Denkmal für die ermordeten Juden von Samhorodok

Меморіал на місці масового розстрілу євреїв Самгородка


In Samhorodok erinnern zwei Denkmäler an die bis zu 700 Juden des Dorfes, die zwischen 1941 und 1943 dort ermordet wurden.

Geschichte

Samhorodok ist ein 40 Kilometer nordöstlich von Winnyzja gelegenes Dorf, das im frühen 17. Jahrhundert gegründet wurde. 1897 waren von 3.605 Einwohnern von Samhorodok 1.234 Juden, etwas mehr als ein Drittel der Gesamtbevölkerung. Während des Russischen Bürgerkrieges gab es im Dorf ein Pogrom: Im Oktober 1920 plünderten Soldaten der Roten Armee jüdische Häuser. Es gab auch Todesopfer, mehrere Frauen wurden vergewaltigt.
Während der frühen sowjetischen Zeit nahm die Zahl der Juden auf dem Land weiter ab, da viele Juden in die Städte zogen. Am Vorabend des Zweiten Weltkrieges lebten nur noch etwa 800 Juden in Samhorodok.
Die deutsche Wehrmacht besetzte Samhorodok am 22. Juli 1941. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich etwa 700 Juden vor Ort, die bereits kurze Zeit später in ein offenes Ghetto umziehen mussten. Während im Herbst 1941 in einer Welle von Massenerschießungen viele jüdische Gemeinden in der Region ausgelöscht wurden, blieb es in Samhorodok lange relativ ruhig. Am 16. Mai 1942 wurden die Juden jedoch gezwungen, in einen besonders ärmlichen Teil des Dorfes umzuziehen. Ab diesem Zeitpunkt waren die Lebensbedingungen der Menschen im Ghetto katastrophal, schon nach wenigen Tagen waren sie körperlich sehr geschwächt.
Am 4. Juni wurde das Ghetto gewaltsam aufgelöst. An der Aktion beteiligten sich deutsche Gendarmen, ungarische Soldaten und lokale ukrainische Polizisten. Alte und Gebrechliche, die nicht mehr gehen konnten, wurden an Ort und Stelle erschossen. Alle anderen wurden in die Nähe der nahegelegenen Siedlung Hermanivka (damals: Lozivka) getrieben. Hier mussten Bauern zuvor eine Grube ausheben. Ungarische Soldaten riegelten das Gelände ab. Die etwa 500 jüdischen Kinder, Frauen und Männer mussten sich hier ausziehen und in die Grube legen, bevor sie von deutschen Gendarmen per Genickschuss ermordet wurden.
In den darauffolgenden Wochen wurden immer wieder einzelne Juden in der Umgebung gefasst und auf dem jüdischen Friedhof von Samhorodok erschossen.

Opfergruppen

Nachdem schon viele Juden wegen der katastrophalen Bedingungen im Ghetto ihr Leben verloren, ermordeten deutsche Gendarmen bei der Massenerschießung vom 4. Juni 1942 etwa 500 jüdische Kinder, Frauen und Männer. Danach wurden immer wieder einzelne Juden gefangen genommen und am jüdischen Friedhof erschossen. Bis auf etwa 10 Personen wurden alle bis zu 700 Juden ermordet, die beim Beginn der deutschen Besatzung in Samhorodok lebten.

