Erinnerung an die ermordeten Juden von Mogilew

Память убитых евреев Могилева / Памяць забітых яўрэяў Магілёва


In der belarussischen Stadt Mogilew (belarussisch: Mohiljou) und in den angrenzenden Dörfern erinnern mehrere Denkmäler an die ermordeten Juden von Mogilew und Umgebung.

Geschichte

Mogilew, etwa 180 km östlich von Minsk am Dnepr gelegen, wurde im 13. Jahrhundert gegründet. Die ersten Juden siedelten im 16. Jahrhundert in der Stadt. Während des Chmelnizkij-Aufstands 1648 wurde die jüdische Gemeinde beinahe ausgelöscht. Anfang des 20. Jahrhunderts lebten etwa 25.000 Juden in der Stadt, was etwa der Hälfte der Bevölkerung entsprach. 1904 kam es in der Stadt erneut zu antijüdischen Ausschreitungen.
Vor Beginn des Zweiten Weltkrieges waren etwa ein Fünftel der 100.000 Einwohner der Stadt Juden. Ihre Zahl stieg durch Flüchtlinge aus dem nach 1939 deutsch besetzten Teil Polens. Nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion besetzte die Wehrmacht die Stadt am 26. Juli 1941. Viele Juden konnten zuvor fliehen, doch über 6.500 Juden blieben in der Stadt. Die Besatzer zwangen die Juden, Kennzeichnung zu tragen und einen Judenrat zur Ausführung der deutschen Befehle zu bilden. Im August 1941 mussten alle Juden in den Bezirk Padnikollie umsiedeln. Im selben Monat ermordeten die Deutschen etwa 80 Juden, denen sie antideutsche Aktivitäten vorwarfen, 113 weitere wurden auf der Flucht gefasst und erschossen.
Ende September 1941 wurde ein neues Ghetto im Zentrum der Stadt errichtet, in das auch Juden aus benachbarten Städten und Dörfern umgesiedelt wurden. Am 2. Oktober 1941 führten die Besatzer und ihre Helfer ein Drittel der Juden aus dem Ghetto zu der 2 Kilometer weit entfernten Automobil-Fabrik »Dimitrow« (heute: »Strommaschina«) und sperrten sie dort über Nacht ein. Am nächsten Tag verschleppten sie diese über 2.200 Juden zum weiter südlich gelegenen jüdischen Friedhof, erschossen sie und verscharrten sie dort in Panzergräben. Am 19. und 23. Oktober 1941 ermordeten die Besatzer fast alle Bewohner des Ghettos. Die Opfer wurden in einem Massengrab in der Nähe des Dorfes Nowo-Paschkowo, 12 Kilometer von der Stadt entfernt, verscharrt. Bis zu 1.000 Juden wurden zunächst am Leben gelassen und in dem neu gegründeten Zwangsarbeitslager auf dem Gelände der Fabrik »Dimitrow«, zusammen mit nichtjüdischen Gefangenen interniert. Der Großteil der Gefangenen wurde bis September 1943 ermordet und in der Nähe der Dörfer Nowo-Paschkowo und Polikowitschi verscharrt. Einige Juden wurden weiter nach Minsk deportiert.

Opfergruppen

Am 2. und 3. Oktober 1941 ermordete das Einsatzkommando 8 (Einsatzgruppe B) zusammen mit Angehörigen des Polizeiregiments Mitte und Mitgliedern der ukrainischen Schutzpolizei nach eigenen Angaben 2.273 jüdische Kinder, Frauen und Männer am jüdischen Friedhof nordwestlich der Stadt. 65 Juden wurden noch auf dem Gelände des Ghettos von Mitgliedern des Polizeiregiments Mitte erschossen. An diesen Tagen wurde etwa ein Drittel der Bewohner des Ghettos ermordet. Den Befehl dazu gab der Höhere SS- und Polizeiführer Russland-Mitte Erich von dem Bach-Zelewski. Während der zweiten »Großaktion«, am 19. Oktober 1941, wurden über 3.700 Juden und vier Tage später weitere 239 Juden ermordet. Damit war das Ghetto ausgelöscht. Bis zu 1.000 Juden blieben von den Massenerschießungen zunächst verschont und wurden im Zwangsarbeitslager in der Fabrik »Dimitrow« interniert. Dort mordeten die Besatzer bis September 1943 weiter. Viele jüdische und nichtjüdische Insassen starben an Hunger und Krankheiten. In dem Arbeitslager befanden sich auch Juden aus anderen Teilen Belarus' und Polens. Nach der Auflösung des Arbeitslagers wurden die überlebenden Juden nach Minsk gebracht.
Nach Angaben der sowjetischen Untersuchungskommission ermordeten die Deutschen und ihre Helfer insgesamt etwa 10.000 Juden in Mogilew und Umgebung. Wie viele Juden genau ermordet wurden ist unbekannt. Es ist auch unklar wie viele Juden den Krieg überlebten. Einige konnten durch die Hilfe nichtjüdischer Einwohner gerettet werden. Nach dem Krieg erhielten über 30 Einheimische die Auszeichnung »Gerechte unter den Völkern«.

