Erinnerung an die ermordeten Juden von Chaschtschuwate

Меморіал »Хащуватська трагедія«


Im Dorf Chaschtschuwate (russisch: Chaschtschewatoe), erinnern mehrere Denkmäler an die über 960 Juden, die am 16. Februar 1942 von deutschen und ukrainischen Einheiten ermordet wurden. Die Gedenkanlage schließt die Erschießungsstätten und den jüdischen Friedhof mit ein.

Geschichte

Der Ort Chaschtschuwate, an den Ufern des Bug gelegen, wurde Mitte des 14. Jahrhunderts gegründet. Juden lebten dort seit Ende des 18. Jahrhunderts. 1897 waren 71 Prozent der Einwohner Juden, durch Pogrome Anfang des 20. Jahrhunderts sank ihre Zahl jedoch stark. In den 1930er Jahren, als schätzungsweise die Hälfte der etwa 6.000 Einwohner Juden waren, arbeiteten die meisten von ihnen in Kolchosen.
Die deutsche Wehrmacht besetzte den Ort am 29. Juli 1941. Ab Herbst 1941 waren Massenerschießungen von Juden in der Region an der Tagesordnung, viele von ihnen durchgeführt durch die Einsatzgruppe D. Einige Juden aus Chaschtuschuwate versuchten zu fliehen. Am 15. Februar 1942 trieben ukrainische Polizisten und die deutsche Gendarmerie alle jüdischen Einwohner des Ortes im Kulturhaus zusammen unter dem Vorwand, sie registrieren zu wollen. Stattdessen wurden sie 24 Stunden ohne Wasser und Nahrung eingesperrt. Am nächsten Tag befahlen die Polizisten zwanzig jüdischen Männern, den Schnee in einer 300 Meter weiter entfernten Tongrube zu entfernen. Anschließend wurden sie von den Polizisten erschossen. Die übrigen Juden mussten sich ausziehen, bevor sie zur gleichen Erschießungstätte geführt und erschossen wurden. Die »Aktion« wurde von dem SS-Hauptsturmführer Leonid Girman beaufsichtigt und vom Gebietskreispolizeichef Mykola Doroschew durchgeführt. Die jüdische Gemeinde in Chaschtschuwate war damit ausgelöscht.

Opfergruppen

Insgesamt wurden bei der »Aktion« über 960 Juden ermordet, unter ihnen über 300 Kinder.

Erfahre mehr über Ukraine

Die Ukraine, die zweitgrößte Republik der ehemaligen Sowjetunion, war einer der Hauptschauplätze des Zweiten Weltkriegs und des Holocaust. Die Zahl der ukrainischen Todesopfer wird auf fünf bis sechs Millionen Menschen geschätzt, darunter Hunderttausende Juden. Mitte September 1939, nach der sowjetischen Besetzung Ostpolens entsprechend einem deutsch-sowjetischen Geheimabkommen – dem Hitler-Stalin-Pakt –, kamen die südöstlichen Regionen Polens zur Sowjetukraine. Repressionen gegen die einheimische Bevölkerung gehörten fortan zum Alltag. Im Sommer 1941 traf der deutsche Angriff auf die Sowjetunion zunächst genau diese Gebiete. Schon in den ersten Tagen wurde die jüdische Bevölkerung als angebliche Stütze der Sowjetmacht Ziel blutiger Übergriffe. Sie gingen häufig von national gesinnten Ukrainern aus, die den Vormarsch der Wehrmacht zunächst begrüßten. Bald darauf begannen deutsche SS-Einsatzgruppen und verbündete rumänische Einheiten mit Massenerschießungen von Juden. Die Schlucht von Babij Jar (ukrainisch Babyn Jar) nahe Kiew, wo deutsche Einheiten und ukrainische Miliz an zwei Tagen im September 1941 mehr als 33.700 Juden ermordeten, ist heute ein weltweites Symbol für den Völkermord an den Juden. Auch die nichtjüdische Bevölkerung geriet ins Visier der Verfolger. In der nationalsozialistischen Rassenideologie galten Ukrainer wie alle »Slawen« als »Untermenschen«. Die Besatzer plünderten das Land, verschleppten weit über eine Million Zivilisten zur Zwangsarbeit und verübten öffentliche Geiselmorde. Ab 1943 tobte nicht nur ein Partisanenkrieg gegen die Wehrmacht, sondern auch der Kampf der nationalistischen »Ukrajinska Powstanska Armija« (Ukrainische Aufstandsarmee = UPA) gegen die Sowjets und die polnische Bevölkerung der Westukraine. Weit über 100.000 Polen fanden hierbei den Tod. 1944 wurde die Ukraine wieder sowjetisch und umfasst seitdem auch ehemals ostpolnische Regionen. Die UPA setzte ihren Kampf bis Mitte der 1950er Jahre fort. Die sowjetischen Behörden verschleppten rund 300.000 Ukrainer nach Sibirien, um diesen Widerstand zu brechen. Die Gedenkkultur war an der sowjetischen Symbolsprache ausgerichtet. Es entstanden monumentale Gedenkanlagen zur Feier des »Sieges« im Großen Vaterländischen Krieg. Erst in jüngerer Zeit trat neben die Heldenverehrung auch das Opfergedenken. In der Westukraine hat sich zudem eine Erinnerungskultur an den Kampf der UPA entwickelt, der als Unabhängigkeitskampf interpretiert wird. Eine Aufarbeitung der Kollaboration mit den deutschen Besatzern und des Antisemitismus hat erst um 2000 begonnen. Die Massenerschießungen an Juden wurden, mit wenigen Ausnahmen, bis in die 1980er Jahre übergangen. Erst die Regierung der unabhängigen Ukraine erkannte 1991 Babyn Jar als »Symbol jüdischen Märtyrertums« an. Die Ukraine war auch lange nach der Erlangung der Unabhängigkeit auf der Suche nach ihrer eigenen Identität. Die Dokumentation der sowjetischen Verbrechen – wie die staatlich herbeigeführte Hungerkatastrophe 1932/33 mit Millionen Toten (Holodomor) – hat größere Bedeutung als die Aufklärung über den Holocaust. Dennoch entstanden überall im Land neue Gedenkorte in Erinnerung an die ermordeten Juden, wie etwa die Gedenkstätte Drobizkij Jar in Charkiw oder das Holocaustmuseum in Odessa. An zahlreichen Massengräbern entstanden neue Denkmäler, teils mit Unterstützung aus Deutschland. In Kiew sollte bei der ehemaligen Massenerschießungsstätte Babyn Jar eine große Holocaustgedenkstätte mit weltweiter Ausstrahlung entstehen. Diese Pläne wurden mit dem großangelegten russischen Angriff auf die Ukraine vom 24. Februar 2022 auf Eis gelegt. Welche Auswirkungen der Verteidigungskrieg in Zukunft auf die Holocausterinnerung haben wird, bleibt abzuwarten.