Erfahre mehr über Ukraine

Die Ukraine, die zweitgrößte Republik der ehemaligen Sowjetunion, war einer der Hauptschauplätze des Zweiten Weltkriegs und des Holocaust. Die Zahl der ukrainischen Todesopfer wird auf fünf bis sechs Millionen Menschen geschätzt, darunter Hunderttausende Juden. Mitte September 1939, nach der sowjetischen Besetzung Ostpolens entsprechend einem deutsch-sowjetischen Geheimabkommen – dem Hitler-Stalin-Pakt –, kamen die südöstlichen Regionen Polens zur Sowjetukraine. Repressionen gegen die einheimische Bevölkerung gehörten fortan zum Alltag. Im Sommer 1941 traf der deutsche Angriff auf die Sowjetunion zunächst genau diese Gebiete. Schon in den ersten Tagen wurde die jüdische Bevölkerung als angebliche Stütze der Sowjetmacht Ziel blutiger Übergriffe. Sie gingen häufig von national gesinnten Ukrainern aus, die den Vormarsch der Wehrmacht zunächst begrüßten. Bald darauf begannen deutsche SS-Einsatzgruppen und verbündete rumänische Einheiten mit Massenerschießungen von Juden. Die Schlucht von Babij Jar (ukrainisch Babyn Jar) nahe Kiew, wo deutsche Einheiten und ukrainische Miliz an zwei Tagen im September 1941 mehr als 33.700 Juden ermordeten, ist heute ein weltweites Symbol für den Völkermord an den Juden. Auch die nichtjüdische Bevölkerung geriet ins Visier der Verfolger. In der nationalsozialistischen Rassenideologie galten Ukrainer wie alle »Slawen« als »Untermenschen«. Die Besatzer plünderten das Land, verschleppten weit über eine Million Zivilisten zur Zwangsarbeit und verübten öffentliche Geiselmorde. Ab 1943 tobte nicht nur ein Partisanenkrieg gegen die Wehrmacht, sondern auch der Kampf der nationalistischen »Ukrajinska Powstanska Armija« (Ukrainische Aufstandsarmee = UPA) gegen die Sowjets und die polnische Bevölkerung der Westukraine. Weit über 100.000 Polen fanden hierbei den Tod. 1944 wurde die Ukraine wieder sowjetisch und umfasst seitdem auch ehemals ostpolnische Regionen. Die UPA setzte ihren Kampf bis Mitte der 1950er Jahre fort. Die sowjetischen Behörden verschleppten rund 300.000 Ukrainer nach Sibirien, um diesen Widerstand zu brechen. Die Gedenkkultur war an der sowjetischen Symbolsprache ausgerichtet. Es entstanden monumentale Gedenkanlagen zur Feier des »Sieges« im Großen Vaterländischen Krieg. Erst in jüngerer Zeit trat neben die Heldenverehrung auch das Opfergedenken. In der Westukraine hat sich zudem eine Erinnerungskultur an den Kampf der UPA entwickelt, der als Unabhängigkeitskampf interpretiert wird. Eine Aufarbeitung der Kollaboration mit den deutschen Besatzern und des Antisemitismus hat erst um 2000 begonnen. Die Massenerschießungen an Juden wurden, mit wenigen Ausnahmen, bis in die 1980er Jahre übergangen. Erst die Regierung der unabhängigen Ukraine erkannte 1991 Babyn Jar als »Symbol jüdischen Märtyrertums« an. Die Ukraine war auch lange nach der Erlangung der Unabhängigkeit auf der Suche nach ihrer eigenen Identität. Die Dokumentation der sowjetischen Verbrechen – wie die staatlich herbeigeführte Hungerkatastrophe 1932/33 mit Millionen Toten (Holodomor) – hat größere Bedeutung als die Aufklärung über den Holocaust. Dennoch entstanden überall im Land neue Gedenkorte in Erinnerung an die ermordeten Juden, wie etwa die Gedenkstätte Drobizkij Jar in Charkiw oder das Holocaustmuseum in Odessa. An zahlreichen Massengräbern entstanden neue Denkmäler, teils mit Unterstützung aus Deutschland. In Kiew sollte bei der ehemaligen Massenerschießungsstätte Babyn Jar eine große Holocaustgedenkstätte mit weltweiter Ausstrahlung entstehen. Diese Pläne wurden mit dem großangelegten russischen Angriff auf die Ukraine vom 24. Februar 2022 auf Eis gelegt. Welche Auswirkungen der Verteidigungskrieg in Zukunft auf die Holocausterinnerung haben wird, bleibt abzuwarten.

Erinnerung

Die Rote Armee eroberte Samhorodok am 1. Januar 1944 zurück. Diesen Tag erlebten nur etwa 10 Juden aus Samhorodok. Noch vor Ende des Krieges ermittelte eine sowjetische Untersuchungskommission in Samhorodok, um Beweise über deutsche Verbrechen zu sammeln. Dabei wurde auch die Zeugenaussage eines jüdischen Überlebenden aufgenommen, was bei solchen Untersuchungen nur sehr selten vorkam. Auch einige lokale Kollaborateure wurden verhaftet.
Am Ort der Massenerschießung vom 4. Juni wurde in den unmittelbaren Nachkriegsjahren ein Obelisk aufgestellt. Welche Inschrift dieses Denkmal hatte und in welcher Sprache, kann niemand mehr mit Sicherheit sagen, auch nicht, wer die Initiative für das Gedenkzeichen ergriff. Später wurde dieser Obelisk, der mitten auf einer landwirtschaftlich genutzten Wiese stand, um eine Betonplatte ergänzt und umzäunt. Nicht-invasive archäologische Untersuchungen von 2016 und 2017 ergaben, dass sich die Betonplatte tatsächlich auf dem Massengrab befand, jedoch nicht das ganze Grab abdeckte. Im September 2019 wurde hier ein neues Denkmal feierlich eingeweiht. Das Denkmal wurde durch eine Informationsstele ergänzt, das in ukrainischer, englischer und hebräischer Sprache über das Schicksal der Juden Samhorodoks informiert. Die Untersuchungen sowie die Aufstellung des neuen Denkmals wurden im Rahmen des Projekts »Erinnerung bewahren« durchgeführt, das bei der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin angesiedelt ist.
Auch auf dem jüdischen Friedhof erinnert mittlerweile ein Gedenkstein an die während der deutschen Besatzung dort ermordeten Juden.

Öffnungszeiten

Das Denkmal ist jederzeit zugänglich.

Kontakt

https://www.erinnerungbewahren.de/samhorodok/

info@erinnerung-bewahren.de


Samhorodok