Erfahre mehr über Belarus

Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 und dem Einmarsch der Roten Armee in Ostpolen kam der Nordosten des Landes zu Belarus als Teil der Sowjetunion. Im Sommer 1941 wurde dann ganz Belarus von deutschen Truppen erobert. Während der folgenden drei Jahre kam jeder vierte oder gar jeder dritte Einwohner gewaltsam ums Leben. Fast alle Städte des Landes wurden völlig zerstört. Wehrmacht oder SS brannten etwa 620 Dörfer, darunter Chatyn, systematisch samt ihren Einwohnern nieder. Malyj Trostenez, nahe der belarussichen Hauptstadt Minsk, war die größte Vernichtungsstätte auf dem Gebiet der besetzten Sowjetunion. Heute nimmt man an, dass mindestens 60.000 deutsche und einheimische Juden dort ermordet wurden. Für Minsk wird die Zahl der getöteten Juden auf bis zu 85.000 geschätzt, für das gesamte Gebiet auf 230.000. Belarus bildete von 1941 an mit über tausend aktiven Gruppen ein Hauptgebiet des sowjetischen Partisanenkampfes gegen die deutschen Besatzer. Ab Ende 1943 wurde das Land von der Roten Armee zurückerobert und galt im Sommer 1944 als vollständig von der deutschen Besatzung befreit. Das Land war weitestgehend verwüstet, das gesellschaftliche Gefüge erschüttert und die Menschen traumatisiert. Belarus gehörte ab 1944 wieder zur Sowjetunion. Ein großer Teil der 1939 einverleibten polnischen Gebiete blieben Teil des Landes. In der staatlichen Erinnerungs- und Denkmalkultur des Landes dominierten nach Kriegsende der Tag der Befreiung des Landes am 3. Juli 1944 und der Tag des Sieges am 9. Mai 1945 als Ende eines »heldenhaften« Kampfes im Großen Vaterländischen Krieg. Von zentraler Bedeutung war stets auch die Erinnerung an den Partisanenkrieg. Im sowjetischen Staatsverband verzichtete man auf eine eigenständige Nennung des Massenmords an den Juden. Daher stellt ein Obelisk in der Erschießungsgrube am ehemaligen Minsker Ghetto, der »Jama«, eine Besonderheit auf dem Gebiet der damaligen Sowjetunion dar. Er wurde bereits 1946 errichtet und blieb für Jahrzehnte das einzige Denkmal mit einer jiddischen Aufschrift und direkter Nennung der ermordeten Juden. Ungewöhnlich ist auch die Erinnerungsstätte in Chatyn, wo im März 1943 153 Menschen bei lebendigem Leib verbrannt worden waren. 1969 entstanden, zeichnet sie sich durch Schlichtheit aus und verzichtet auf die sonst übliche Monumentalität, es stehen die menschliche Dimension des Grauens und das Leid der Opfer im Vordergrund. Mit der Schaffung eines unabhängigen belarussischen Staates 1991 begann die Suche nach einer eigenen nationalen Identität. Hierbei spielen die Opferzahlen – insbesondere während des Zweiten Weltkrieges – eine entscheidende Rolle. Bewusst wird allerdings eine Unterscheidung zwischen dem Gebietstand vor und nach 1939 vermieden. Die Verbrechen der Stalinzeit, aber auch der Holocaust rückten ebenso in das Blickfeld, wurden aber aufgrund der vorhandenen Regierungsform nicht weitergehend öffentlich gemacht. Das staatliche Gedenken, das seinen Ausdruck auch im 2014 eröffneten, monumentalen Neubau des Museums der Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges findet, bleibt vom Kampf in den Jahren 1941 bis 1944 geprägt. Zugleich hat jedoch der Verband der jüdischen Gemeinden in Belarus inzwischen eine Reihe von Denkmälern für die Opfer des Massenmordes errichten lassen. Seit Anfang der 1990er Jahre haben mehrere deutsche Städte Stelen im Gedenken an die dorthin deportierten und getöteten Juden in Minsk errichtet; das Berliner Erinnerungszeichen wurde – vom Land Berlin und der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas finanziert – am 25. Juni 2009 feierlich eingeweiht. Auch eine würdige Gestaltung des Areals von Malyj Trostenez geht voran: seit 2015 erinnert eine Gedenkanlage an die Opfer. Ein zweiter Bauabschnitt wurde 2018 im Beisein der Staatspräsidenten Deutschlands, Österreichs und von Belarus eröffnet. An der Realisierung beteiligte sich auch die Bundesrepublik finanziell, wie auch an der Renovierung der Geschichtswerkstatt, die sich in einem historischen Gebäude auf dem Gebiet des ehemaligen Minsker Ghettos um die Dokumentation von Opferschicksalen kümmert.

