw-Podilskyj am 19. März 1944.
In den 1950er Jahren lebten fast 5.000 Juden in Mohyliw-Podilskyj, was etwa einem Viertel der Bevölkerung entsprach. In den 1970er Jahren wurde eine Synagoge in einem Wohnhaus eingerichtet. Die jüdische Gemeinde stellte sich mit der Unabhängigkeit der Ukraine neu auf, zahlenmäßig schrumpfte sie jedoch: 1989 zählte die Stadt noch 2.830 Juden. Die meisten wanderten in den 1990er Jahren in die USA oder nach Israel aus. 2001 lebten nur noch 300 Juden in der Stadt.
1991 wurde auf Initiative der Organisation »Verein ehemaliger minderjähriger Gefangene des Faschismus« eine Gedenktafel am ehemaligen Haupteingang zum Ghetto angebracht. Ein Denkmal, in Erinnerung an die Opfer des Durchgangsghettos, wurde ein Jahr später in der Stawiskoj-Straße errichtet, ebenfalls auf dem ehemaligen Gebiet des Ghettos. Ein weiteres Denkmal wurde 1995 auf dem jüdischen Friedhof im Osten der Stadt eingeweiht, wo über 1.000 Opfer des Ghettos begraben liegen. Am Busbahnhof hängt eine Gedenktafel, die an die Juden aus Bessarabien und der Bukowina erinnert, die an dieser Stelle gesammelt wurden, um weiter in Richtung Osten deportiert zu werden. 2002 wurde neben dem bestehenden Denkmal in der Stawiskoj-Straße in Erinnerung an Einheimische, die Juden retteten, ein Denkmal für die »Gerechten unter den Völkern« errichtet.
Um den Erhalt der Denkmäler kümmert sich, als Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde und seit 1990 Leiter der Organisation »Verein ehemaliger minderjähriger Gefangene des Faschismus«, der Überlebende Abram Kaplan. Zusammen mit der Organisation und der Gemeinde hat er 12 Denkmäler in der Stadt und in den angrenzenden Dörfern errichtet.

Öffnungszeiten

Die Denkmäler sind jederzeit zugänglich.

Kontakt

http://myshtetl.org/vinnitskaja/mogilev.html

Wulizja Stawiska 34
24001 Mohyliw-Podilskyj