Erinnerung

Der Ort wurde am 13. Mai 1944 durch die Rote Armee befreit. Nur zwei Juden hatten überlebt: Wera Lewizkaja und Isaak Kriss. Beide wurden durch ukrainische Familien versteckt.
1946 wurden 22 ukrainische Polizisten, die an der Massenerschießung von Chaschtschuwate teilgenommen hatten, in Odessa zum Tode verurteilt. Der ehemalige Polizeichef Doroschew wurde 1962 verhaftet und ebenfalls zum Tode verurteilt.
1952 wurde von Angehörigen der Opfer ein Denkmal an der Erschießungsstätte errichtet. An ihm sind mehrere Gedenktafeln angebracht. Eine russische Inschrift lautet: »Hier sind 962 Einwohner begraben – Einwohner Chaschtschuwatoes, die von den Händen der Faschisten am 16. Februar ermordet wurden«. Zwei weitere Denkmäler wurden einige Jahre später an der gleichen Stelle errichtet, eines davon ist den etwa 300 ermordeten jüdischen Kindern gewidmet. Seit 2010 gibt es auch eine Gedenktafel, die an Ukrainer erinnert, die Juden geholfen hatten.
Am 9. Mai 2014 wurde eine neue Gedenkanlage eingeweiht. Es wurde durch private Spenden aus unterschiedlichen Ländern realisiert. Einer der Initiatoren des Projektes ist der Redakteur der Zeitung »Ukraina-Zentr« und Angehöriger von Opfern, Efim Marmer. Auf dem neuen Denkmal ist der hebräische Buchstabe »H« eingraviert, der symbolisch für das Gute, aber auch den ersten Buchstaben des Ortsnamens steht. Das 9,5 Tonnen schwere Denkmal ist aus Granit und steht auf einem Podest, zu dem eine Treppe führt. Auf einer Mauer sind die Namen der Opfer eingraviert. Am Fuß der Treppe befindet sich ein runder Platz auf dem ein Davidstern aus schwarzem, grauem und weißem Granit ausgelegt ist. Die Gedenkanlage schließt die Massengräber und den jüdischen Friedhof mit ein. Ein Tor mit jüdischen Symbolen und einer Tafel mit der Inschrift »Gedenkanlage der Chaschtchuwatischen Tragödie« gewährt Einlass zum Arial.
Heute leben nahezu keine Juden im Ort, der etwa 2.600 Einwohner zählt. Die Synagoge und der alte jüdische Friedhof werden daher nicht mehr genutzt.

Angebote

Jedes Jahr finden am 16. Februar und am 9. Mai Gedenkfeiern statt.
Führungen sind auf Anfrage möglich.

Öffnungszeiten

Die Gedenkanlage ist tagsüber zugänglich.

Kontakt

http://khashchevato42.ru/

info@khashchevato1942.ru