Erinnerung an die ermordeten Juden des Bobruisker Ghettos
Памяти убитых евреев бобруйского гетто / Памяці забітых яўрэяў бабруйскага гета
Seit 1960 erinnert ein von der jüdischen Gemeinde Bobruisk (belarussisch: Babrujsk) errichtetes Denkmal an die etwa 14.000 Juden, die 1941 und 1942 von deutschen Einsatzgruppen erschossen wurden. Seitdem sind weitere Denkmäler dazugekommen.
Geschichte
In Bobruisk lebten im Jahr 1939 etwa 26.000 Juden, rund ein Drittel der Gesamtbevölkerung. Mit über 30 Synagogen galt die Stadt als bedeutendes Zentrum jüdischer Kultur. Nur wenige Juden waren vor der herannahenden deutschen Armee geflohen.
Am 29. Juni 1941 nahm die deutsche Wehrmacht die Stadt ein. Im August 1941 wurde ein Ghetto für die jüdische Bevölkerung eingerichtet. Mitte desselben Monats verhafteten Angehörige des SD (Sicherheitsdienst der SS) und des Polizeibataillons 307 etwa 50 jüdische Männer. Sie wurden auf Lastwagen verladen und abtransportiert. Wahrscheinlich wurden sie anschließend von den SD-Leuten erschossen. Die SS-Kavallerie-Brigade ermordete im September 1941 7.000 Juden in der Nähe eines Rollfeldes bei Bobruisk. Ebenfalls im September und Oktober 1941 war ein Teiltrupp des SS-Einsatzkommandos (EK) 8 unter Befehl von Carl Ruhrberg in Bobruisk stationiert. In verschiedenen Aktionen erschossen die Männer des EK 8 insgesamt 2.000 Juden aus Bobruisk und Umgebung. Vom 5. bis 7. November 1941 erschossen wahrscheinlich das Polizeibataillon 316 und das EK 8 etwa 5.800 Juden. In ihrem Bericht für Dezember 1941 erklärte die Einsatzgruppe B Bobruisk für »judenfrei«. Dennoch setzte das EK 8 das Morden in den Jahren 1942/43 fort: Immer wieder wurden Juden aus Arbeitslagern oder kleineren Ghettos aus der Umgebung von Bobruisk gesammelt und erschossen.
Opfergruppen
Die genaue Zahl der in Bobruisk und Umgebung Ermordeten ist unbekannt. Beim Dorf Kamenka erschossen Angehörige des Einsatzkommandos 8 im Juli 1941 etwa 250 und wahrscheinlich im November 1941 etwa 5.800 Juden. Die Gesamtzahl der ermordeten Juden aus Bobruisk liegt mindestens bei 14.000.
Erfahre mehr über
Belarus
Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 und dem Einmarsch der Roten Armee in Ostpolen kam der Nordosten des Landes zu Belarus als Teil der Sowjetunion. Im Sommer 1941 wurde dann ganz Belarus von deutschen Truppen erobert. Während der folgenden drei Jahre kam jeder vierte oder gar jeder dritte Einwohner gewaltsam ums Leben. Fast alle Städte des Landes wurden völlig zerstört. Wehrmacht oder SS brannten etwa 620 Dörfer, darunter Chatyn, systematisch samt ihren Einwohnern nieder. Malyj Trostenez, nahe der belarussichen Hauptstadt Minsk, war die größte Vernichtungsstätte auf dem Gebiet der besetzten Sowjetunion. Heute nimmt man an, dass mindestens 60.000 deutsche und einheimische Juden dort ermordet wurden. Für Minsk wird die Zahl der getöteten Juden auf bis zu 85.000 geschätzt, für das gesamte Gebiet auf 230.000. Belarus bildete von 1941 an mit über tausend aktiven Gruppen ein Hauptgebiet des sowjetischen Partisanenkampfes gegen die deutschen Besatzer. Ab Ende 1943 wurde das Land von der Roten Armee zurückerobert und galt im Sommer 1944 als vollständig von der deutschen Besatzung befreit. Das Land war weitestgehend verwüstet, das gesellschaftliche Gefüge erschüttert und die Menschen traumatisiert.
Belarus gehörte ab 1944 wieder zur Sowjetunion. Ein großer Teil der 1939 einverleibten polnischen Gebiete blieben Teil des Landes. In der staatlichen Erinnerungs- und Denkmalkultur des Landes dominierten nach Kriegsende der Tag der Befreiung des Landes am 3. Juli 1944 und der Tag des Sieges am 9. Mai 1945 als Ende eines »heldenhaften« Kampfes im Großen Vaterländischen Krieg. Von zentraler Bedeutung war stets auch die Erinnerung an den Partisanenkrieg. Im sowjetischen Staatsverband verzichtete man auf eine eigenständige Nennung des Massenmords an den Juden. Daher stellt ein Obelisk in der Erschießungsgrube am ehemaligen Minsker Ghetto, der »Jama«, eine Besonderheit auf dem Gebiet der damaligen Sowjetunion dar. Er wurde bereits 1946 errichtet und blieb für Jahrzehnte das einzige Denkmal mit einer jiddischen Aufschrift und direkter Nennung der ermordeten Juden. Ungewöhnlich ist auch die Erinnerungsstätte in Chatyn, wo im März 1943 153 Menschen bei lebendigem Leib verbrannt worden waren. 1969 entstanden, zeichnet sie sich durch Schlichtheit aus und verzichtet auf die sonst übliche Monumentalität, es stehen die menschliche Dimension des Grauens und das Leid der Opfer im Vordergrund.