Erinnerung

Mogilew wurde am 28. Juni 1944 von der Roten Armee befreit. 1946 stellte sich die jüdische Gemeinde mit 8.000 Mitgliedern neu auf. In den 1950er und 1960er Jahren markierten Angehörige der Opfer viele Massengräber und errichteten die ersten Denkmäler. Heute zählt die jüdische Gemeinde nur noch etwa 3.000 Mitglieder. Die meisten Juden wanderten zwischen 1989 und 2004 nach Israel und andere Länder aus.
1950 wurde ein Denkmal nordwestlich von Mogilew errichtet. Die russische Inschrift lautet: »Hier liegen unschuldige Zivilisten begraben, die von den faschistischen Okkupanten während des Krieges erschossen wurden«. An der Spitze des Denkmals prangt der rote Stern.
Das Denkmal auf dem jüdischen Friedhof wurde 1953/54 aufstellt. Es erinnert an die erste Massenerschießung in Mogilew am 3. Oktober 1941. Nach Ende des Krieges betteten Angehörige der Opfer die Leichen aus anderen Massengräbern auf den jüdischen Friedhof um. 2003 wurde das Denkmal und restauriert und ein Davidstern hinzugefügt.
1968 wurde ein Gedenkhügel im Dorf Polikowitschi errichtet. Stufen an der Seite des Hügels führen zu einem Denkmal auf dem die russische Inschrift lautet: »Brüder und Schwestern! Lasst uns unsere Köpfe senken um an über 10 Tausend unserer Mitbürger zu gedenken, die an dieser Stelle zwischen 1941 und 1944 von den faschistischen Besatzern erschossen, gefoltert und verbrannt wurden« Das Denkmal wurde 2002 restauriert.
In den 1990er Jahren wurde ein Gedenkstein an einer weiteren ehemaligen Massenerschießungsstätte im Stadtbezirk Kazimirowka errichtet.
2008 wurde auf Initiative der jüdischen Gemeinde ein Denkmal in Erinnerung an die Opfer des Mogilewer Ghettos errichtet. Der Gedenkstein weist gemeißelte Händeabdrücke auf. Die jiddische und russische Inschrift lautet: »In Erinnerung an die Juden Mogilews – Opfer des Nationalsozialismus«.
An dem Gebäude der Fabrik »Strommaschina« erinnert eine Gedenktafel an die Opfer des Arbeitslagers.

Öffnungszeiten

Das Denkmal ist im Rahmen von Besuchen des jüdischen Friedhofs zugänglich.
Die anderen Denkmäler sind jederzeit zugänglich.

Kontakt

http://www.mogjewshistory.ru/

mogjewshistory@gmail.com

vul. Oltschinskaja
212030 Mogilew