Mit der Schaffung eines unabhängigen belarussischen Staates 1991 begann die Suche nach einer eigenen nationalen Identität. Hierbei spielen die Opferzahlen – insbesondere während des Zweiten Weltkrieges – eine entscheidende Rolle. Bewusst wird allerdings eine Unterscheidung zwischen dem Gebietstand vor und nach 1939 vermieden. Die Verbrechen der Stalinzeit, aber auch der Holocaust rückten ebenso in das Blickfeld, wurden aber aufgrund der vorhandenen Regierungsform nicht weitergehend öffentlich gemacht. Das staatliche Gedenken, das seinen Ausdruck auch im 2014 eröffneten, monumentalen Neubau des Museums der Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges findet, bleibt vom Kampf in den Jahren 1941 bis 1944 geprägt. Zugleich hat jedoch der Verband der jüdischen Gemeinden in Belarus inzwischen eine Reihe von Denkmälern für die Opfer des Massenmordes errichten lassen. Seit Anfang der 1990er Jahre haben mehrere deutsche Städte Stelen im Gedenken an die dorthin deportierten und getöteten Juden in Minsk errichtet; das Berliner Erinnerungszeichen wurde – vom Land Berlin und der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas finanziert – am 25. Juni 2009 feierlich eingeweiht. Auch eine würdige Gestaltung des Areals von Malyj Trostenez geht voran: seit 2015 erinnert eine Gedenkanlage an die Opfer. Ein zweiter Bauabschnitt wurde 2018 im Beisein der Staatspräsidenten Deutschlands, Österreichs und von Belarus eröffnet. An der Realisierung beteiligte sich auch die Bundesrepublik finanziell, wie auch an der Renovierung der Geschichtswerkstatt, die sich in einem historischen Gebäude auf dem Gebiet des ehemaligen Minsker Ghettos um die Dokumentation von Opferschicksalen kümmert.
Erinnerung
Die Rote Armee befreite Bobruisk am 29. Juni 1944. Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrten viele Juden in die Stadt zurück.
Bereits 1960 setzte sich Meir Zeliger für den Bau eines Denkmals an der ehemaligen Erschießungsstätte in der Nähe des Dorfes Kamenka ein. Er selbst hatte vor dem Einmarsch der Wehrmacht aus Bobruisk fliehen können und überlebte den Holocaust. Mit finanzieller Unterstützung der verblieben jüdischen Gemeinde von Bobruisk wurde das Denkmal in Kamenka errichtet. Dass es sich bei den Opfern um Juden handelte, wurde in der Inschrift nicht erwähnt. Nach Zeligers Tod 1978 kümmerte sich Maria Minz, selbst Überlebende des Bobruisker Ghettos, um die Massengräber und die Denkmäler. Sie setzte sich für den Bau eines weiteren Denkmals in Kamenka ein, das 1988 eingeweiht wurde.
Einige Juden hatten sich während des Zweiten Weltkrieges durch die Hilfe von nichtjüdischen Einwohnern der Stadt retten können. Ihnen zu Ehren wurde 2005 eine »Allee der Gerechten unter den Völkern« im Stadtzentrum eingeweiht.
Am 19. Oktober 2008 wurde ein weiteres Denkmal eingeweiht. Es liegt unweit des früheren Ghettos im Südwesten der Stadt und symbolisiert den Baum des Lebens und des Leidens, mit eingravierten Häusern, durch die ein Spalt verläuft. Auf der rechten Seite steht auf Belarussisch: »1941. Den Gefangenen des bobruisker Ghettos. Sie liebten das Leben«, und auf der linken Seite: »Mögen ihre Seelen ewig leben, in dem ewigen Knoten des Lebens eingewebt«.
Der jüdische Friedhof befindet sich im Norden der Stadt. Dort liegen die Überreste der Opfer mehrerer Massenerschießungen aus der Umgebung begraben. Ihre Nachfahren betteten sie in den 1970er Jahren aus Massengräbern um und ließen Denkmäler errichten.
Obwohl in den 1990er Jahren viele Juden aus Bobruisk auswanderten, leben etwa 700 Juden in der Stadt. Die jüdische Gemeinde unterhält zwei Synagogen.